Sonntag, 6. Dezember 2015

Der Geist der Weihnacht

Meine zweite Advents-Geschichte.Viel Spaß, und schönen zweiten Advent!


Es war Heiligabend. In der Stadt herrschte reger Betrieb, und auch auf dem Weihnachts-Markt war es voll. Menschen wuselten zwischen den geschmückten Buden hin und her,die von bunten Lichtern erhellt wurden.

Es roch nach Glühwein, gebrannten Mandeln, Lebkuchen und Bratwurst. Den Mittelpunkt bildete ein großer, festlich geschmückter Weihnachtsbaum, neben dem zur Linken ein vergoldeter Holzthron stand. Dies war der Platz für den Weihnachtsmann.

Doch der Weihnachtsmann hatte ein Problem. Er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt war, oder, um es genau zu sagen, ob er die Rolle überhaupt spielen konnte. Lars war nämlich eigentlich ein Student, Anfang Zwanzig, mittelgroß und von einer gewissen Körperfülle, die ihn äußerlich für den Job geeignet erscheinen lies. Darum steckte er jetzt in diesem Kostüm.

Irgendwie hatte er seit seiner Kindheit nicht mehr viel Freude an Weihnachten nicht mehr viel Freude. wie sollte er dann Kindern welche vermitteln?
So grübelte er, und lief mit gesenktem Kopf hin und her, bis er plötzlich mit jemandem zusammenstieß.

„Oh, Entschuldigung“, rief er
„Kein Problem, Kumpel“, erwiderte sein Gegenüber. “Lern mich ruhig besser kennen!“
Lars sah auf, und hatte nun Gelegenheit, den Fremden besser zu betrachten, der alles andere als alltäglich wirkte.

Er war groß und dick, hatte langes, rötliches Haar, und einen ebensolchen Vollbart, in einem runden, pausbackigen Gesicht mit gutmütigen Zügen. Die Augen waren groß, freundlich,  und von wasserheller, blauer Farbe, In der Mitte des Gesichtes saß eine große, rot leuchtende, runde Knollennase, und der Mund ,der fast vom Bartwald verdeckt wurde, schien immer zu lächeln.

Auf dem Kopf trug er einen Kranz aus Mistelzweigen. Bekleidet war hauptsächlich mit einem langen, dunkelgrünen Mantel mit weißem Pelz –Besatz .Die Füße steckten in schwarzen Stiefeln.

Nun denn“, sagte er heiter „du spielst also den Weihnachtsmann, willst Kinder glücklich machen. Das ist sehr schön.“
„Wie man ´s nimmt“, meinte Lars „Eigentlich hab´ ich damit ein Problem“
„Warum? Komm schütte ruhig dein Herz aus. Ich bin ein guter Zuhörer.“

Irgendwie besaß der Fremde eine unglaubliche Aura. Lars hatte sofort das Gefühl, ihm völlig vertrauen zu können, und so erzählte er freimütig.

„Hm, Hmm, ja, das ist wirklich ein Problem. Du hast anscheinend  den Geist der Weihnacht verloren. Woll´n doch mal sehen, das  du ihn wieder findest.“
„Aber wie soll das gehen? Ich glaube nicht…“
„Richtig, du glaubst nicht, das ist der Punkt. Findest du nicht, das an einem an Weihnachten alles wunderbar vor kommt?“
„Leider nicht. Was soll mir denn wunderbar vorkommen?“
„Was? Na sieh dich hier doch mal um, an diesem herrlichen Weihnachtstag“


Und er vollführte eine weit ausladende Armbewegung über den Weihnachts-Markt,, während er sich auf der Stelle drehte.
Und es war wirklich ein schöner Tag, oder Vormittag, um genau zu sein. Aus einem weitgehend klaren Himmel fielen einige, wenige Schneeflocken Die strahlen der Sonne wirkten trotz des Frostes leicht wärmend und belebend.

