Sonntag, 20. Dezember 2015

Thommy rettet Weihnachten



Es ist der Tag vor Heiligabend. Thommy ist allein zu Haus. Die Eltern sind ausgegangen. Nach dem Einkaufs -und Vorbereitungsstress der vergangenen Tage, wollen sie sich einen Abend miteinander gönnen, und werden spät zurück sein. Für Thommy ist das kein Problem. Er ist Zwölf Jahre alt, aber für sein Alter sehr selbstständig, und ,da beide Elternteile arbeiten, es auch gewohnt mal allein Zuhause zu sein. Er hat die Aufgabe übernommen, noch für etwas Schmuck in der Wohnung zu sorgen. 

Er ist klein, untersetzt, hat braunes Haar, blaue Augen, und trägt eine Brille.
Nun sitzt er im Wohnzimmer, und ist mit Bastelarbeit beschäftigt. Prächtig leuchtet schon der Weihnachtsbaum, der Fernseher läuft nebenher, und Kakao und Kekse stehen neben ihm auf dem Tisch. Draußen beginnt der Abend zu dämmern.

Grade hat er die Arbeit an einem großen Strohstern beendet, und betrachtet zufrieden sein Werk, da rummst es plötzlich Oben.
„Das kam vom Dachboden. “, sagt er zu sich selbst, steht auf, und läuft die Treppe nach Oben hoch.

Schon ist er an der Bodentür angekommen. Er schließt auf, öffnet die Tür, und tritt ein, doch schon nach einem Meter bleibt er abrupt stehen. Ungläubig starrt er auf das Bild, welches sich ihm bietet.

Im Dach befindet sich ein großes Loch, und darunter, vor ihm, zwischen den hier gelagerten Kartons, liegt eine massige Gestalt im roten Mantel und Hose, sowie schwarzen Stiefeln. Die rote Zipfelmütze liegt neben ihm. Offensichtlich ist die Person bewusstlos.

Mit großen Augen tritt er langsam näher, dreht den, durchs Dach gefallenen, mit etwas Mühe auf den Rücken, und bekommt nun ein volles, rundes gutmütiges Gesicht mit weißem Rauschebart, und roter Knollennase zu sehen.

„Aber das ist doch…“, entfährt es ihm …„das gibt`s doch gar nicht!“
Vor ihm liegt der Weihnachtsmann!
Mit vor Staunen offenen Mund sieht er auf den bewusstlosen Fremden, und dann hoch zu dem Loch im Dach, durch das Schneeflocken herein fallen.

Vorsichtig rüttelt er den Ohnmächtigen an der Schulter, dann ein bisschen stärker. Schließlich regt der sich, stöhnt mit tiefer Bass-Stimme, und beginnt sich langsam zu erheben. Behutsam betastet er seinen Kopf.

„Ooh“, stöhnt er „Wie komm´ ich denn hier her?“ Er sieht an sich herab. „Und was soll der Aufzug?“
Thommy weist nach Oben
„Sie sind da durch gefallen, Herr…ääh…Weihnachtsmann.“
„Weihnachts…was? Was…was soll das, Wie komm´ ich in dieses Kostüm?“
„Aber das tragen sie doch immer. Offen gesagt hätte ich nicht gedacht, dass es sie wirklich gibt. Na ja, sie wissen schon den Weihnachtsmann. “
„Ich bin nicht der Weihnachtsmann. Ich heiße…“, Er überlegt kurz, dann sieht er eine Karte, welche sich unter den Dingen befindet, auf die er gefallen ist. Er hebt sie auf und liest sie.

„Siehste, muss mir aus der Tasche gefallen sein. Also, ich heiße Heinz Brunner, und bin Händler für exquisite Weine. Wo bin ich hier eigentlich?“

„In unserer Wohnung in der Karlsbader Strasse“
„Aber was mach´ ich denn hier? Habe ich dir was verkauft?“
„Bestimmt nicht, sehe ich alt genug aus, um Wein zu kaufen? Noch mal:Sie sind hier durchs Dach gefallen“
„Papperlapapp. Na, erst mal muss ich aus diesem albernen Kostüm raus, und was vernünftiges Anziehen.“

Und er steht auf, um an dem völlig verdutzt schauenden Jungen vorbei durch die Tür, und nach unten zu gehen.

Thommy steht noch wie vom Donner gerührt, als plötzlich goldene Funken durch das Loch in den Dachboden sprühen, und eine quäkende Stimme „Banzaii!“ ruft, worauf etwas in einem eleganten Sprung vor ihm landet, und sich erhebt.

Wenn er gedacht hatte, der Weihnachtsmann, der durchs Dach herein fällt, wäre das ungewöhnlichste, das er in seinem Leben bisher erlebt hat, dann wird Thommy nun sofort eines besseren belehrt. Was vor ihm steht, toppt den Weihnachtsmann noch einmal.

Der Neuankömmling ist etwa so groß wie er selbst, hat ein rundes Gesicht mit großen blauen Augen, spitzer Nase, einem breiten Mund, und großen, spitz zulaufenden Ohren. Er trägt eine rot-weiß geringelte Zipfelmütze mit grünem Saum, ein Rot-Weiß geringeltes Hemd mit grünen Manschetten und Kragen, eine grüne Hose und schwarze Stiefelchen.

