Die Familie war über Weihnachten in Urlaub gefahren, das
wusste er. Er hatte es ausbaldowert, bevor er den Einbruch machte.
Das Weihnachtsmannkostüm war zu dieser Zeit eine
hervorragende Tarnung, wer schaute da schon in den Sack, aber Emil hatte auch
für diesen Fall vorgesorgt, mit ein Paar leeren Päckchen.
Das Einsteigen war kein Problem. Die Alarmanlage war nicht
sonderlich anspruchsvoll Die Beute war nicht schlecht: Tafelsilber, Schmuck, Bargeld,
zwei Handys, und ein wunderbarer Weihnachtsengel aus Porzellan.
„Meißen, etwa Achtzehntes Jahrhundert“, meinte er zufrieden
nach einem Pfiff durch die Zähne .Das hatte sich gelohnt!
Zufrieden wickelte er die, etwa dreißig Zentimeter hohe, Figur
in eine Zeitung, und steckte sie zu den anderen Dingen in den Sack, dann trat
er den Rückzug an, und verlies das Haus. Draußen sah er sich kurz um, dann
stapfte durch den Schnee die verlassene Strasse entlang, als eine leise Stimme
an sein Ohr drang:
„Weißt du nicht, das stehlen eine Sünde ist? Es ist besser,
du bringst mich zurück.“
Er stoppte kurz, dann schüttelte er den Kopf
„Du magst ja kurzzeitigen Gewinn machen, doch die böse Tat
kann das nicht aufwiegen.“
„Es trifft keine armen. Außerdem ist Weihnachten doch die
Zeit des Gebens“, spottete er, um sich gleichzeitig zu fragen:
“Mit wem rede ich da eigentlich?“
„Nenne mich dein Gewissen“
Nun bog er auf eine größere Strasse ein, und schritt sie
entlang, bis an ihrem Ende ein Waisenhaus auftauchte. Wie viele andere Häuser
in der Strasse war es prächtig weihnachtlich geschmückt und beleuchtet.
„An Weihnachten kommt es nicht darauf an, was man bekommt, sondern,
was man von sich selber gibt.“
Er sah sich um. Irgendwo musste die Person doch sein, die
mit ihm sprach, doch da war Niemand.
Schließlich begann er die Stimme zu ignorieren
„Da sind sie ja endlich“, klang es von der anderen Seite
Er sah sich erschrocken um, und realisierte, dass er ja noch
das Weihnachtsmann-Kostüm trug.
„Kommen sie schon“, sagte eine mittelaltrige blonde Frau mit
einer Weihnachtsmütze auf dem Kopf „die Kinder warten schon.“
„Siehst du“, meldete sich die Stimme wieder „Nun kannst du
tun, was eigentlich die Aufgabe des Weihnachtsmannes ist, nämlich geben und
nicht nehmen.“
Sie führte ihn in einen großen Raum, wo, vor einer kleinen
Bühne, an die Dreißig Kinder saßen, welche ihm zu jubelten. Verdattert stand er
nun da. Was sollte er nur tun. Er hatte ja gar keine Geschenke in seinem Sack. Im
Gegenteil. Aber sie erwarteten offenbar
einen Weihnachtsmann, und der war sicher nicht fern, also musste er Zeit
gewinnen.
„Ahm, also, zunächst möchte ich zum Schmuck eures Raumes
beitragen.“ Er hatte einen Sockel neben der Bühne gesehen, der ihn auf eine
Idee gebracht hatte. eine völlig verrückte Idee ,aber eine, die ihn retten
konnte.
Er griff in seinen sack, und nahm den eingewickelten Engel
heraus, wickelte ihn aus, und stellte ihn auf den Sockel, trat zurück, sah die
Figur an, und erschrak.
Die Augen des Engels schienen ihn direkt an zu sehen, und
ihr Blick schien ihn zu durchbohren. Hatte der mund schon vorher dieses
wohlwollene Lächeln?
„Ich glaube, du hast
verstanden“, lies sich die Stimme freundlich vernehmen.
Im selben Moment ertönte von der Tür ein lautes „Ho, Ho Ho!“,
und ein großer dicker Mann im Weihnachtsmannkostüm trat unter dem Jubel der
Kinder ein.
„Äh ja“, sagte Emil „Das ist mein Kollege. Ich war nur die
Vorhut.“
Da allerdings nahm keiner mehr wahr, denn der andere hatte
bereits mit dem Verteilen von Geschenken begonnen. so nahm er seinen Sack, und
stahl sich hinaus auf die Strasse, und wollte nur noch nach Hause. Doch ein
innerer Trieb lies ihn zu jenem Haus zurück gehen, aus dem er die Dinge
gestohlen hatte, und legte den Sack davor ab, dann ging er, und irgendwie
fühlte er sich wirklich gut.
Unmittelbar nach den Feiertagen las er in der Zeitung, das Waisenhaus eine fürstliche Belohnung für die
Rückgabe der wertvollen Figur bekam, welche die Einrichtung vor der Pleite
rettete .Da hatte er tatsächlich ein sehr gutes Werk getan,
als er den Porzellanengel dort gelassen hatte!
ENDE