„Sieh doch diese vielen schönen Lichter, wie schön alles geschmückt ist, die vielen fröhlichen Menschen. Komm, lass uns ein Stück gehen.“

Lars konnte nicht anders .etwas sagte ihm, das er diesem seltsamen Fremden folgen sollte, und so ging er mit ihm.
Irgendwann blieb Dieser mitten auf dem Weihnachtsmarkt stehen, und sog tief die Luft ein. .

„Aah, dieser Duft. riechst du das? Diesen Duft .von gebrannten Mandeln, Lebkuchen, Glühwein und Tannenduft!“
Und tatsächlich, es lag ein wunderbarer Duft in der Luft. Sein neuer Freund hatte Recht.

„Und ooh, dieser wunderbare Tannenbaum. Wie festlich geschmückt. Ist er nicht eine Pracht?
Lars stimmte zu, doch angesichts des Throns neben dem Baum, bekam er wieder Magengrummeln.

„Es gibt noch mehr zu sehen. komm“, sagte der Fremde, und zog ihn weiter über den Markt zur gegenüber liegenden Seite, wo ein Bettler mit seinem Hund saß.

Viele Menschen gingen an ihm vorbei, und die meisten von ihnen warfen etwas in seine Sammelbüchse, das er sehr dankbar annahm.
„Siehst du, das ist der wahre Geist der Weihnacht“, sagte der neue Freund „Es kommt darauf an, was man von sich selber gibt.“

Er ging zu dem Bettler, und tätschelte dem Hund den Kopf. Das Tier sah freudig erregt und neugierig zu ihm auf.
„Ja, du bist ein guter“, sagte er „Du und dein Herrchen, ihr habt bestimmt Hunger“, .Dann griff er in seine Manteltasche, holte ein Paar Münzen hervor, und warf sie in die Sammelbüchse. Lars  tat es ihm nach, worauf sich der Mann freundlich bedankte, und auch der Hund ihnen einen liebevollen Blick zuwarf.

„Ah, du hast es verstanden, gut. Oh, sieh mal dort!“
Der sonderbare Fremde wies auf ein Gebäude, an dem „Sammelstelle zur Flüchtlingsversorgung“ stand .Sie sammeln Spenden für Flüchtlinge und sieh mal, wie viele Menschen etwas geben wollen .Ja, die Menschen können gut und freigiebig sein.
Besonders zu dieser Zeit. Für ein Paar Tage im Jahr sind sie die Menschen, die zu sein sie immer gehofft haben.“

In Lars´ Herzen regte sich etwas .Irgendwie hatte sein seltsamer Freund recht, der in seiner Freude, über das was er sah, manchmal kindlich naiv wirkte, und doch, er hatte Recht.

„Na was ist das denn? Der Fremde machte ihn auf eine Bank am Dom Aufmerksam, auf der ein etwa zehnjähriges Mädchen saß, und weinte. Ehe Lars noch etwas sagen konnte, war der Fremde bereits auf dem Weg zu ihr, und der Junge Mann im Weihnachtsmann-Kostüm folgte ihm.

„Na, meine Kleine, wie kann man am Weihnachts-Tag so traurig sein?“
„Ich hab meine Mama verloren“, piepste das Mädchen. Wir waren in der Stadt Unterwegs,
und dann haben wir uns verloren. Nun bin ich ganz allein, und kann nicht mehr nach Hause kommen.“
„Na, das ist wirklich ein Problem. Aber ich habe hier jemanden, der dir helfen kann.“
Und er wies auf den völlig verdutzten Lars.

„Ooh“, staunte die kleine .“Der Weihnachtsmann! Du kannst mich bestimmt zu meiner Mama bringen. Bitte, bitte hilf mir.“
Und sie sah aus großen, unschuldigen Augen erwartungsvoll zu ihm auf. Der Fremde zwinkerte ihm aufmunternd zu.

