Hier ist Adventsgeschichte Nummer Drei.Schönen dritten Advent
Eigentlich hätte Pastor Kaul zufrieden sein können. Seine
Gemeinde in dem Dorf an der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven, bestand aus
guten Menschen. Dem Ort ging es gut, doch in diesem Jahr war alles anders. Das
lag an den Flüchtlingen. Dreißig Syrer hatte er in der, zur Kirche gehörenden,
Kapelle untergebracht, und damit begann der Ärger.
Bürger protestierten ,weil sie die Fremden fürchteten, obwohl
er bei Gemeinde-Versammlungen immer wieder beteuert hatte, das es sich um
Menschen handelte, die durch Terrorismus und Krieg alles verloren hatten, oft
nicht mehr als die Kleidung am Leib besaßen, und nach lebensgefährlicher Flucht
nun einfach nur ein neues, friedliches Leben suchten. Es waren Familien dabei
mit Kindern. Gerade jetzt zu Weihnachten, meinte der Pastor, müsse man
besonders viel Nächstenliebe zeigen, deshalb sollten diese Menschen hier eine
Heimat bekommen.
Doch nun kam auch der Landkreis an ihn heran, der die Syrer
abschieben wollte, weil sie Illegale waren. Bis Ende des Monats sollten sie die
Kirche verlassen,und auch der Bischoff war ein wenig ungehalten.
Übermorgen nun, am vierten Advent, wollte er in einer
besonderen Predigt noch einmal versuchen, die Gemeinde für die Flüchtlinge zu
gewinnen. Die Kirche war festlich geschmückt. Hinter dem Altar stand ein
geschmückter Tannenbaum neben einer nachgebauten Krippe.
Die prächtigere Krippe aber, stand vor der Kirche im Schnee.
Mit lebensgroßen Holzfiguren, die sich seit über Hundert Jahren im Besitz der
Kirche befanden. Festlich beleuchtet von künstlichem Licht, stand sie jetzt vor der Kirche, und besonders hell
leuchtete die Sternschnuppe über der Szene. Die Syrer halfen fleißig bei der
Pflege mit. Dennoch suchte er noch nach einem Helfer.
Pastor Peter Kaul selbst, war Einundvierzig, mittelgroß und
schlank. Er hatte ein Gesicht mit milden gutmütigen Zügen, die auch seine
Wesensart wider spiegelten. Er hatte dunkelblondes Haar, und seine braunen
Augen blickten treuherzig und vertrauensselig in die Welt.
Da saß er nun schwermütig und dachte nach. Von Sorgen
geplagt, wie er diese Menschen hier halten konnte, die sich ihm anvertraut
hatten. Er konnte sie doch nicht einfach weg schicken, selbst wenn die Behörden
es so wollten. Weg von der Sicherheit, in eine gefährliche, ungewisse Zukunft .
Er sah auf, zu dem großen Kruzifix an der Wand, mit dem
Bildnis des gekreuzigten Jesu Christi.“Herr, mein Gott“, sagte er „Wenn du mir
doch helfen könntest bei dieser schweren Aufgabe. Sie sind doch auch deine
Geschöpfe. Aber wenn du es vorziehst, sie noch weiter zu prüfen, obwohl du sie
schon so hart auf die Probe gestellt hast, so ist es ebenfalls dein Wille.“
So grübelte er noch eine Weile, da klopfte es plötzlich an
die Tür. Der Pastor ging und öffnete. Da stand ein junger Mann vor der Tür,
nicht älter als Dreißig Jahre.
„Guten Tag“, sagte er mit ruhiger, angenehmer Stimme. “Ich
habe gesehen, dass sie einen Helfer brauchen. Und ich würde ihnen gern helfen.“
Nun gut“, meinte der Pastor, der sich seinen Besucher nun
genauer ansah. Er war groß und Schlank. Trug Hemd und Jeans, darüber einen
langen Mantel. Das blonde Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Der untere Teil
des, fein geschnittenen, Gesichtes war von einem gepflegten Vollbart
eingerahmt. Die großen, blauen Augen blickten neugierig und freundlich.
Irgendwie hatte dieser Mann eine art Aura um sich, etwas, das einen sofort für
ihn einnahm.
„Ich kann nur nicht viel zahlen. Leider ist die ‚Kirche in
ihren Finanziellen Zumessungen oft nicht so großzügig, wie sie es von ihren Schafen
gern fordert “
„Das macht nichts“, meinte der Fremde „Ich wäre notfalls
auch damit zufrieden, einstweilen Kost und Logie zu bekommen.“
„Nun denn, wenn das so ist, dann heiße ich sie herzlich
willkommen.“
„Vielen Dank, sie können mich Michael nennen.“
Michael erwies sich schnell als große Hilfe. Tatkräftig half
er bei der Installation, und Wäsche der großen Figuren in der Krippe, und des
Schmuckes in der Kirche. Dabei verstand er sich prächtig mit den Flüchtlingen,
und nahm sich zwischenzeitlich auch Zeit, sich um die Kinder zu kümmern. Auf
alle hatte er eine große Wirkung.
