*
So kam es also, dass ich mich noch am selben Tag bewarb.
Natürlich brauche man eine Hilfskraft, teilte mir die Leiterin Lydia Graeff am
Telefon mit. Allerdings nur saisonal für Drei Monate. Ich stellte klar, das
dies kein Problem sei, da ich danach eine andere Stellung hätte, und so kamen
wir zusammen.
Das Waldhaus stellte sich als großer, weiß getünchter,
rechteckiger Bau mit abgerundeten Ecken heraus, welcher aus dem Achtzehnten
Jahrhundert stammte, wie ich bei Recherchen heraus gefunden hatte.
Es lag mitten im Wald, am Ende eines befahrbaren Weges, der
von der entgegen gesetzter Seite den Hang herauf führte, auf dem die Leiche
gefunden worden war. Der Weg von der Mordstelle führte also zur Rückseite des Gebäudes,
das von einem gepflegten Park umgeben war.
Ich klopfte an die Tür, und eine Bedienstete öffnete. Eine
Frau Anfang fünfzig, mit stark knochigem Gesicht, und ausdruckslosen, grauen
Augen. Das angegraute Haar sie zu einem strengen Knoten hoch gebunden.
„Sie wünschen?“, fragte sie mit einer ebenso ausdruckslosen,
hohlen Stimme.
„Hansen“, antwortete ich, Ich bin die neue Aushilfskraft“
„Ah ja“ sie musterte mich mit einer Mischung aus Misstrauen
und Interesse. „Kommen sie herein. Ich bringe sie zur Schulleiterin.“
Sie machte die Tür frei, und lies mich ein. Krachen fiel die
schwere Tür hinter uns zu. Sie führte mich in die große Eingangshalle, mit
marmornem Boden, der mit roten Läufern belegt war, und Holz vertäfelten Wänden.
Eine Marmortreppe führte in der Mitte nach Oben. Links und Rechts, sowie neben
der Treppe, gingen Gänge ab.
Die Bedienstete führte mich den Gang zur Linken herab, an
mehren Türen vorbei, zwischen denen Landschaftsgemälde hingen, bis zur
Stirnseite des Ganges, an der sich eine Schwere Eichenholztür befand, auf der
„L. Graeff, Leitung“, stand. Sie klopfte an die Tür, und eine weibliche Stimme
rief: “Herein!“
Während sich die Bedienstete entfernte, öffnete ich die Tür,
und trat ein.Das Büro war geräumig, und durch ein großes Fenster mit Sonnenlicht geflutet war. Ein wuchtiger
Schreibtisch stand hinten vor einem großen Aktenregal.
Von dort kam mir lächelnd eine Frau Ende Vierzig entgegen,
ihre Rechte ausgestreckt. Sie war etwa
eins-siebzig groß, hatte kastanienbraunes Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz
gebunden hatte, und eine schlanke Figur. Ihr Gesicht war immer noch hübsch,
wirkte jetzt aber müde und erschöpft.
„Lydia Graeff, Internatsleiterin. Wir haben miteinander
telefoniert. Schön, dass sie´s so schnell möglich machen konnten. Am besten
weise ich ihnen erst einmal ihr Zimmer zu, damit sie auspacken, und sich frisch
machen können.“
„Vielen Dank“
Das Gebäude war dreigeschossig .Im Erdgeschoss, befanden
sich Büro- Lehr- und Diensträume. Im ersten Stock waren die Jungenschlafsäle,
sowie Zimmer der männlichen Mitarbeiter-, im zweiten Stock Mädchen und Frauen
untergebracht. So bekam ich mein Zimmer im ersten Stock.
Nachdem ich mich eingerichtet hatte, wurde ich von der
Leiterin herum geführt, und dem Kollegium vorstellt. Es waren Drei männliche
und drei weibliche Lehrkräfte .Hinzu kamen Küchen- und dienstpersonal, sowie
der Hausmeister, Hubert Krauss, ein vierschrötiger, grob wirkender Kerl mit
einem Bulldoggengesicht, der ein wenig Eigenbrötlerisch, aber ein guter und
fleißiger Mensch sein sollte.
Gegen Mittag wurde es dann ein wenig lebhaft im Speisesaal,
der sich in einem Anbau an der Rückseite des Gebäudes befand. Man kann sich
wohl vorstellen, wie es ist, wenn mehr als Drei dutzend Lärmende in einen
Speisesaal einfielen. Ich erfuhr, dass es sich um zwei Schulklassen aus Orten
in der Umgebung handelte, die hier zu einer Art außerschulischem Lehrgang
beherbergt wurde.
Der Mord im Wald schien an vielen tischen das bestimmende
Thema zu sein, aber auch unter den Bediensteten. Ein dunkelhaariges Mädchen an
einem nahen Tisch sah in unsere Richtung, wendete jedoch gleich ihren Blick ab,
als sich Lydia Graeff zu uns setzte. Kurze Zeit später verließ sie den Saal.