Während er sich vollständig erhebt, und den Staub abklopft, sagt er zu sich selbst:
„Und ich hab ihn noch gewarnt. Nicht soweit rauslehnen, hab` ich gesagt, aber man hat es ja nicht nötig auf mich zu hören, und jetzt…“

Sein Blick fällt auf den Jungen, der ihn mit großen Augen, und offenem Mund anstarrt.
„Oh Oh“, meint er „Das sollte eigentlich nicht passieren.“
„Was sollte nicht passieren?“
„Das du mich gesehen hast, wir sollen nämlich möglichst inkognito arbeiten.Aber gut, da es jetzt nicht mehr zu ändern ist, hier ist doch jemand durchs Dach gekracht .Groß, füllig, roter Mantel, rote Mütze, weißer Bart?“

„Äh, sie meinen sicher den Weihnachtsmann. Ja, der  ist hier durchgefallen, aber ich glaub´ er hat sein Gedächtnis verloren. Er glaubt jetzt, er wäre ein Weinhändler. Ist auf einen Karton gefallen, in dem Papiere waren, darunter diese Karte von dem Brunner. Mein Vater hat da schon mal gekauft, glaub ich.“

„Oh nein“, ächzt der Besucher „Das hat noch gefehlt. Was für´n Schlamassel. Waren grade auf Probefahrt, haben den neuen Schlitten eingefahren, und dann wurde er übermütig.“
„Es steht wohl sehr schlimm?“, fragt Thommy vorsichtig.
„Sehr schlimm? Da ist eine Katastrophe. Weihnachten steht auf dem Spiel. Weißt du, wo er  jetzt ist?“

„Er wollte sich etwas anderes anziehen. Dann ist er wahrscheinlich an Vaters Kleiderschrank.“
„Klingt logisch. Dann los, ich heiße übrigens Blix, Vorarbeiter der Weihnachtselfen.“
„Ich heiße Thommy, und wohne hier. aber wenn du ein Elf bist, hast du dann nicht so was, wie magische Kräfte, mit denen du sein Gedächtnis wieder zurück zaubern kannst?“
„Nein, da werden wir Weihnachtselfen überschätzt. Ich kann Dinge versetzen und reparieren, und mich selbst transportieren, aber ein ramponiertes Gedächtnis zurecht rücken kann ich auch nicht. Komm, gehen wir!“

Sie laufen die Treppe hinunter, und ins Elternschlafzimmer, in dem sich tatsächlich der Weihnachtsmann befindet, der sich nun Heinz Brunner nennt, und Anzüge von Thommys Vater anprobiert.

„Ah, hallo Chef!“, ruft Blix „Gut das ich sie gefunden hab´. Kommen sie, wir müssen zurück zum Schlitten, sie wissen schon Weihnachten…Wie sehen sie denn aus?“
„Was heißt hier, wie sehen sie denn aus?“, gibt der angesprochene zurück. „Das müssen sie nun grad sagen, in ihrem merkwürdigen Aufzug. Vielleicht sollten sie auch mal zum Schönheitschirurgen, wegen ihre merkwürdigen Ohren.“
„Merkwürdige… was? Hallo, ich bin ein Weihnachtself?“

„Ein Weihnachtself was? Für dumm verkaufen wollen sie mich auch noch, und nennen sie mich nicht Chef!,Ich kenne sie ja nicht mal!“
„Aber ich bin´s  doch, Blix!“
„Ich kenne keinen Blix!“
„Aber doch natürlich. Ich bin Blix der erste Weihnachtself, und sie sind der Weihnachtsmann .Und morgen ist Weihnachten!“

„Ich habe diesem Jungen schon gesagt, der mich ebenfalls dafür hielt, dass ich nicht der Weihnachtsmann bin.“
„Doch, das sind sie, und sie müssen jetzt mitkommen, denn ohne Weihnachtsmann gibt es kein Weihnachten!“
„Dann besorgen sich einen, aber woanders, und lassen sie mich in Ruhe. Ich muss jetzt in mein Geschäft. Hab ´eh schon zuviel Zeit verplempert. Wenn ich nur wüsste, wie ich überhaupt hierher  gekommen bin.“
Spricht`s, schreitet im neuen Anzug von Thommys Vater an ihnen vorbei, und geht nach Unten zur Haustür hinaus.

Blix schlägt sich mit der Hand vor die Stirn, lässt sich aufs Bett fallen, und stöhnt:
„Au Mann, jetzt haben wir wirklich ein Problem.“
„Und was tun wir jetzt?“, fragt Thommy
„Wir? Aber gut, du steckst eh schon drin, und ich kann Hilfe gebrauchen. Na ja, wir müssen ihm nach. Was hat er gesagt? Er muss in sein Geschäft.“

„Die Adresse müsste auf der Karte stehen, die er gefunden hat, aber die kann man noch auf andere Weise rauskriegen, komm“
Und er führt den Elf in sein Zimmer, und vor seinen PC. Die Suchmaschine anwerfen, und die Adresse finden, ist eine Sache von Minuten.
„Ah, Obernstrasse 45, das ist in der Innenstadt. Aber wie kommt er wohl dahin?Obwohl Paps hat immer Kleingeld in seinen Anzügen, da wird er wohl die Straßenbahn nehmen. Die bessere Frage ist. Wie kommen wir dahin?“

„Oh, kein Problem“, meint Blix. „Wir nehmen den Schlitten. Geh schon mal vor die Tür. Ich bin gleich da.“
Damit löst sich der Weihnachtself in einem goldenen Funkenregen auf. Thommy zögert nicht, zieht sich an, und geht nach draußen. Kaum hat er die Tür hinter sich geschlossen, da erscheint schon Blix mit dem Schlitten.
„Einsteigen, und dann geht´s sofort los!“ Thommy tut wie ihm geheißen, und gleich danach hebt der Schlitten ab.

