Sonntag, 30. Oktober 2016

Die Bestie von Bartowek


Die alljährliche Horror-Geschichte zu Halloween.Achtung,wenn auch keine ausgedehnte Blutorgie, für Kinder nicht ganz so geeignet.


Ich muss diesen  Aufzeichnungen eines Voraus schicken: Die hier geschilderten Ereignisse sind wahr, auch wenn sie noch so unheimlich und phantastisch wirken, und noch so unmöglich erscheinen. Ich bin selbst ein Mann der Wissenschaft, und kann beschwören, dass ich das Folgende erlebt habe. Ich habe sie hier fest gehalten, in Erfüllung meiner Chronistenpflicht.

Es war im Jahre des Herren 1831, als ich in Karlsbad, in Böhmen ,weilte Ich residierte im ersten Haus im Platze, dem Hotel Pupp, wartend auf die Postkutsche, welche mich an mein eigentliches Ziel Bartowek  oder Bartowice, in den Bergen, bringen sollte.

Karlsbad, im tschechischen Karlovy Vary genannt, liegt im Westen Böhmens, an der Mündung der Tepla in die Eger. Es ist einer der berühmtesten, und traditionsreichsten Kurorte der Welt. Die Heilwirkung seiner Quellen ist bereits seit dem vierzehnten jahrhundert bekannt. Ihre Entdeckung geht der Sage nach auf einem durstigen Hirsch zurück, welcher mit seinen Hufen die erste Warme Quelle frei legte.

Freilich hätte ich auch einen Lehrstuhl an der Universität meiner Heimatstadt Königsberg bekommen können, doch fühlte ich mich noch nicht alt und erfahren genug dafür, obschon ich bereits Mitte Vierzig war, und war noch nicht bereit, sesshaft zu werden.

Darum, und weil mich fremde Länder und  Geheimnisse reizten, reiste ich herum, und bot meine Dienste als Privatgelehrter und Detektiv für außergewöhnliche Fälle an, welche örtliche Ermittler vor scheinbar unlösbare Rätsel stellten.

Oft erwies sich mancher Spuk als Scharlatanerie und Täuschung, und doch war ich mir bewusst, das es jene Dinge gab, die auch die Wissenschaft nicht erklären konnte.

Alle meine bisherigen Erlebnisse jedoch, waren harmloser Schabernack im Vergleich zu dem, was ich hier erleben sollte.

So harrte ich der Ankunft der Kutsche, welche nur wöchentlich fuhr, Morgen in der Frühe ankommen, und gegen Mittag wieder aufbrechen würde, und las  jenen Brief eines ehemaligen Studenten noch einmal , der mich hierher gerufen hatte, und in dem es um ein Monster ging, welches den Ort heim suchte, und bereits drei Menschen regelrecht zerfetzt hatte.

Der ‚junge Mann war bereits fortgeschritten, als ich meine Lehrtätigkeit aufgenommen hatte, und schloss zwei Jahre vor meinem eigenen Abschied von der Universität, sein Studium ab. Nun also hatte es ihn als Arzt ins Böhmische verschlagen.

*
  Der Morgen und der Vormittag verliefen weitgehend ereignislos. Nachdem ich das Mittagessen eingenommen hatte, stand der Wagen bereit, und ich konnte meine Reise fortsetzen. Außer mir reisten noch drei Leute mit, die allerdings weiter fuhren.

Als einer meiner Mitreisenden, ein etwa fünfzigjähriger Mönch, von meinem Ziel hörte, rief er aus:
„Dort hin wollt ihr wirklich? Ist euch nicht bekannt, das der Ort verflucht ist?“
„Nein, nur das es dort rätselhafte Todesfälle gab, welche ich untersuchen soll.“
„So habt ihr auch nichts von der Gräfin gehört, die das Land dort in Schrecken versetzte, von der es hieß, sie sei eine Hexe, und Gebiete über dunkle Kräfte .“
„In der Tat hörte ich noch nicht davon. Allerdings unterliege ich nicht dem Hexenglauben. Ich bin ein Mann der Wissenschaft.“

„Natürlich gibt es viel unsinnigen Aberglauben .Eleonore Bartowek  jedoch existierte, und sie errichtete eine Schreckensherrschaft, feierte schwarze Messen, und die Hölle. so heißt es, zeigte sich erkenntlich, und sandte ihr eine Bestie, die ihr zu Diensten war.

 Einige mutige Bauern bereiteten ihrer Herrschaft schließlich ein Ende, vertrieben die Bestie, und mauerten die grausame Gräfin in ihrer Familien-Gruft lebendig ein. Doch bevor die Gruft endgültig geschlossen war, verfluchte sie den Ort und ihre Richter“

„Eine schaurige Geschichte, sicher, aber doch etwas übertrieben“
„Wie ihr meint, doch lasst euch eins raten: meidet das Schloss. Es ist ein entweihter Ort, in dem es umgeht.“
„Danke für euren Rat. Ich werde ihn beherzigen, soweit ich kann.“

Die Fahrt ging nun durch bergiges Gelände, das, je weiter wir fuhren, immer grauer wurde .Kein Vogel war mehr zu hören. Eine eigentümliche Ruhe herrschte, als wir am späten Nachmittag in Bartowek einfuhren. Ein düster und trostlos wirkender Ort.
„Über allem liegt der Hauch des Todes“, murmelte der Mönch „geht mit Gott“
„Der Passagier, der hierher wollte, mag schnell aussteigen. Ich möchte vor Sonnenuntergang diese Gegend  passiert haben“, rief in barschem ton der Kutscher.

Ich entstieg dem Wagen. Im nächsten Moment wurde mir mein Gepäck entgegen geworfen, das aus einem großen Koffer und einer Instrumententasche bestand. Sofort danach gab der Fahrer den Pferden die Peitsche und im Galopp raste die Kutsche davon. Die angst des Kutschers  vor diesem Ort musste wirklich sehr groß sein.

*
Nun stand ich mit meinem Gepäck auf dem Hauptplatz des Ortes. Vor mir das Rathaus.
„Professor Falbius!“
Ich wandte mich um. Da stand mein ehemaliger Schüler, Anton Gerber. Er war wohl aus dem gegenüber liegenden Gebäude gekommen, dessen Tür noch offen stand. Verändert hatte er sich kaum. Groß und kräftig, mit dunkelblondem Haar, und einem gutmütigem Gesicht, dessen große blaue Augen fast kindlich blickten. Doch wie ich aus seiner Studienzeit wusste, ein Mann mit einem messerscharfen Verstand. Es musste wirklich ernst sein, wenn selbst er sich keinen Rat mehr wusste.