Auch auf die Gemeinde, als er am folgenden Sonntag beim
Gottesdienst half. Am Tag zuvor hatte er dem Pastor sogar bei seiner Rede geholfen. “Denken sie an den
Evangelisten Lucas, der sagte: Gott ist in jedem von uns., also auch in euch
allen, und in diesen Menschen, die Schutz bei uns suchen.“
Nun, kurz vor dem heiligen Abend, verschärfte sich die
Situation. Rechte zogen vor der Kirche auf, und als ob das nicht reichte, kamen
Vertreter der Behörde mit der Polizei, die die Syrer sofort heraus holen und
zum Flughafen bringen wollten. Dann jedoch kamen die Bürger des Ortes, Männer,
Frauen und Kinder, und stellten sich zwischen sie und die Kirche.
Da öffnete sich das Hauptportal der Kirche, und der Pastor, zusammen mit Michael, trat heraus.
Der Bürgermeister trat ihn, zusammen mit einem der
Regierungsbeamten.
„Leider muss ich ihnen sagen, dass diese Leute sofort aus
der Kirche herausmüssen“
„Ja, raus mit den Musels!“, schrie es von Rechts. „Sind doch
alles Terroristen!“
„So“, sagte Michael. Er verschwand hinter die Tür, kam
jedoch sofort mit einer Flüchtlingsfrau heraus, die ihr Baby im Arm hielt.
„Sind das Terroristen? Oder Schmarotzer, die euch die Arbeit
wegnehmen? Erinnert sie euch nicht an jemanden?“
Und er wies zu der Krippe
„Sie waren damals auch Flüchtlinge, die Obdach bekamen.
Damals war es der Stall. Heute ist es diese Kirche, und ist es euer Ort!“
Die Präsenz des Fremden war so stark, dass sie sogar die
Rechtsradikalen so zu beeindrucken schien, dass sie sich zurück zogen.
Nun trat der Beamte zu ihm. Er zog ein Papier aus einer
Mappe, das er dem Pastor reichen wollte, doch Michael, der näher stand, nahm
es, sah darauf, fuhr mit der Hand darüber, und sagte:
„Oh, das ist ja sehr erfreulich.“
Und er reichte das Papier dem Beamten zurück.
„Erfreulich? Nun ja. Hier steht das…, aber wie ist das
möglich?“
„Was denn?“
„Hier steht, die Behörde verfügt, das die betroffenen
Flüchtlinge eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Pastor Peter Kaul
wird die Integration der Syrischen Neubürger anvertraut, verbunden mit einem
höheren Budget seitens der Kirche. Der örtliche Gemeinderat, der Bürgermeister,
und die Bewohner dieses Ortes werden zu jeder Form der Zusammenarbeit
aufgefordert, die dienlich ist.“
Ungläubig sahen der Pastor und der Bürgermeister auf das
Papier, welches der Beamte ihnen eben ausgehändigt hatte. Auch auf den
Gesichtern der Versammelten Bürger zeichnete sich nun ungläubiges Staunen ab.
Ebenso der Flüchtlinge, die nun auch vors Haus getreten waren.
Im nächsten Moment jedoch brach unbeschreiblicher Jubel aus.
Dorf-Bürger und Syrer lagen sich in den Armen.
„Tja“, meinte Kaul „Offenbar kennt man in ihrer Behörde die
Bedeutung des Wortes Barmherzigkeit. Ich denke, ich werde mich der Aufgabe als
würdig erweisen“
„Nun gut“, meinte der Beamte „Dann wissen sie ja, was sie zu
tun haben. Für uns ist die Sache damit erledigt. Kommen sie meine Herren!“, und
er winkte den Polizisten,
ihm zu folgen.
Das würde ein wunderbares Weihnachtsfest werden. Es wurde
dunkel, und die Krippe erstrahlte in hellem Glanz. Diese Nacht vor Heiligabend
war die erste seit langem, in der Pastor Kaul gut schlafen konnte. Als er am
nächsten Morgen zum Frühstück in die Küche kam, fand er dort einen Brief .Er
öffnete ihn und las:
Lieber Pastor Kaul!
Ich bin bereits in der
Nacht aufgebrochen, denn ich muss wieder weg. Mein Werk hier ist getan. Deine
Bitte um Hilfe wurde erfüllt. Es gibt noch andere zu dieser Zeit, die Hilfe
brauchen.Ich weiß, du wirst es jetzt schaffen, denn du hast das Herz auf dem
rechten Fleck.
Fröhliche Weihnachten,
Dein Freund Michael
Instinktiv erhob sich der Pastor, Michael konnte noch nicht
lange weg sein, und lief zur Tür. Als er vor der Tür stand, und hinaus schaute,
da sah er in dem Wäldchen, durch das der Weg von der Kirche führte, ein helles
Licht aufblitzen, das bis zum Himmel leuchtete. Einen Moment lang glaubte er so
etwas wie Flügelschlag zu hören, und über der Krippe vor der Kirche schien ein
besonders heller Stern zu stehen.
Grübelnd ging er zurück ins Haus. War das eines jener
Weihnachtswunder? In der Kirche blieb er vor dem großen Kruzifix stehen, sah es
eine Weile an, und sagte dann leise:
“Vielen Dank, und frohe Weihnachten.“
Und einen Moment lang war es so, als würde der Heiland auf
dem Kreuz ihm zuzwinkern…
ENDE