Es ist schon einmerkwürdiges Gefühl im Schlitten des Weihnachtsmannes zu sitzen, aber Thommy geniest es. Bald sind sie über der Innenstadt, wo die Buden des Weihnachtsmarktes in festlichen Farben leuchten. Sie drehen eine Runde um den prächtig geschmückten Tannenbaum, und fliegen dann zur Obernstrasse.

„Da“, ruft Thommy, und zeigt auf ein einzeln stehendes, altes Gebäude. „Das muss es sein!“
Tatsächlich. “Weinhandel Brunner“ ,steht auf einem Schild, das an einer geschmiedeten Angel an zwei Ketten hängt.

Sie gehen auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude nieder, und stellen den Schlitten neben einem Mercedes ab. Als sie aussteigen, kommen ein Paar Passanten vorbei, die das Vehikel staunend ansehen.

„Äh, Werbeeinlage“, ruft Thommy den Leuten zu, und  ihren befremdeten Blicken auf Blix begegnend: „Kleinwüchsige Schauspieler als Weihnachtselfen.“
„Kleinwüchsi…“, will der Elf beleidigt einwenden
„Ich will mir mein Kostüm grad besorgen“, unterbricht Thommy, und zerrt den murrenden Blix mit sich in Richtung Laden.

„Du möchtest doch unerkannt bleiben“, raunt er ihm zu.
„Ja, aber ich bin immerhin der größte aller Weihnachtselfen“, mault der Elf.
„Und doch nicht größer als ich…oha, das ging ja noch mal gut.“
Er wäre beinahe auf einer gefrorenen Pfütze ausgerutscht.

Als sie den Laden betreten, sehen sie Heinz Brunner, alias der Weihnachtsmann in Diskussion mit dem Ladenpersonal.
„Was soll das heißen, ich kann nicht ihr Chef sein?“
„Das heißt, sie sind nicht Heinz Brunner“, sagt ein Mann, Mitte Vierzig, der ihm zunächst steht. „Wir kennen schließlich unseren Chef, und der ist im Urlaub in der Schweiz.“
„Das ist Unfug, ich bin Heinz Brunner. Ich habe schließlich auch diese Karte“
„Die besagt gar nichts.“
„Jetzt reicht´ s aber, sie sind entl…“

„Äh, Auszeit“, meldet sich Blix, und packt den vermeintlichen Weinhändler am Arm.
„Kommen sie doch mal kurz raus.“
„Sie schon wieder !“
„Ja, ich schon wieder, kommen sie“
„Aber ich habe ihnen doch schon gesagt, das ich nicht der…“
„Schon gut, wissen wir“, sagt Thommy, „Aber wir können ihnen helfen zu beweisen, das sie Brunner sind“ und er nickt dem verdutzt dreinblickenden Verkäufer unauffällig zu.
„Aber das können sie doch auch hier tun“
„Äh, Nein“, meint Blix, der verstanden hat „Draußen ist jemand der bezeugen kann, dass sie der Weinhändler sind, aber er möchte sie persönlich sprechen, unter vier Augen.“

Noch zweifelnd kommt Brunner /Weihnachtsmann mit heraus. Beim Verlassen des Geschäfts, lässt er versehentlich die Tür einem eintretenden Kunden an den Kopf fallen.
„Oh, Verzeihung“, ruft er zurück, aber zu Thommy gewandt: „Andererseits erhöhen kleine Schläge auf den Hinterkopf ja das Denkvermögen.“

„Kleine Schläge auf den Hinterkopf“, sinniert der Junge "Ein Schlag auf den Kopf, ein Schlag auf den…“
Er zuckt zusammen, und sagt dann laut:
„Oh, ich hab´s“

In diesem Moment fragt Brunner /Weihnachtsmann ärgerlich;
„Wo ist denn nun der Zeuge?“
„Kommen sie hier lang“, meint Thommy, und drängt ihn in Richtung jener Pfütze, auf der er beinahe ausgerutscht wäre, und auch: der angesprochene kommt ins Rutschen. Thommy gibt noch einen kleinen Schubs, und er  fällt der Länge nach hin, mit dem Kopf auf den Schneebedeckten Asphalt.Blix kann grade noch ausweichen.

„Was sollte das?“, quengelt er
Ich glaube, das sollte reichen“, meint Thommy zufrieden
„Sag mal…“
„Hey Blix, kannst du mir mal aufhelfen, und was mache ich hier auf einem Parkplatz  in diesem Anzug?“
Der Elf wirbelt herum
„Chef“, ruft er erfreut, „sind sie wieder bei sich?“
„Was heißt wieder bei mir, war ich denn weg?“

„Erkläre ich später, jetzt müssen wir erstmal los. Das ist übrigens Thommy. Sind sie sonst wohlauf?“
„Ja, ich habe nur schreckliche Kopfschmerzen.“
„Das gibt sich,wenn wir unterwegs sind.“
Sie besteigen schließlich den Schlitten, und fliegen los.

„Wir müssen erst den Jungen bei sich Zuhause abliefern. Ihre richtigen Sachen sind übrigens auch dort. Sie sind dort durchs Dach gefallen. erinnern sie sich?“
„Dunkel. N´ bisschen zu weit rausgelehnt, und etwas zu rasant geflogen.
Junger Mann, kann es sein, das du mich absichtlich hast ausrutschen lassen?“
„Ähm ja. Ich dachte, bei dem Sturz durch unser Dach sind sie auf den Kopf gefallen, und verloren danach das Gedächtnis, da müsste ein weiterer Schlag auf den Kopf es wieder zurückbringen.“

„Ein prächtiger Einfall“, lacht Blix
 „Ja, in der Tat“, sagt der Weihnachtsmann schmunzelnd.
Schließlich kommen sie wieder vor Thommys Haus an.
„Ich glaube, wir müssen das noch reparieren“, sagt der Weihnachtsmann, als sie über dem Haus sind, und weist auf das Loch im Dach. Zusammen sollten wir das schaffen.“
Blix nickt. Er hält den Schlitten über dem Haus an. Er und der Weihnachtsmann strecken die Hände aus.