„Vielen Dank, das sie gekommen sind.“ er ergriff meine Hand, und rückte sie herzlich.
„Ich freue mich auch sie wieder zu sehen. Doch was trieb einen vielversprechenden Arzt wie sie in diese Gott verlassene Gegend?“
„Es war die Liebe. Meine Braut kam hierher, und da hier eine Stelle als Arzt zu besetzen war, kam ich hier her. Doch lasst uns doch hinein gehen. Wir haben auch ein Zimmer für sie. Wenn sie sich frisch gemacht haben, können wir gleich zur Sache kommen.“
„Immer noch ein Mann der Tat.“

Wir gingen also hinein. Ich bezog mein Zimmer, und kam darauf wieder herunter.
„Nun“, begann ich „Sie schrieben in ihrem Brief von rätselhaften, grausamen Morden, die hier Schrecken verbreiten“
„Es sind noch andere merkwürdige Dinge passiert. Ein unmenschliches Heulen, wie von einer gequälten Frau hallt durch den Ort. In eine Gruft auf dem Friedhof wurde eingebrochen, und dann diese drei Morde.“
„Ich nehme an, sie kennen die Geschichte von der Gräfin, welche hier herrschte.“
„Der Fluch ,ja. Doch das halte ich für Aberglauben. Darum habe ich einen Wissenschaftler hinzu gezogen, aber ich glaube, ich zeige es ihnen “
Er bedeutet mir zu folgen. Wir durchquerten das Haus, gingen durch eine Tür in einen Hinterhof, den wir durchquerten, und betraten ein anderes Gebäude.

„Als Arzt“, erläuterte Anton auf dem Weg „obliegt mir auch die Aufgabe der Leichenschau“
Als wir das andere Gebäude betraten, schlug mir ein Geruch nach Verwesung entgegen. Anton gab mir ein Tuch, das ich mir vor die Nase hielt, und führte mich zu einem Seziertisch, auf dem, mit einem Blut beflecktem Tuch bedeckt, ein Bündel lag.

Als er das Tuch weg zog, stoben Fliegen Hoch, und der Gestank verstärkte sich.
„Dies ist das letzte Opfer. Die anderen sahen ähnlich aus.“
Ich erschauerte. Der Anblick, der sich mir bot war wahrlich entsetzlich. Ein riesiger Brocken Fleisch, der einmal ein Mensch gewesen war.Das Gesicht war von etwas wie einem Prankenhieb geradezu zerfetzt worden. Nur noch das linke Auge war da. Da wo das rechte gewesen war, war ein blutiger Krater, der sich bis zum Hals herunter zog.
Der linke Arm war heraus gerissen.
Der Leib war ein einziges, blutiges Loch, aus dem die Gedärme heraus hingen. Die Unterschenkel schließlich, waren aufgeschlitzt worden.

Auch wenn ich Wissenschaftler war, so war mir doch klar, dass kein Mensch auf diese Weise tötete. Tatsächlich wirkten die Wunden mehr wie von Klauen und Zähnen eines wildes Tieres. Doch der tote musste ein Mann von stattlicher Größe gewesen sein. Was für ein Tier konnte das also gewesen ein?

„Gibt es hier in der Gegend Bären?“, fragte ich
„Schon“, antwortete Anton „Doch  sie meiden menschliche Behausungen. Wenn überhaupt, holen sie mal ein Stück Vieh, aber auch das ist sehr selten. Auch Wölfe lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen. Die Verletzungen stammen nur von einem Angreifer.“

„Nun denn. Können sie mir zeigen, wo das letzte Opfer gefunden wurde?“
„Sicher. Ich hole nur eine Laterne, denn es wird allmählich Abend.“
Anton führte mich bis an die Mauer des Friedhofes.
„Hier hat er gelegen, oder was von ihm übrig war.“
An der bezeichneten Stelle fanden sich noch Spuren getrockneten Blutes. Auch die Mauer wies Spritzer auf.
Ich untersuchte den Ort, konnte aber nichts  weiter finden.

„Sagten sie nicht, es sei in eine Gruft eingebrochen worden?“
„Ja, es war die Familiengruft der Bartoweks.“
„Wollen wir sie uns auch einmal ansehen?“
„Sicher. Warum nicht? Die Gruft konnte noch nicht wieder geschlossen werden, aber es dürfte auch unwahrscheinlich sein, das jemand daraus entkommt.“ 
Er zwinkerte mir zu, und ich lächelte.
„Und überwiegend wertvolle Dinge sind auch nicht darin.“

Wir überquerten den Friedhof. Mittlerer Weile war es dunkel, und Anton hatte die Laterne angezündet.
Nebel waberte über das Gräberfeld, und ein kalter Hauch umwehte uns.
Schließlich kamen wir bei der Gruft an. Die Tür wehte leicht im Wind.  Mir fiel auf, dass sie leicht schief war. Sie musste also mit Gewalt aufgebrochen sein. Und ja, das schloss war zerstört.

„Waren sie schon unten?“
„Noch nicht. Wir fanden es nicht nötig."
„So gehen wir jetzt“
Ehe er noch etwas sagen konnte, stieg ich schon die Stufen herab.
In Nischen standen dort Särge aufgebarrt. Jeder mit einem goldenen Schild versehen, dem entnommen werden konnte, wer darin begraben lag.

Mein Blick fiel auf eine Wand an der Stirnseite, an der eine Tafel verkündete:
„Hier wurde lebendig begraben die Hexe Eleonore von Bartowek, auf das sie nie wieder Angst und Schrecken verbreite.“

Unter der Tafel jedoch war ein Loch in die Mauer  gebrochen. Antons Augen weiteten sich
„Wie ist das möglich?“
Wir gingen näher heran, und leuchteten durch das Loch. Der Raum dahinter war leer. Man hatte die Überreste der Toten gestohlen.

„Ich denke, hier können wir nichts mehr tun. Gehen wir.“, meinte ich. 
Wir wandten uns um, das Mausoleum zu verlassen, da erstarrten wir. Durch die Nacht erscholl ein schauerlicher Heulton, der nicht von einem Menschen stammen konnte.

„Was war das?“
„Ich habe keine Ahnung, aber es klingt entsetzlich"
„Los nach Oben!“
Wir stiegen die Stufen hinauf, und verließen die Gruft. Grad e als wir die Umzäunung durchschritten, stürzte ein riesenhafter Schatten auf uns herab. Ich spürte wie etwas meine Schulter aufriss. Ein unglaublicher, brennender Schmerz durchflutete meinen Arm. Ich stürzte und sah auch Anton fallen.