„Lea Baskin“, erklärte die Leiterin „Fünfzehn Jahre alt. sie
ist nicht ganz einfach, ist meistens bei Mädchen in diesem Alter so .Nun ja,
vielleicht bringt ja der Ausflug morgen etwas. Da können sie als Betreuer
mitfahren. Keine Sorge, ist halb so schlimm. Es werden auch zwei Lehrer
mitfahren. So, und jetzt entschuldigen sie mich bitte, ich muss für morgen noch
etwas vorbereiten. Es gibt ja so viele Dinge, die man bei so einem Ausflug beachten
muss.“
Ein lebhaftes blondes Mädchen kam an unserem Tisch vorbei,
und rief: “Herr Brinker, kommt die Polizei noch wegen dem Mord? Das wäre doch
aufregend .Vielleicht hat ja jemand von uns was gesehen. Manchmal büxt ja
jemand nachts aus.“
Sie lächelte wissend
„Die kommen sicher noch, Gillian.““, antwortet Dennis
Brinker, 36 Jahre alt ,und Lehrer
„Hast denn irgendwas mitbekommen?“
Nöö, aber kann doch sein“, sagte sie Geheimnis voll, wandte
sich ab, und ging mit einer Gruppe Mädchen davon.
„Gillian Gritz, ein Wildfang.“, meinte Brinker zu mir „Sie ist sechzehn .Redet oft viel Stuss, hat
eine sehr rege Phantasie.“
„ach Herr Brinker, ich habe noch etwas für sie .Diese
Dokumente brauchten sie doch noch.“
Lydia Graeff war noch einmal zurück gekommen, und hatte
einen dicken Umschlag vor ihn gelegt.
„Oh danke“, meinte der angesprochene, und sie entfernte sich
wieder.
Nach dem Essen gingen
wir den Gang zum Hauptgebäude entlang. Durch die Plexiglasscheibe sahen wir Lea
auf einer Bank sitzen, mit ihrem Smartphone beschäftigt. sie sah kurz auf, und
unsere Blicke trafen sich.
Gegen Abend verlies ich das Haus, und ging den Pfad auf der
Rückseite zu der Lichtung hin, wo der Tote gelegen hatte .Jetzt, im .Abenddunkel,
und ohne Polizeikräfte wirkte sie friedlich und idyllisch. Jemand kam auf mich
zu.Es war Daniel Voss, der hier auf mich gewartet hatte.
„ah, da bist du ja“, meinte er zufrieden. Nun, viel war es
ja nicht, was ich zu berichten hatte, dazu war ich auch zu kurz da .Immerhin,
der Verdacht einer Zeugin schien sich zu bewahrheiten. Gillian war es
entweder selbst, oder sie wusste, wer es
war.
Daniel hatte jedoch interessante Neuigkeiten
„Es geht um die
Leiterin des Hauses, diese Lydia Graeff.Sie ist tatsächlich die Frau von Helmut
Graeff, dem Innen -Staatssekretär. Bieber hatte ja wegen Geheimnisverrats
ermittelt. Graeff soll am Mordtag in der Nähe gewesen sein, und seine Frau im Waldhaus
besucht haben.“
„Sehr interessant. Dann könnte er durchaus unser Mann sein. Mach
da weiter, und hier-„ ich zog einen Zettel aus meiner Jackentasche „Eine Liste der Bediensteten und
Lehrkräfte, die sollten wir auch überprüfen. Und jetzt muss ich zurück.“
Am nächsten Morgen
stand alles im Zeichen der Vorbereitung. Lydia Graeff wirkte noch müder .als
Gestern.
„Wenn sie los sind, werde ich mich auf mein Zimmer begeben, und
mich ins Bett legen“, sagte sie zu mir.“
So ging es auf den Ausflug, und ich muss sagen, mein Respekt
vor Lehrern, und Betreuungskräften für solche Wildfänge wuchs. Den berühmten
Sack Flöhe zu retten war nichts dagegen.
Recht erschöpft kamen wir am nächsten Nachmittag wieder an. die
Kinder gingen auf ihre Zimmer, und wir taten dasselbe, um uns bis zum Abendessen
auszuruhen.
Ich hatte es mir grad etwas bequem gemacht, als oben ein Aufruhr
los brach.
Ich sprang auf, und ging zur Tür.Als sie öffnete, stand
bereits Dennis Brinker davor.
„Kommen sie schnell, etwas ist mit Gillian.Ich habe schon
den Notarzt verständigt.“
Wir liefen die ‚Treppe hoch, und zum Mädchen-Schlafsaal, wo
mir mehrere bleiche Gesichter entgegen blickten. Ich erkannte Lea, die zusammen
gekauert auf ihrem Bett saß.
Die drei Lehrerinnen standen, um ein Bündel herum, das vor
dem Tisch lag.
„Sie hat aus der Wasserflasche getrunken, und ist einfach
umgekippt!“, rief mir ein zierliches, brünettes Mädchen zu.
Die Lehrerinnen machten Platz, und ich beugte mich über sie,
um gleich zu erkennen, das nichts mehr zu machen war. die hellrote
Gesichtsfärbung, und der auffällige Bittermandelgeruch aus ihrem Mund, waren
eindeutige Zeichen einer Cyanid - Vergiftung. Nun war wohl klar, wer unsere
Zeugin war, aber der Mörder hatte sie vor uns erwischt….
Fortsetzung und Auflösung folgt
Fortsetzung und Auflösung folgt