Goldener Regen prasselt auf das Dach nieder, und nach und nach repariert sich der Schaden von selbst. Schließlich wirkt es, als wäre das Loch nie da gewesen.
Blix landet den Schlitten. Sie steigen aus, und betreten das Haus. Kurze Zeit später kommen sie wieder heraus. Der Weihnachtsmann trägt nun wieder seinen roten Mantel, Hose und die Mütze, wie man es kennt.

„Nun“, meint der Weihnachtsmann, nach einem Blick auf eine goldene Taschenuhr. „Mitternacht ist nicht mehr weit hin. Bald Heiligabend.“
Dann reicht er dem Jungen die Hand.
„Ich glaube, ich muss mich bei dir bedanken“
„Ja“, sagt Blix, und reicht ihm ebenfalls die Hand „Man kann es nicht anders sagen, aber du hast Weihnachten gerettet.“
„Oh, äh, keine Ursache“, meint Thommy
„Nein junger Mann, du hast da etwas ganz besonderes geleistet, und nebenbei, dem, Weihnachtsmann eine ordentliche Beule verpasst.“
Er greift in seine Manteltasche, und holt eine Karte hervor.
„Das mit der Karte hat mir gefallen.“
Er fährt mit der Hand über die Karte, und reicht sie ihm. Sie ist jetzt aus Gold.  Blix und der Weihnachtsmann sind nun darauf zu sehen, von Tannenzweigen umgeben.

„Das wird dich immer an diesen Abend  erinnern. Fröhliche Weihnachten“
Dann nimmt er in seinem Schlitten Platz, den er nun selber fliegt, den vergnügten Blix neben sich. Sie fliegen einmal  um ihn herum, und winken ihm zu. Thommy winkt zurück
„Frohe Weihnachten“, ruft er nach Oben, und dann entschwindet der Schlitten schließlich am Horizont.

Das wird mir keiner glauben, denkt Thommy, und  lässt sein Abenteuer geistig noch einmal Revue passieren. Schließlich geht er ins Haus, in dem Gefühl, das das Morgen ein besonders schönes Weihnachtsfest wird.

ENDE


Sonntag, 13. Dezember 2015

Mit ein bisschen Hilfe von Oben

Hier ist Adventsgeschichte Nummer Drei.Schönen dritten Advent

Eigentlich hätte Pastor Kaul zufrieden sein können. Seine Gemeinde in dem Dorf an der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven, bestand aus guten Menschen. Dem Ort ging es gut, doch in diesem Jahr war alles anders. Das lag an den Flüchtlingen. Dreißig Syrer hatte er in der, zur Kirche gehörenden, Kapelle untergebracht, und damit begann der Ärger.

Bürger protestierten ,weil sie die Fremden fürchteten, obwohl er bei Gemeinde-Versammlungen immer wieder beteuert hatte, das es sich um Menschen handelte, die durch Terrorismus und Krieg alles verloren hatten, oft nicht mehr als die Kleidung am Leib besaßen, und nach lebensgefährlicher Flucht nun einfach nur ein neues, friedliches Leben suchten. Es waren Familien dabei mit Kindern. Gerade jetzt zu Weihnachten, meinte der Pastor, müsse man besonders viel Nächstenliebe zeigen, deshalb sollten diese Menschen hier eine Heimat bekommen.

Doch nun kam auch der Landkreis an ihn heran, der die Syrer abschieben wollte, weil sie Illegale waren. Bis Ende des Monats sollten sie die Kirche verlassen,und auch der Bischoff war ein wenig ungehalten.

Übermorgen nun, am vierten Advent, wollte er in einer besonderen Predigt noch einmal versuchen, die Gemeinde für die Flüchtlinge zu gewinnen. Die Kirche war festlich geschmückt. Hinter dem Altar stand ein geschmückter Tannenbaum neben einer nachgebauten Krippe.

Die prächtigere Krippe aber, stand vor der Kirche im Schnee. Mit lebensgroßen Holzfiguren, die sich seit über Hundert Jahren im Besitz der Kirche befanden. Festlich beleuchtet von künstlichem Licht, stand sie  jetzt vor der Kirche, und besonders hell leuchtete die Sternschnuppe über der Szene. Die Syrer halfen fleißig bei der Pflege mit. Dennoch suchte er noch nach einem Helfer.

Pastor Peter Kaul selbst, war Einundvierzig, mittelgroß und schlank. Er hatte ein Gesicht mit milden gutmütigen Zügen, die auch seine Wesensart wider spiegelten. Er hatte dunkelblondes Haar, und seine braunen Augen blickten treuherzig und vertrauensselig in die Welt.

Da saß er nun schwermütig und dachte nach. Von Sorgen geplagt, wie er diese Menschen hier halten konnte, die sich ihm anvertraut hatten. Er konnte sie doch nicht einfach weg schicken, selbst wenn die Behörden es so wollten. Weg von der Sicherheit, in eine gefährliche, ungewisse Zukunft .