 Mich langsam aufrappelnd, sah mich einem Wesen gegen über, das der direkt der Hölle entsprungen zu sein schien.
Es maß über zwei Meter, und hatte zotteliges, dunkelbraunes Fell. Der Kopf glich dem eines Wolfes, mit heimtückisch blickenden rötlich gelben Augen, und einer spitzen Schnauze, deren aufgerissener Rachen vor spitzen, scharfen, gelblich weißen Zähnen starrte.

Das Ungeheuer stieß einen gutturalen, unmenschlichen Schrei aus, und stürzte sich auf uns. Ich tat einen Satz zur Seite, und stieß dabei auch Anton weg, hinter einen großen Grabstein, gegen den die Bestie krachend aufschlug. Ich rappelte mich auf, und riss Anton hoch.

„Zum Ausgang!“
Das Monster im Nacken,. dessen Knurren uns verfolgte, hetzten wir dem Ausgang des Friedhofes zu.
Schon durchquerten wir den Eingang, da stolperte Anton vor mir, und ich über ihn. Da stürzte sich auch schon die Bestie auf  uns, doch plötzlich prallte sie zurück, stieß einen Schrei aus, drehte ab, und lief den nahen Berg hinauf. 

Ich stand auf, und stellte fest, dass meine Jacke sich geöffnet hatte. Mein silbernes Kruzifix hing offen auf meiner Brust. Hatte es das Ungeheuer verscheucht?
„Sehen sie, wohin es läuft!“, rief Anton
Ich wandte den Blick dorthin .Auf dem Hügel, den die Bestie erklommen hatte, thronte wuchtig ein Schloss.
„Schloss Bartowek“, sagte Anton „Es steht leer, seit die Gräfin eingemauert wurde.“
„Und warum brennt dort oben im Turm Licht?“
Anton bemerkte es und erschauerte.“
„Das dürfte eigentlich nicht sein!“
Und doch ist jemand dort oben. Doch das können wir jetzt nicht mehr ergründen. Zunächst gehen wir nach Hause, und verbinden unsere Wunden.“

*
Wir gelangten ungehindert nach Hause, wo Anton zunächst die Fleischwunde in meiner Schulter verband. Er selbst hatte nur Abschürfungen davon getragen. Ein Glas Tokaier und ein kräftiges Abendmahl stärkten uns wieder.

„Nun, ihren Mörder haben sie jetzt gesehen. Es ist unzweifelhaft, das diese Bestie für ihre Toten verantwortlich ist.“
„Aber was ist das für eine Kreatur?“
„Wenn ich es richtig gesehen habe, handelt es sich um einen Werwolf. Ich habe davon gelesen, hätte aber nie an ihre Existenz geglaubt. Eines allerdings ist seltsam. Es ist kein Vollmond. Nach dem, was ich darüber gelesen habe, gehen sie nur bei Vollmond um. Aber vielleicht es  auch nur ein verkleideter Mensch. Man kann nichts ausschließen. Doch etwas Unheimliches geht hier vor sich, und der Schlüssel, glaube ich, liegt Oben im Schloss. Morgen früh gehen wir dorthin, und sehen uns um.“
*

Früh am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, traf ich zunächst ein paar Vorbereitungen. Ich entnahm meiner Geldbörse ein paar silberne Münzen, schmolz sie ein, und goss Kugeln daraus, mit denen ich meine Pistole lud. Dann ging ich damit zum Pfarrer, wo ich sie weihen ließ. Der Geistliche gab mir noch eine Weihwasser-Ampulle mit.

So gerüstet gingen wir los. Meine Schulter schmerzte noch, doch ich war zuversichtlich, dass ich es schaffte.
Es dauerte etwas über eine Stunde bis wir beim Schloss ankamen. Durch das offen stehende Portal betraten wir den Schlosshof. Hier innen konnte man sehen, wie verfallen das Gebäude war, in dem Zweihundert Jahre lang niemand gewohnt hatte.

Wir überquerten den Hof, und betraten schließlich das alte Gemäuer durch den Haupteingang, dessen schwere Eichentür ebenfalls offen war. Wir zündeten eine Fackel an, und gingen durch die Eingangshalle. Kalt gemauerte Wände, an denen wertvolle Wandteppiche hingen, auf dem Steinboden persische Läufer. Wir gingen die Treppe hinauf, einen Gang entlang, an dem Bilder hingen, die verschiedene Adlige zeigten.

Wir stiegen die Treppen wieder hinunter, gingen um sie herum, und betraten durch ein großes Portal den Thronsaal, einen großen, lang gestreckten Raum mit einem roten Läufer in der Mitte, der auf einen alten vergoldeten Holzthron zu führte. An den Wänden hingen Gemälde, ein besonders großes zeigte eine geradezu überirdisch schöne Frau mit hohen Wangenknochen, pechschwarzem Haar, und kalten, grauen Äugen, deren Blick grausam und hochmütig wirkte.

„Das muss die Gräfin sein“, meinte Anton
Ich nickte, und ging auf das Gemälde zu. So sehr mich diese Frau auch abstieß, so zog sie mich doch gleichzeitig an.

„Was genau suchen wir eigentlich hier?“, fragte mein Begleiter
„Offen gesagt, weiß ich das selber nicht so genau.“
Plötzlich hörten wir die Eingangstür ins Schloss fallen. Wir liefen hin, und überprüften Sie. Sie war verschlossen, und lies sich nicht öffnen. Wir gingen durch das Schloss, und suchten nach anderen Ausgängen, doch wenn wir einen fanden, war auch er verschlossen. Wir waren hier eingesperrt!

Auch die Fenster erwiesen sich als fest verschlossen. Starke Holztüren waren vor sie gelegt. Es war uns nicht möglich zu entkommen. Was sollten wir tun? Wir gingen in die Bibliothek, die wir bei unseren Streifzügen gefunden hatten, und ließen uns dort nieder.

Wir wussten nicht mehr, wie lange es gedauert hatte .Zwischenzeitlich waren wir wohl eingeschlafen. Plötzlich, es war schon dunkel geworden, ertönte ein lauter heller Ton, wie ein Klagelaut von einer Frau.

„Ich glaube, es kommt aus dem Thronsaal“, meinte Anton
„Ja, bestätigte ich“
Wir rappelten uns auf, und machten uns auf den Weg zum dort hin. Es war nicht weit, und so kamen wir nur wenige Minuten später dort an.
Ich öffnete das Portal, und trat ein. Gleich hinter fiel es wieder zu.Ich wandte mich um, und stellte fest, das Anton nicht mehr hinter mir war.

„Anton!“
„Er wird nicht mehr kommen“
Es war die Stimme einer Frau. Hell, aber hochmütig und hart im Klang. Sie hallte nach, was an dem Raum lag.
Ich fuhr herum, und gewahrte vor mir jene Frau, die auf dem Gemälde abgebildet war. Ihre Schönheit war noch größer, als auf dem Bild, doch umgab sie eine Aura der Kälte. Sie trug ein langes Weißes Kleid aus Spitze, welches dem auf dem Bilde glich.