„Na gut“, meinte Lars „überlegen wir mal…ah ja, das könnte es sein, komm.“
Er nahm sie bei der Hand, und ging mit ihr die Einkaufsstrasse herauf, vorbei an den Straßenbahnschienen und vielen Menschen, bis schließlich sein Ziel in Sicht kam. Eine Bürgerkontakt -Station der Polizei. Der Fremde sah es, und schmunzelte zufrieden.

Vor der Station stand, neben einem Polizisten, eine aufgelöst wirkende Frau Mitte Dreißig. In dem Moment, als sie ankamen, drehte sie sich um, bemerkte das Mädchen an seiner Hand, und rief:
„Lisa!“
Die kleine lies seine Hand los, rief „Mami“, und lief zu der Frau, die sie erleichtert in die arme schloss.
Der Fremde stupste Lars an, und meinte vergnügt: “Gut gemacht“
„Na sieh einer an“, meinte der Polizist „Da wird ihnen ihr Kind  vom Weihnachtsmann zurück gebracht. Na dann hat sich die Sache ja erledigt“
Auch die Frau dankte ihm, und dann kam Lisa zu ihm, umarmte ihn, und sagte „Danke Weihnachtsmann“

Lars hatte plötzlich einen Kloß im Hals .Die dankbaren Augen dieses Kindes mit ihrem warmen Blick. das Gefühl, diesem kleinen Menschen aus der Not geholfen zu haben, löste in ihm etwas aus. Er empfand plötzlich eine große Freude, fühlte sich leicht, und irgendwie übermütig, als wäre er selber wieder ein Kind.

Er strich über ihr Haar, und sagte:“Sehr gern geschehen, mein Kind“, und ahmte dabei sogar eine tiefe Weihnachtsmann-Stimme nach.
Sein sonderbarer Freund wirkte quietsch-vergnügt, als er zu ihm trat.
„Nun“, fragte er
„Ich habe verstanden “, sagte Lars „Ich fühle mich plötzlich so leicht und fröhlich und ich glaube, ich habe den Geist der Weihnacht verstanden.“
„Aha“
„Ja, mach anderen eine Freude, dann hast du selber Spaß.“

„Hervorragend, und kommt dir alles wunderbar vor?“
„Ja“
Der Fremde lachte schallend, und Lars konnte nicht anders, als einzustimmen.
„Nun“, sagte sein seltsamer Freund“ Dann kannst du ja jetzt auf deinen Platz am Tannenbaum. Dein Publikum wartet.“
Lars nickte
„Du hast Recht.“
Und sie gingen zum Weihnachtsmarkt zurück, und zum Baum. Lars ging zum Thron, setzte sich, und begann seine Vorstellung als Weihnachtsmann , während der Fremde in einiger Entfernung stehen blieb,ihm aufmunternd zulächelte, und den rechten Daumen hob.

Es war eine tolle Vorstellung, und am Ende wollte man ihn gar nicht gehen lassen. Die Veranstalterin meinte, er wäre der beste Weihnachtsmann, den sie bisher hatten.

Schließlich ging er zu dem Platz, wo der Fremde zu Anfang gestanden hatte, doch sein sonderbarer Freund war fort. Er sah sich eine Weile nach ihm um, und sagte schließlich wie zu sich selbst:
„Danke du mir das zurück gegeben hast.“
Und nun? Na ja, einen Glühwein hatte er sich doch verdient. So ging er zum Glühwein-Stand, und bestellte einen Becher.

Das Getränk wurde ihm gereicht, und er tat einen Zug. Es schmeckte und wärmte. Tat einfach gut. Er warf einen Blick auf den Becher, und dann stockte Er. Auf dem Becher war in allen Einzelheiten das Gesicht seines sonderbaren Freundes abgebildet, samt Mistelkranz auf seinem Kopf. Einen Moment lang war es, als würde es ihm zuzwinkern. Und nun sah er auch, was unter dem Gesicht geschrieben stand:

Der Geist der Weihnacht


ENDE