Er sah auf, zu dem großen Kruzifix an der Wand, mit dem Bildnis des gekreuzigten Jesu Christi.“Herr, mein Gott“, sagte er „Wenn du mir doch helfen könntest bei dieser schweren Aufgabe. Sie sind doch auch deine Geschöpfe. Aber wenn du es vorziehst, sie noch weiter zu prüfen, obwohl du sie schon so hart auf die Probe gestellt hast, so ist es ebenfalls dein Wille.“

So grübelte er noch eine Weile, da klopfte es plötzlich an die Tür. Der Pastor ging und öffnete. Da stand ein junger Mann vor der Tür, nicht älter als Dreißig Jahre.
„Guten Tag“, sagte er mit ruhiger, angenehmer Stimme. “Ich habe gesehen, dass sie einen Helfer brauchen. Und ich würde ihnen gern helfen.“

Nun gut“, meinte der Pastor, der sich seinen Besucher nun genauer ansah. Er war groß und Schlank. Trug Hemd und Jeans, darüber einen langen Mantel. Das blonde Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Der untere Teil des, fein geschnittenen, Gesichtes war von einem gepflegten Vollbart eingerahmt. Die großen, blauen Augen blickten neugierig und freundlich. Irgendwie hatte dieser Mann eine art Aura um sich, etwas, das einen sofort für ihn einnahm.

„Ich kann nur nicht viel zahlen. Leider ist die ‚Kirche in ihren Finanziellen Zumessungen oft nicht so großzügig, wie sie es von ihren Schafen gern fordert “
„Das macht nichts“, meinte der Fremde „Ich wäre notfalls auch damit zufrieden, einstweilen Kost und Logie zu bekommen.“
„Nun denn, wenn das so ist, dann heiße ich sie herzlich willkommen.“
„Vielen Dank, sie können mich Michael nennen.“

Michael erwies sich schnell als große Hilfe. Tatkräftig half er bei der Installation, und Wäsche der großen Figuren in der Krippe, und des Schmuckes in der Kirche. Dabei verstand er sich prächtig mit den Flüchtlingen, und nahm sich zwischenzeitlich auch Zeit, sich um die Kinder zu kümmern. Auf alle hatte er eine große Wirkung.

Auch auf die Gemeinde, als er am folgenden Sonntag beim Gottesdienst half. Am Tag zuvor hatte er dem Pastor sogar  bei seiner Rede geholfen. “Denken sie an den Evangelisten Lucas, der sagte: Gott ist in jedem von uns., also auch in euch allen, und in diesen Menschen, die Schutz bei uns suchen.“

Nun, kurz vor dem heiligen Abend, verschärfte sich die Situation. Rechte zogen vor der Kirche auf, und als ob das nicht reichte, kamen Vertreter der Behörde mit der Polizei, die die Syrer sofort heraus holen und zum Flughafen bringen wollten. Dann jedoch kamen die Bürger des Ortes, Männer, Frauen und Kinder, und stellten sich zwischen sie und die Kirche.

Da öffnete sich das Hauptportal der Kirche, und  der Pastor, zusammen mit Michael, trat heraus.
Der Bürgermeister trat ihn, zusammen mit einem der Regierungsbeamten.
„Leider muss ich ihnen sagen, dass diese Leute sofort aus der Kirche herausmüssen“
„Ja, raus mit den Musels!“, schrie es von Rechts. „Sind doch alles Terroristen!“
„So“, sagte Michael. Er verschwand hinter die Tür, kam jedoch sofort mit einer Flüchtlingsfrau heraus, die ihr Baby im Arm hielt.

„Sind das Terroristen? Oder Schmarotzer, die euch die Arbeit wegnehmen? Erinnert sie euch nicht an jemanden?“
Und er wies zu der Krippe
„Sie waren damals auch Flüchtlinge, die Obdach bekamen. Damals war es der Stall. Heute ist es diese Kirche, und ist es euer Ort!“

Die Präsenz des Fremden war so stark, dass sie sogar die Rechtsradikalen so zu beeindrucken schien, dass sie sich zurück zogen.

Nun trat der Beamte zu ihm. Er zog ein Papier aus einer Mappe, das er dem Pastor reichen wollte, doch Michael, der näher stand, nahm es, sah darauf, fuhr mit der Hand darüber, und sagte:
„Oh, das ist ja sehr erfreulich.“
Und er reichte das Papier dem Beamten zurück.
„Erfreulich? Nun ja. Hier steht das…, aber wie ist das möglich?“
„Was denn?“

„Hier steht, die Behörde verfügt, das die betroffenen Flüchtlinge eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Pastor Peter Kaul wird die Integration der Syrischen Neubürger anvertraut, verbunden mit einem höheren Budget seitens der Kirche. Der örtliche Gemeinderat, der Bürgermeister, und die Bewohner dieses Ortes werden zu jeder Form der Zusammenarbeit aufgefordert, die dienlich ist.“

Ungläubig sahen der Pastor und der Bürgermeister auf das Papier, welches der Beamte ihnen eben ausgehändigt hatte. Auch auf den Gesichtern der Versammelten Bürger zeichnete sich nun ungläubiges Staunen ab. Ebenso der Flüchtlinge, die nun auch vors Haus getreten waren.

Im nächsten Moment jedoch brach unbeschreiblicher Jubel aus. Dorf-Bürger und Syrer lagen sich in den Armen.
„Tja“, meinte Kaul „Offenbar kennt man in ihrer Behörde die Bedeutung des Wortes Barmherzigkeit. Ich denke, ich werde mich der Aufgabe als würdig erweisen“
„Nun gut“, meinte der Beamte „Dann wissen sie ja, was sie zu tun haben. Für uns ist die Sache damit erledigt. Kommen sie meine Herren!“, und er winkte den Polizisten,
ihm zu folgen.