Ich konnte nichts dagegen tun .Fast schon automatisch ging ich auf sie zu.
„Was hast du mit ihm getan?“, presste ich hervor
Ihr Lächeln konnte nicht anders als höhnisch bezeichnet werden.
„Ich gar nichts .Mein Karel wird sich seiner annehmen.“ Und mit lauter Stimme rief sie:“Karel!“

Lang gezogen ertönte das schaurige Heulen der Bestie, das wir Gestern schon gehört hatten, danach ein gellender Schrei von Anton. Die Gräfin kicherte.
„Er ist verloren. und nun zu uns, Professor!“
„Die Gräfin Bartowek?“, fragte ich

Sie kam auf mich zu, und schien dabei zu schweben.
„Einst herrschte ich über diesen Ort, und bald wird es wieder so sein. Diese armseligen Menschen glaubten doch tatsächlich, mich bannen zu können, in dem sie mich lebendig begraben. Sie haben sich jedoch getäuscht, denn Satan ist mein Verbündeter, und wenn es auch Zweihundert Jahre gedauert hat, nun bin ich wieder da, Rache zu üben, und den Thron wieder zu besteigen, der mir immer zu stand.“
„Ihr seid nicht gealtert. Wie ist das möglich?“
„Du irrst dich.“
Sie trat näher an mich heran, das heißt, sie schwebte mehr, denn sie schien keine Füße zu besitzen.
„Meine Schönheit ist ein Trugbild, denn ich bin kein Mensch mehr. Sieh´, was sie mir angetan haben“

Es flirrte um sie herum, und was ich dann sah, war so grässlich, dass ich einen Schrei nicht unterdrücken konnte.
Ihr Gesicht war eingetrocknet, und glich einer Trockenfrucht. Die Haut wirkte wie Pergament, welches über den Schädel gespannt war, und gab so ihrem Kopf  die Wirkung eines Totenschädels ,der mit schütterem, schwarzem Haar bedeckt war, in dem Staub und Spinnenweben hingen.

 Hier und da im Gesicht hatte die Haut Risse, und hing in Fetzten herunter. Rund um den Rand des Gesichtes  waren runde Einstiche zu sehen. Man hatte ihr  also auch eine Schandmaske aufgeschlagen, welche nun verschwunden war. Auch die Arme ,die aus dem vermoderten Kleid hinaus sahen , wirkten vertrocknet .In Fetzen die Haut, die Hände wie Klauen.

Diese Schreckensgestalt stand nun dicht vor mir. Ich stieß besagten Schrei aus, und prallte zurück. Kichernd näherte sich mir die Ausgeburt der Hölle.
„Du kannst nicht entkommen, genauso wenig wie dein Begleiter, der nun schon zerfetzt sein wird.“
Mein Herz krampfte sich zusammen. Der arme Anton! Er hatte mich um Hilfe gebeten, und war nun einen grausamen Tod gestorben, den ich nicht hatte verhindern können. Verzweiflung machte sich in mir breit, und Wut.
Selbst wenn Anton tot war, musste ich doch den Ort von diesen Kreaturen befreien. doch wie?

Während ich zurück wich griff ich in eine Jackentasche, und fühlte die Weihwasser- Fiole. Könnte sie mir  helfen? Es war mehr eine Entscheidung der Verzweiflung. Ich zog die Ampulle hervor, und schleuderte sie mit aller Kraft gegen die Fratze der teuflischen Kreatur, wo sie zerbarst, und ihren Inhalt über sie ergoss. Die Reaktion setzte sofort ein.

Es schien, als würde sie zerfressen. Blasen bildeten sich auf ihrer ‚Haut, und platzten auf Unmenschliche Schreie ausstoßend  fuhr sie herum .Sie schien sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben

Ich schritt wieder auf sie zu. Dabei ging meine Jacke auf, und das Kreuz kam zum Vorschein. Sie wich zurück. Sie hatte Angst vor dem christlichen Symbol!
Ich nahm das Kruzifix in die Hand, und schritt damit auf sie zu. Sie wich weiter zurück, doch das Weihwasser schien sie zu schwächen.

Ich war jetzt dicht bei ihr, ergriff angeekelt ihren Kopf, und drückte einem Instinkt folgend, das Kreuz auf ihre Stirn. Sie erzitterte und erbebte, stieß einen lauten, klagenden Schrei aus, und plötzlich hielt ich nichts mehr in der Hand. Ihr Kleid war zu Boden gefallen, und es rieselte Staub hinaus. Sie war zu Staub zerfallen. Ungläubig starrte ich auf das Kreuz in meiner Hand, dem ich solche Macht nicht zugetraut hätte.

Doch lange konnte ich nicht in Gedanken verharren, denn sogleich krachte und splitterte die Tür, und herein kam die Bestie. Oh nein, den Tod von Anton sollst du büssen!

Das Ungeheuer sah die Überreste seiner Herrin, stieß einen lag gezogenen Schrei aus, und stürzte sich auf mich.Ich wich ihm zur Seite aus, und griff in meinen Gürtel, wo die Pistole steckte. Die Silberkugel hatte ich extra für das Monster angefertigt, wenn ich auch nicht restlos von ihrer Wirkung überzeugt war, doch was anderes hätte mir einfallen sollen?

Die Bestie stürzte sich wieder auf mich. Ich richtete die Waffe auf sie, und feuerte .Beide Kugel trafen. Eine unterhalb des Halses, die Zweite ins Herz. Das Ungeheuer erstarrte, begann zu zittern, und brach, ohne einen weiteren Laut zusammen. Ungläubig und Grauen erfüllt sah ich, was geschah. Das Monster schrumpfte, das Fell ging zurück, und gab menschliche Haut frei. Die Wolfsschnauze bildete sich zurück, und wich dem hageren Gesicht eines mittelaltrigen Mannes mit langem, schwarzem Haar.

Anton! Ich musste nach ihm sehen, auch wenn ich nur noch Fetzen von ihm finden würde, doch die musste ich von hier fort schaffen, und auf dem Friedhof begraben. Ich betrat den Nebenraum klopfenden Herzen, und in Erwartung eines bestialisch zugerichteten Leichnams, doch da war nichts .sollte er…
„Anton!“, rief ich laut „Anton!“
Plötzlich hörte ich seinen leisen Ruf: “Hier“
Ich folgte seiner Stimme, auf die andere Seite der Eingangshalle. Dort war eine kleine Kapelle. Offenbar war sie nie entweiht worden, und Anton hatte die glänzende Eingebung gehabt, sich dort hin zu flüchten. Meine Erleichterung war unbeschreiblich. Lachend lagen wir uns in den Armen. Dann brachte ich ihn zum Thronsaal, und zeigte ihm den unbekannten Mann, in den sich der Werwolf verwandelt hatte.