Das würde ein wunderbares Weihnachtsfest werden. Es wurde dunkel, und die Krippe erstrahlte in hellem Glanz. Diese Nacht vor Heiligabend war die erste seit langem, in der Pastor Kaul gut schlafen konnte. Als er am nächsten Morgen zum Frühstück in die Küche kam, fand er dort einen Brief .Er öffnete ihn und las:

Lieber Pastor Kaul!

Ich bin bereits in der Nacht aufgebrochen, denn ich muss wieder weg. Mein Werk hier ist getan. Deine Bitte um Hilfe wurde erfüllt. Es gibt noch andere zu dieser Zeit, die Hilfe brauchen.Ich weiß, du wirst es jetzt schaffen, denn du hast das Herz auf dem rechten Fleck.
Fröhliche Weihnachten,

Dein Freund Michael

Instinktiv erhob sich der Pastor, Michael konnte noch nicht lange weg sein, und lief zur Tür. Als er vor der Tür stand, und hinaus schaute, da sah er in dem Wäldchen, durch das der Weg von der Kirche führte, ein helles Licht aufblitzen, das bis zum Himmel leuchtete. Einen Moment lang glaubte er so etwas wie Flügelschlag zu hören, und über der Krippe vor der Kirche schien ein besonders heller Stern zu stehen.

Grübelnd ging er zurück ins Haus. War das eines jener Weihnachtswunder? In der Kirche blieb er vor dem großen Kruzifix stehen, sah es eine Weile an, und sagte dann leise:
“Vielen Dank, und frohe Weihnachten.“
Und einen Moment lang war es so, als würde der Heiland auf dem Kreuz ihm zuzwinkern…

ENDE


Sonntag, 6. Dezember 2015

Der Geist der Weihnacht

Meine zweite Advents-Geschichte.Viel Spaß, und schönen zweiten Advent!


Es war Heiligabend. In der Stadt herrschte reger Betrieb, und auch auf dem Weihnachts-Markt war es voll. Menschen wuselten zwischen den geschmückten Buden hin und her,die von bunten Lichtern erhellt wurden.

Es roch nach Glühwein, gebrannten Mandeln, Lebkuchen und Bratwurst. Den Mittelpunkt bildete ein großer, festlich geschmückter Weihnachtsbaum, neben dem zur Linken ein vergoldeter Holzthron stand. Dies war der Platz für den Weihnachtsmann.

Doch der Weihnachtsmann hatte ein Problem. Er war sich nicht sicher, ob er es überhaupt war, oder, um es genau zu sagen, ob er die Rolle überhaupt spielen konnte. Lars war nämlich eigentlich ein Student, Anfang Zwanzig, mittelgroß und von einer gewissen Körperfülle, die ihn äußerlich für den Job geeignet erscheinen lies. Darum steckte er jetzt in diesem Kostüm.

Irgendwie hatte er seit seiner Kindheit nicht mehr viel Freude an Weihnachten nicht mehr viel Freude. wie sollte er dann Kindern welche vermitteln?
So grübelte er, und lief mit gesenktem Kopf hin und her, bis er plötzlich mit jemandem zusammenstieß.

„Oh, Entschuldigung“, rief er
„Kein Problem, Kumpel“, erwiderte sein Gegenüber. “Lern mich ruhig besser kennen!“
Lars sah auf, und hatte nun Gelegenheit, den Fremden besser zu betrachten, der alles andere als alltäglich wirkte.

Er war groß und dick, hatte langes, rötliches Haar, und einen ebensolchen Vollbart, in einem runden, pausbackigen Gesicht mit gutmütigen Zügen. Die Augen waren groß, freundlich,  und von wasserheller, blauer Farbe, In der Mitte des Gesichtes saß eine große, rot leuchtende, runde Knollennase, und der Mund ,der fast vom Bartwald verdeckt wurde, schien immer zu lächeln.

Auf dem Kopf trug er einen Kranz aus Mistelzweigen. Bekleidet war hauptsächlich mit einem langen, dunkelgrünen Mantel mit weißem Pelz –Besatz .Die Füße steckten in schwarzen Stiefeln.

Nun denn“, sagte er heiter „du spielst also den Weihnachtsmann, willst Kinder glücklich machen. Das ist sehr schön.“
„Wie man ´s nimmt“, meinte Lars „Eigentlich hab´ ich damit ein Problem“
„Warum? Komm schütte ruhig dein Herz aus. Ich bin ein guter Zuhörer.“

Irgendwie besaß der Fremde eine unglaubliche Aura. Lars hatte sofort das Gefühl, ihm völlig vertrauen zu können, und so erzählte er freimütig.

„Hm, Hmm, ja, das ist wirklich ein Problem. Du hast anscheinend  den Geist der Weihnacht verloren. Woll´n doch mal sehen, das  du ihn wieder findest.“
„Aber wie soll das gehen? Ich glaube nicht…“
„Richtig, du glaubst nicht, das ist der Punkt. Findest du nicht, das an einem an Weihnachten alles wunderbar vor kommt?“
„Leider nicht. Was soll mir denn wunderbar vorkommen?“
„Was? Na sieh dich hier doch mal um, an diesem herrlichen Weihnachtstag“


Und er vollführte eine weit ausladende Armbewegung über den Weihnachts-Markt,, während er sich auf der Stelle drehte.
Und es war wirklich ein schöner Tag, oder Vormittag, um genau zu sein. Aus einem weitgehend klaren Himmel fielen einige, wenige Schneeflocken Die strahlen der Sonne wirkten trotz des Frostes leicht wärmend und belebend.

„Sieh doch diese vielen schönen Lichter, wie schön alles geschmückt ist, die vielen fröhlichen Menschen. Komm, lass uns ein Stück gehen.“

Lars konnte nicht anders .etwas sagte ihm, das er diesem seltsamen Fremden folgen sollte, und so ging er mit ihm.
Irgendwann blieb Dieser mitten auf dem Weihnachtsmarkt stehen, und sog tief die Luft ein. .

„Aah, dieser Duft. riechst du das? Diesen Duft .von gebrannten Mandeln, Lebkuchen, Glühwein und Tannenduft!“
Und tatsächlich, es lag ein wunderbarer Duft in der Luft. Sein neuer Freund hatte Recht.

„Und ooh, dieser wunderbare Tannenbaum. Wie festlich geschmückt. Ist er nicht eine Pracht?
Lars stimmte zu, doch angesichts des Throns neben dem Baum, bekam er wieder Magengrummeln.

„Es gibt noch mehr zu sehen. komm“, sagte der Fremde, und zog ihn weiter über den Markt zur gegenüber liegenden Seite, wo ein Bettler mit seinem Hund saß.

Viele Menschen gingen an ihm vorbei, und die meisten von ihnen warfen etwas in seine Sammelbüchse, das er sehr dankbar annahm.
„Siehst du, das ist der wahre Geist der Weihnacht“, sagte der neue Freund „Es kommt darauf an, was man von sich selber gibt.“

Er ging zu dem Bettler, und tätschelte dem Hund den Kopf. Das Tier sah freudig erregt und neugierig zu ihm auf.
„Ja, du bist ein guter“, sagte er „Du und dein Herrchen, ihr habt bestimmt Hunger“, .Dann griff er in seine Manteltasche, holte ein Paar Münzen hervor, und warf sie in die Sammelbüchse. Lars  tat es ihm nach, worauf sich der Mann freundlich bedankte, und auch der Hund ihnen einen liebevollen Blick zuwarf.

„Ah, du hast es verstanden, gut. Oh, sieh mal dort!“
Der sonderbare Fremde wies auf ein Gebäude, an dem „Sammelstelle zur Flüchtlingsversorgung“ stand .Sie sammeln Spenden für Flüchtlinge und sieh mal, wie viele Menschen etwas geben wollen .Ja, die Menschen können gut und freigiebig sein.
Besonders zu dieser Zeit. Für ein Paar Tage im Jahr sind sie die Menschen, die zu sein sie immer gehofft haben.“

In Lars´ Herzen regte sich etwas .Irgendwie hatte sein seltsamer Freund recht, der in seiner Freude, über das was er sah, manchmal kindlich naiv wirkte, und doch, er hatte Recht.

„Na was ist das denn? Der Fremde machte ihn auf eine Bank am Dom Aufmerksam, auf der ein etwa zehnjähriges Mädchen saß, und weinte. Ehe Lars noch etwas sagen konnte, war der Fremde bereits auf dem Weg zu ihr, und der Junge Mann im Weihnachtsmann-Kostüm folgte ihm.

„Na, meine Kleine, wie kann man am Weihnachts-Tag so traurig sein?“
„Ich hab meine Mama verloren“, piepste das Mädchen. Wir waren in der Stadt Unterwegs,
und dann haben wir uns verloren. Nun bin ich ganz allein, und kann nicht mehr nach Hause kommen.“
„Na, das ist wirklich ein Problem. Aber ich habe hier jemanden, der dir helfen kann.“
Und er wies auf den völlig verdutzten Lars.

„Ooh“, staunte die kleine .“Der Weihnachtsmann! Du kannst mich bestimmt zu meiner Mama bringen. Bitte, bitte hilf mir.“
Und sie sah aus großen, unschuldigen Augen erwartungsvoll zu ihm auf. Der Fremde zwinkerte ihm aufmunternd zu.

„Na gut“, meinte Lars „überlegen wir mal…ah ja, das könnte es sein, komm.“
Er nahm sie bei der Hand, und ging mit ihr die Einkaufsstrasse herauf, vorbei an den Straßenbahnschienen und vielen Menschen, bis schließlich sein Ziel in Sicht kam. Eine Bürgerkontakt -Station der Polizei. Der Fremde sah es, und schmunzelte zufrieden.

Vor der Station stand, neben einem Polizisten, eine aufgelöst wirkende Frau Mitte Dreißig. In dem Moment, als sie ankamen, drehte sie sich um, bemerkte das Mädchen an seiner Hand, und rief:
„Lisa!“
Die kleine lies seine Hand los, rief „Mami“, und lief zu der Frau, die sie erleichtert in die arme schloss.
Der Fremde stupste Lars an, und meinte vergnügt: “Gut gemacht“
„Na sieh einer an“, meinte der Polizist „Da wird ihnen ihr Kind  vom Weihnachtsmann zurück gebracht. Na dann hat sich die Sache ja erledigt“
Auch die Frau dankte ihm, und dann kam Lisa zu ihm, umarmte ihn, und sagte „Danke Weihnachtsmann“

Lars hatte plötzlich einen Kloß im Hals .Die dankbaren Augen dieses Kindes mit ihrem warmen Blick. das Gefühl, diesem kleinen Menschen aus der Not geholfen zu haben, löste in ihm etwas aus. Er empfand plötzlich eine große Freude, fühlte sich leicht, und irgendwie übermütig, als wäre er selber wieder ein Kind.