„Das ist Karel Woijzak, der Schloßkastelan. Lebte im Dorf, hat hier aber immer nach dem Rechten gesehen. konnte sich nie von dem Schloß trennen. Seine Familie hat den Bartoweks immer gedient.“
„Auch als Bestien, um ihre Widersacher zu töten.“
„Aber sie sagten, erbrauche Vollmond, und jetzt ist auch keiner.“
„Tja, dieses Rätsel werden wir wohl nicht lösen können. Ich vermute, es lag an der Magie seiner Herrin.“
*
Wir verließen diesen entsetzlichen Ort .Karels Leiche nahmen wir mit, und begruben sie auf dem Friedhof.
Drei Tage noch, blieb ich in Bartowek, bis ich mich völlig von unserem ‚Abenteuer erholt hatte, dann reiste ich nach einem herzlichen Abschied ab.

So sitze ich nun hier, und bin am Ende meiner Erzählung. Mittlerer Weile ist es dunkel geworden. Der Vollmond scheint, und mich befallen eine Unruhe, und ein Kribbeln…

ENDE

Wer sich noch mehr gruseln möchte:

Sonntag, 16. Oktober 2016

Tod im Waldhaus-Teil 2

*
So kam es also, dass ich mich noch am selben Tag bewarb. Natürlich brauche man eine Hilfskraft, teilte mir die Leiterin Lydia Graeff am Telefon mit. Allerdings nur saisonal für Drei Monate. Ich stellte klar, das dies kein Problem sei, da ich danach eine andere Stellung hätte, und so kamen wir zusammen.

Das Waldhaus stellte sich als großer, weiß getünchter, rechteckiger Bau mit abgerundeten Ecken heraus, welcher aus dem Achtzehnten Jahrhundert stammte, wie ich bei Recherchen heraus gefunden hatte.

Es lag mitten im Wald, am Ende eines befahrbaren Weges, der von der entgegen gesetzter Seite den Hang herauf führte, auf dem die Leiche gefunden worden war. Der Weg von der Mordstelle führte also zur Rückseite des Gebäudes, das von einem gepflegten Park umgeben war.

Ich klopfte an die Tür, und eine Bedienstete öffnete. Eine Frau Anfang fünfzig, mit stark knochigem Gesicht, und ausdruckslosen, grauen Augen. Das angegraute Haar sie zu einem strengen Knoten hoch gebunden. 

„Sie wünschen?“, fragte sie mit einer ebenso ausdruckslosen, hohlen Stimme.
„Hansen“, antwortete ich, Ich bin die neue Aushilfskraft“
„Ah ja“ sie musterte mich mit einer Mischung aus Misstrauen und Interesse. „Kommen sie herein. Ich bringe sie zur Schulleiterin.“

Sie machte die Tür frei, und lies mich ein. Krachen fiel die schwere Tür hinter uns zu. Sie führte mich in die große Eingangshalle, mit marmornem Boden, der mit roten Läufern belegt war, und Holz vertäfelten Wänden. Eine Marmortreppe führte in der Mitte nach Oben. Links und Rechts, sowie neben der Treppe, gingen Gänge ab.

Die Bedienstete führte mich den Gang zur Linken herab, an mehren Türen vorbei, zwischen denen Landschaftsgemälde hingen, bis zur Stirnseite des Ganges, an der sich eine Schwere Eichenholztür befand, auf der „L. Graeff, Leitung“, stand. Sie klopfte an die Tür, und eine weibliche Stimme rief: “Herein!“

Während sich die Bedienstete entfernte, öffnete ich die Tür, und trat ein.Das Büro war geräumig, und durch ein großes Fenster  mit Sonnenlicht geflutet war. Ein wuchtiger Schreibtisch stand hinten vor einem großen Aktenregal.

Von dort kam mir lächelnd eine Frau Ende Vierzig entgegen, ihre  Rechte ausgestreckt. Sie war etwa eins-siebzig groß, hatte kastanienbraunes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, und eine schlanke Figur. Ihr Gesicht war immer noch hübsch, wirkte jetzt aber müde und erschöpft.

„Lydia Graeff, Internatsleiterin. Wir haben miteinander telefoniert. Schön, dass sie´s so schnell möglich machen konnten. Am besten weise ich ihnen erst einmal ihr Zimmer zu, damit sie auspacken, und sich frisch machen können.“
„Vielen Dank“

Das Gebäude war dreigeschossig .Im Erdgeschoss, befanden sich Büro- Lehr- und Diensträume. Im ersten Stock waren die Jungenschlafsäle, sowie Zimmer der männlichen Mitarbeiter-, im zweiten Stock Mädchen und Frauen untergebracht. So bekam ich mein Zimmer im ersten Stock.

Nachdem ich mich eingerichtet hatte, wurde ich von der Leiterin herum geführt, und dem Kollegium vorstellt. Es waren Drei männliche und drei weibliche Lehrkräfte .Hinzu kamen Küchen- und dienstpersonal, sowie der Hausmeister, Hubert Krauss, ein vierschrötiger, grob wirkender Kerl mit einem Bulldoggengesicht, der ein wenig Eigenbrötlerisch, aber ein guter und fleißiger Mensch sein sollte.

Gegen Mittag wurde es dann ein wenig lebhaft im Speisesaal, der sich in einem Anbau an der Rückseite des Gebäudes befand. Man kann sich wohl vorstellen, wie es ist, wenn mehr als Drei dutzend Lärmende in einen Speisesaal einfielen. Ich erfuhr, dass es sich um zwei Schulklassen aus Orten in der Umgebung handelte, die hier zu einer Art außerschulischem Lehrgang beherbergt wurde.

Der Mord im Wald schien an vielen tischen das bestimmende Thema zu sein, aber auch unter den Bediensteten. Ein dunkelhaariges Mädchen an einem nahen Tisch sah in unsere Richtung, wendete jedoch gleich ihren Blick ab, als sich Lydia Graeff zu uns setzte. Kurze Zeit später verließ sie den Saal.

„Lea Baskin“, erklärte die Leiterin „Fünfzehn Jahre alt. sie ist nicht ganz einfach, ist meistens bei Mädchen in diesem Alter so .Nun ja, vielleicht bringt ja der Ausflug morgen etwas. Da können sie als Betreuer mitfahren. Keine Sorge, ist halb so schlimm. Es werden auch zwei Lehrer mitfahren. So, und jetzt entschuldigen sie mich bitte, ich muss für morgen noch etwas vorbereiten. Es gibt ja so viele Dinge, die man bei so einem Ausflug beachten muss.“

Ein lebhaftes blondes Mädchen kam an unserem Tisch vorbei, und rief: “Herr Brinker, kommt die Polizei noch wegen dem Mord? Das wäre doch aufregend .Vielleicht hat ja jemand von uns was gesehen. Manchmal büxt ja jemand nachts aus.“
Sie lächelte wissend
„Die kommen sicher noch, Gillian.““, antwortet Dennis Brinker, 36 Jahre alt ,und Lehrer
„Hast denn irgendwas mitbekommen?“
Nöö, aber kann doch sein“, sagte sie Geheimnis voll, wandte sich ab, und ging mit einer Gruppe Mädchen davon.
„Gillian Gritz, ein Wildfang.“, meinte Brinker zu mir  „Sie ist sechzehn .Redet oft viel Stuss, hat eine sehr rege Phantasie.“
„ach Herr Brinker, ich habe noch etwas für sie .Diese Dokumente brauchten sie doch noch.“
Lydia Graeff war noch einmal zurück gekommen, und hatte einen dicken Umschlag vor ihn gelegt.
„Oh danke“, meinte der angesprochene, und sie entfernte sich wieder.

Nach dem Essen  gingen wir den Gang zum Hauptgebäude entlang. Durch die Plexiglasscheibe sahen wir Lea auf einer Bank sitzen, mit ihrem Smartphone beschäftigt. sie sah kurz auf, und unsere Blicke trafen sich.

Gegen Abend verlies ich das Haus, und ging den Pfad auf der Rückseite zu der Lichtung hin, wo der Tote gelegen hatte .Jetzt, im .Abenddunkel, und ohne Polizeikräfte wirkte sie friedlich und idyllisch. Jemand kam auf mich zu.Es war Daniel Voss, der hier auf mich gewartet hatte.

„ah, da bist du ja“, meinte er zufrieden. Nun, viel war es ja nicht, was ich zu berichten hatte, dazu war ich auch zu kurz da .Immerhin, der Verdacht einer Zeugin schien sich zu bewahrheiten. Gillian war es entweder  selbst, oder sie wusste, wer es war.

Daniel hatte jedoch interessante Neuigkeiten
 „Es geht um die Leiterin des Hauses, diese Lydia Graeff.Sie ist tatsächlich die Frau von Helmut Graeff, dem Innen -Staatssekretär. Bieber hatte ja wegen Geheimnisverrats ermittelt. Graeff soll am Mordtag in der Nähe gewesen sein, und seine Frau im Waldhaus besucht haben.“
„Sehr interessant. Dann könnte er durchaus unser Mann sein. Mach da weiter, und hier-„ ich zog einen Zettel aus meiner  Jackentasche „Eine Liste der Bediensteten und Lehrkräfte, die sollten wir auch überprüfen. Und jetzt muss ich zurück.“

Am  nächsten Morgen stand alles im Zeichen der Vorbereitung. Lydia Graeff wirkte noch müder .als Gestern.
„Wenn sie los sind, werde ich mich auf mein Zimmer begeben, und mich ins Bett legen“, sagte sie zu mir.“
So ging es auf den Ausflug, und ich muss sagen, mein Respekt vor Lehrern, und Betreuungskräften für solche Wildfänge wuchs. Den berühmten Sack Flöhe zu retten war nichts dagegen.

Recht erschöpft kamen wir am nächsten Nachmittag wieder an. die Kinder gingen auf ihre Zimmer, und wir taten dasselbe, um uns bis zum Abendessen auszuruhen.
Ich hatte es mir grad etwas bequem gemacht, als oben ein Aufruhr los brach.
Ich sprang auf, und ging zur Tür.Als sie öffnete, stand bereits Dennis Brinker davor.
„Kommen sie schnell, etwas ist mit Gillian.Ich habe schon den Notarzt verständigt.“

Wir liefen die ‚Treppe hoch, und zum Mädchen-Schlafsaal, wo mir mehrere bleiche Gesichter entgegen blickten. Ich erkannte Lea, die zusammen gekauert auf ihrem Bett saß.

Die drei Lehrerinnen standen, um ein Bündel herum, das vor dem Tisch lag.
„Sie hat aus der Wasserflasche getrunken, und ist einfach umgekippt!“, rief mir ein zierliches, brünettes Mädchen zu.


Die Lehrerinnen machten Platz, und ich beugte mich über sie, um gleich zu erkennen, das nichts mehr zu machen war. die hellrote Gesichtsfärbung, und der auffällige Bittermandelgeruch aus ihrem Mund, waren eindeutige Zeichen einer Cyanid - Vergiftung. Nun war wohl klar, wer unsere Zeugin war, aber der Mörder hatte sie vor uns erwischt….

                                                     Fortsetzung und Auflösung folgt

Sonntag, 2. Oktober 2016

Ronny 2-Rückkehr in den Dusterwald-Teil 5

5.Das Haus am Hexenstern

Ronny brauchte einen Tag, um sich zu erholen. Das war einerseits ärgerlich, weil Zeit wichtig war, doch ein halber Ronny nutzte auch nichts.

Den größten Teil verschlief er, und hatte einen Traum von seinen Pflegeeltern Zuhause, von Polizisten, Kindern, die sich in Luft auflösten, und Männern ohne Gesicht in blauen Kutten. All dies wurde durcheinander gewirbelt, so das es keinen sinn ergab. Alle Eindrücke der letzten Tage, schienen in seinem Kopf Gestalt anzunehmen, und zu explodieren.

Am nächsten Morgen, nach einem kräftigen Frühstück, hatte er diesen Traum fast schon wieder vergessen. Die Gedanken an die Rieses und die verschleppten Kinder blieben jedoch
 bestehen.

Er fühlte sich wieder fit und kräftig, und unternahm mit Thore einen Spaziergang im Wald, von dem sie gegen Mittag zurück kamen. Lucina, Baugin, Fenrick und Lichtfang warteten schon auf sie.

„Nun“, sagte die Fee „Da du wieder bei Kräften bist, wollen wir keine Zeit mehr verlieren. Der Hexenstern liegt mehrere Tagesreisen von hier. Diese Zeit haben wir nicht. Daher werden wir hiermit reisen.“
Sie zog einen runden Gegenstand aus der Tasche ihres Kleides hervor, den Ronny als Wegestein erkannte.

Sie hielt ihn hoch, so dass alle ihn berühren konnten, und im nächsten Moment begann sich alles zu drehen. Ronny kannte das zur Genüge. Er war nun schon mehrfach auf diese Weise gereist.
*
Einen Augenblick später, standen sie an einem finster wirkenden Ort im Wald. Es war eine von dichtem, dunklem Gestrüpp umgebene Lichtung, auf  der sich fünf Wege trafen, von denen einer düsterer und unheimlicher wirkte, als der andere.

In der Mitte, wo sie sich trafen, befand sich ein großer Kreis, in dessen Zentrum ein Windschiefer, verwitterter Wegweiser aus wurmstichigem Holz stand. Auf jeden Weg wies eine Fahne, deren Schrift kaum noch zu lesen war. Das schaurigste aber waren die fünf  ausgeblichenen Schädel, welche oben auf dem mittleren Pfahl des Schildes thronten, und dem Wanderer in allen fünf Richtungen entgegen grinsten.

„Das“, sagte Lucina „ist der Hexenstern. Einer der unheimlichsten ,Geheimnisvollsten ,und gefährlichsten Orte im Dusterwald.“
„Das hättest du uns nicht extra sagen müssen“, meinte Ronny lakonisch.

Lucina lächelte, und wandte sich um.
„Ah da“, meinte sie, und zeigte zur oberen Weggabelung. Dort stand ein verwittertes, zweigeschossiges Fachwerkhaus, an dessen Fassade oben „Zum Hexenstern“ geschrieben stand, wobei die Farbe der Buchstaben hier und da verbleicht war, oder abblätterte.

Sie gingen zu dem wenig einladend wirkenden Haus, öffneten die schäbige Tür, von der der Lack abblätterte, und betraten den ,von einer kleinen Deckenleuchte ,und mehren Kerzen in Wandhalterungen, in schummriges Licht getauchten Gastraum, der vom Geruch nach Rauch und Alkohol durchweht wurde.  Die Wände waren weiß getüncht. Jedenfalls musste das einstmals so gewesen sein, weil noch weiße Teile hervor leuchteten, doch jetzt hatten Rauch und Schmutz ihnen größtenteils einen gelblich braunen Ton gegeben.

Der Fußboden bestand aus dreckigen Holzbohlen. Tische und Stühle bestanden aus rohem Holz, und hatten eindeutig schon bessere Tage hinter sich hatten, und diese mussten schon sehr weit zurück liegen.

Auf den T
,ischen lagen vergilbte Tischdecken, und daran- ja daran saßen einige der skurrilsten Gestalten, die Ronny je gesehen hatte.

Schon von Links neben der Tür scholl ihnen ein Grunzen entgegen, und als sie hinsahen, gewahrten sie an einem Tisch drei Trolle mit großen Steinzeugkrügen neben sich, die Karten zu spielen schienen, nun aber argwöhnisch die Neuankömmlinge beäugten.

Ronny erinnerte sich, dass Trolle nicht eben zu den angenehmsten Geschöpfen von Dusterwald zählten, und damals dem Schattenfürsten gedient hatten.
Aber vielleicht hatten das nicht alle getan? Schon möglich, doch das machte diese Exemplare auch nicht sympathischer.

Während sie weiter hinein gingen, auf die wuchtige Theke zu, die sich am anderen Ende des Gastraumes befand ,und aus Eichenholz bestand, sahen sie an den Tischen wunderliche Gestalten, darunter Menschen mit langem Haar, deren Gesichter von Wirren Bärten bewachsen waren, in Leder- oder Fellkleidung, die teilweise groteske Formen aufwies, ebenso, wie die Dinge ,in denen ihre Füße steckten. Man sah eigenartigen Gebilde auf ihren Köpfen, die in einem früherem Leben sicher mal Hüte oder Mützen waren, sich jetzt jedoch jeder Definition entzogen.

Wild wirkten ihre Wetter gegerbten, vernarbten Gesichter, in dem hier und da ein Stück von der Nase oder ein Auge fehlte. An der einen oder anderen Hand fehlte auch mal ein Finger, und bei einem meinte Ronny auch ein Holzbein gesehen zu haben.

„Waldläufer“, erklärte Baugin „dieser Ort ist unendlich weit von jeder menschlichen Zivilisation entfernt, deshalb tragen sie keine Kleidung, wie du sie kennst. Viele haben eure Orte nie gesehen. Es sind raue Gesellen, und einige von ihnen sogar gefährlich.“

Die angesprochenen sahen die Freunde teils belustigt, teils ernst an. Anderen wieder waren sie gleichgültig. Sie rauchten lieber behaglich aus langstieligen Pfeifen.

Dazwischen gab es aber auch Zwerge, Kobolde, und andere Trolle, welche meistens unter sich blieben.

Die vielleicht skurrilste Erscheinung sahen sie nun hinter der ‚Theke: Etwa Zwei Meter groß, von grober, ungeschlachter Statur, in ein schmutziges Leinen Hemd gekleidet, dazu eine graue Hose.

Um den massigen, unförmigen Leib hatte er eine schmutzige Schürze gebunden. Aus den hoch gekrempelten Ärmeln ragten schmutzige, dicht beharrte Arme hervor, die .bei einer zierlicheren Person problemlos auch als Beine verwendbar gewesen wären. Sie endeten in massigen Händen, welche Grabschaufeln ähnelten.
Das außergewöhnlichste aber war sein Kopf. Unförmig, und mit wirrem, dunklem Haar bedeckt. Das Gesicht Trollartig mit großer, Kartoffelförmiger Nase, und breitem Mund mit schorfigen Lippen, aus denen links unten ein spitzer Zahn hervor lugte.

Die Brauen waren über den schwarzen Augen zusammen gewachsen, deren Blick stechend und argwöhnisch war. In den Zügen seines Gesichtes lagen Hinterlist und Verschlagenheit.

„Olchas, der Wirt“, erklärte Lucina. Er ist hinterlistig und verschlagen, aber keiner weiß mehr besser Bescheid über finstere Aktivitäten hier im Wald. Es heißt, er bekommt Informationen aus dunklen Kanälen.“

Sie trat zur Theke, und der finstere Wirt bemerkte sie. Über sein Gesicht glitt ein schiefes Grinsen, das ihn wie ein Raubtier erscheinen ließ.
„Sieh mal an, Lucina“, sagte er mit tiefer Reibeisenstimme „Es ist lange her.“
„Ja, es ist lange her. Zu lange vielleicht. So ist mir wichtiges entgangen, das mir diesen Gang vielleicht erspart hätte.“
„Und was soll das sein?“
„Bring´ erst Mal jedem einen Krug Met. Wir setzen uns an den Tisch da vorn. Bring dir auch einen mit, und setz dich zu uns“
Und Sie zeigte zu einem Tisch, gleich Rechts neben der Theke. Die Freunde verstanden, und nahmen dort Platz. Thore rollte sich unter den Tisch zusammen ohne jedoch seine Aufmerksamkeit zu verlieren. Wie Scheinwerfer leuchteten seine Augen unter dem Tisch hervor.

Olchas kam nach einigen Minuten mit mehren Krügen  an den Tisch und setzte sich.
Lucina vollführte mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine kreisende Bewegung in der Luft, und hielt dann die Rechte auf, und im nächsten Moment fiel aus dem nichts ein Beutel mit Münzen darauf, den sie ihm hinhielt.

„Für die Zeche, und der Rest für die Auskunft.“
Der Halbtroll verzog sein Gesicht zu einem Grinsen.
„Du hast also noch nicht alles vergessen.“
„Wie du siehst. Also, was weißt du über verschleppte Menschenkinder?“
In seinen Augen schien es aufzuflammen.
„Oh, eine spezielle Frage. Nun, man hört so allerlei von Unheimlichem, das in letzter Zeit in Dusterwald geschieht, und nicht nur dort. Von einer uralten, zerstörerischen Kraft, die ,einmal entfesselt, den Untergang der Welt herbei führen könnte.“
„Und es hat mit den Kindern zu tun?“
„Ich glaube schon. Erst vor ein paar Tagen war ein Waldläufer hier, der mir von einer Beobachtung erzählte, welche er kurz zuvor machte. Er sah Gestalten, die ein Menschenkind davon trugen. Er hörte sie raunen und murmeln von dem Großen, der bald käme.

Er folgte ihnen heimlich, und belauschte sie, in der Hoffnung, das Kind befreien zu können, doch als er ihr Lager beschlich, erhielt er einen mächtigen Schlag, und wurde bewusstlos. Als er erwachte, waren sie fort, und ihre Spur nicht mehr zu finden.“

„Hat er denn mit bekommen, wer ihn nieder geschlagen hat?“
„Das ist es ja. Er sagt, kurz bevor das Bewusstsein verlor, habe er eine Gestalt in einer Robe mit Kapuze gesehen, aus deren ausgestreckter Hand ein Blitz geschossen war, welcher ihn endgültig außer Gefecht setzte.“

„Ein Blitz aus der Hand ?“
„Ja ,es muss sich um eine Art Magie handeln, und passt wiederum zu Berichten, die ich unlängst hörte von einem Geheimbund ,der über uralte sehr mächtige Magie verfügt, und dunkle Ziele verfolgt.“
Er hielt inne und grinste wieder.
„Möglich, dass ihr damit schon Bekanntschaft gemacht habt?“
Als er ihren Blick sah, lächelte  er wissend.
„Viele Dinge, die sich sogar bis hier herum sprechen.“

„Wenn es das denn war. Sag, weißt du mehr darüber?“
 „Über dunkle, alte Magie weiß hier nur einer Bescheid, und ich würde mich wundern, wenn ihr nicht sowieso vorhabt, ihn zu besuchen.“
„Du meinst Savinius?“
„Ja, ich meine Savinius, den Abt der blauen Mönche“
„Du kennst ihn?“
„Hin und wieder kommt er hierher. Sie stellen einen Kräuterschnaps her, den ich hier ausschenke. Das ist auch so ziemlich ihr einziger Kontakt mit der Außenwelt.“
„Man kommt von hier zu ihrem Kloster nicht?“
„Richtig, aber der Weg ist sehr gefährlich. Ihr müsst auf den zweiten Weg von hier, der Richtung Südosten nach Falkenburg führt. Nach der Hälfte des Weges geht rechts ein Pfad ab, dem müsst ihr folgen, doch er führt durch das Moor der Verdammnis. Eine der entsetzlichsten Gegenden überhaupt. Wehe dem, der dort vom Pfad abkommt. Er ist verloren. Es geht dort um. Untote, Geister und bösartige Wesen lauern dort. Ich rate euch bis zum Anbruch der Dunkelheit dort durch zu kommen.“

Sie tranken aus, und verließen das Haus. Mittlerer Weile war es Nachmittag geworden. Sie betraten den bezeichneten Weg, der wenig einladend wirkte. An beiden Seiten von dichtem Unterholz bewachsen, und von Nebelschwaden durchzogen, konnte man kaum zehn Meter weit sehen.

Entschlossen, aber vorsichtig schritten sie den Weg voran. Es vergingen wohl zwei bis Drei Stunden, bis Rechts ein dunkler Pfad erschien, an dessen Eingang ein verwitterter Wegweiser stand, auf dem nur das Wort „Kloster“ zu lesen war. Die Nebelschwaden waren hier noch dichter, so dass der Pfad kaum zu erkennen war.

„Wirkt noch weniger einladend“, stellte Fenrick düster fest
„Richtig“, meinte  Lucina „aber wir müssen dadurch. Es ist der einzige Weg.“
Sie warf einen Blick zum Himmel, der sich allmählig purpurn färbte.
„Was hat Olchas noch gesagt? Wir sollten bis zu Anbruch der Dunkelheit durch sein. Beeilen wir uns lieber.“
Sie schritten den Pfad entlang. Es wurde zunehmend kühl, und modriger Geruch lag in der Luft, der mit jedem Schritt stärker zu werden schien. Von Links und Rechts hörten sie blubbernde Geräusche.

„Hey, da war was an meinem Fuß!“, rief  Ronny plötzlich. Sie drehten sich zu ihm um.
„Jetzt ist es wieder weg“
Sie gingen weiter, und plötzlich erschien  vor ihnen ein Licht. Sie blieben stehen.
„Vorsicht“, hauchte Lucina
Dann kam von hinten Baugins Stimme:
 „Etwas hat mich am Bein!“
Tatsächlich, Hände kamen aus dem von links und Rechts aus dem Moor, und griffen nach ihnen, und hielten sie an den Knöcheln. Vor ihnen kam das Licht näher, und sie sahen ein außerordentlich hässliches Geschöpf, etwa einen Meter groß, mit einer Laterne in der Hand. Es war nackt bis auf einen Lendenschurz, und hatte einen völlig kahlen Kopf. Seine braune Haut war lederartig, und verschrumpelt, so dass es, wie eine kleine, vertrocknete Mumie wirkte.

Hinter ihm schälten sich ähnliche Wesen aus dem Nebel. und nun sah man auch, das sie bewaffnet waren .Sie trugen Speere. Auch der vordere mit der Laterne trug einen. Er zeigte auf die Freunde, und dann auf Ronny, dabei verzog sich sein hässliches Gesicht zu einem gemeinen Grinsen. Dann hob er seinen Speer, und schleuderte ihn nach dem, von zwei aus dem Moor ragenden Händen fest gehaltenen, vor Schreck erstarrten Jungen…