Er strich über ihr Haar, und sagte:“Sehr gern geschehen, mein Kind“, und ahmte dabei sogar eine tiefe Weihnachtsmann-Stimme nach.
Sein sonderbarer Freund wirkte quietsch-vergnügt, als er zu ihm trat.
„Nun“, fragte er
„Ich habe verstanden “, sagte Lars „Ich fühle mich plötzlich so leicht und fröhlich und ich glaube, ich habe den Geist der Weihnacht verstanden.“
„Aha“
„Ja, mach anderen eine Freude, dann hast du selber Spaß.“

„Hervorragend, und kommt dir alles wunderbar vor?“
„Ja“
Der Fremde lachte schallend, und Lars konnte nicht anders, als einzustimmen.
„Nun“, sagte sein seltsamer Freund“ Dann kannst du ja jetzt auf deinen Platz am Tannenbaum. Dein Publikum wartet.“
Lars nickte
„Du hast Recht.“
Und sie gingen zum Weihnachtsmarkt zurück, und zum Baum. Lars ging zum Thron, setzte sich, und begann seine Vorstellung als Weihnachtsmann , während der Fremde in einiger Entfernung stehen blieb,ihm aufmunternd zulächelte, und den rechten Daumen hob.

Es war eine tolle Vorstellung, und am Ende wollte man ihn gar nicht gehen lassen. Die Veranstalterin meinte, er wäre der beste Weihnachtsmann, den sie bisher hatten.

Schließlich ging er zu dem Platz, wo der Fremde zu Anfang gestanden hatte, doch sein sonderbarer Freund war fort. Er sah sich eine Weile nach ihm um, und sagte schließlich wie zu sich selbst:
„Danke du mir das zurück gegeben hast.“
Und nun? Na ja, einen Glühwein hatte er sich doch verdient. So ging er zum Glühwein-Stand, und bestellte einen Becher.

Das Getränk wurde ihm gereicht, und er tat einen Zug. Es schmeckte und wärmte. Tat einfach gut. Er warf einen Blick auf den Becher, und dann stockte Er. Auf dem Becher war in allen Einzelheiten das Gesicht seines sonderbaren Freundes abgebildet, samt Mistelkranz auf seinem Kopf. Einen Moment lang war es, als würde es ihm zuzwinkern. Und nun sah er auch, was unter dem Gesicht geschrieben stand:

Der Geist der Weihnacht


ENDE

Sonntag, 29. November 2015

Das Wunder von Deesum

Heute und an den anderen vier Advents-Wochenenden ,möchte mehr oder wenige wundersame Geschichten mit Advents-Bezug präsentieren.den auftakt macht ein Weihnachtswunder von der Küste.Ich hoffe, es gefällt euch, und nun geht´s los:


In dem kleinen Ort Deesum, an der Nordsee- Küste, stand ein alter Leuchtturm. Er war schon lange kein Seezeichen mehr, sondern nur noch Wahrzeichen. Seinen Dienst versah nun ein moderner Turm an der Hafeneinfahrt, etwa 500 Meter entfernt.
Der alte Turm aber, war nur noch ein Schmuckstück des Ortes, welcher kaum 800 Einwohner hatte.

Am Leben gehalten, von einem Verein alter Enthusiasten, ehemalige Leuchtturmwärter, und See-Lotsen, war er ein Technik-Denkmal.Monument einer vergangenen Zeit, stand er etwas Außerhalb des Ortes auf einer Landzunge, und war sowohl durch einen Boots-Anleger, als auch vom Deich aus erreichbar.
Könnte er sprechen, so könnte er viele Geschichten erzählen aus seinem Bewegtem Leben, in dem er über Hundert Jahre lang Seeleuten den Weg gewiesen hatte, und vom Leben  der Menschen an der Küste.

Der letzte, der den Turm als Wärter betrieben hatte, war Jan Harmssen. Noch Heute sah er regelmäßig nach dem Rechten, und öffnete hin und wieder den Turm für Touristen.
Harmssen hatte aber noch eine andere  Aufgabe, die er trotz seines fortgeschrittenen Alters von immerhin Anfang Siebzig mit ausführte.

Auch wenn Deesum ein kleiner, und wenig bedeutender Ort war, besaß man doch eine Seenot-Rettungsstation mit einem kleinen, in die Jahre gekommenen, Seenot-Rettungskreuzer, der „Ariane“. Harmssen gehörte zu den ehrenamtlichen Helfern, und war ihr Kapitän.

An jenem Abend im Dezember ,es war der Vorweihnachtsabend, hatte er Dienst.
Zusammen mit drei Kollegen, nämlich Fritz Mikoteit, Anfang Fünfzig der aus Danzig stammte, Erwin Jöndrup, Vierzig Jahre alt, und zum Schluss Karl Wesselin, 65 Jahre alt, der wegen seiner besonders langen, hageren  Staue auch „die Bohnenstange“ genannt wurde, hatte er Heute die Rettungs-Wacht.

Tagsüber hatte es ein wenig geschneit, aber insgesamt war das Wetter eher ruhig gewesen. Nun gegen Abend jedoch, wurde der Schneefall dichter, und der Wind nahm zu. Über dem Meer bildete sich ein Sturm.

Trotzdem hoffte die Mannschaft auf einen ruhigen Abend. Das Radio war an, Skat-Karten lagen auf dem Tisch, und Tee war aufgebrüht. Durch das Fenster ihrer Unterkunft, und durch das dichte Schnee-Gestöber, konnten sie die bunten Lichter der Weihnachtsbeleuchtung auf der Einkaufs- Strasse, und den Weihnachts -Schmuck an den Häusern sehen.

In diese Behaglichkeit platzte nun der Notruf, den das Funkgerät auffing. Ein Küstenfrachter war in dem aufziehenden Orkan in Seenot geraten, und havariert. Harmssen und seine Mannschaft machten das Schiff klar, und fuhren hinaus, um der Besatzung des Kümos zu Hilfe zu kommen.

Mühsam quälte sich der alte, gerade mal 20 Meter lange Seenotkreuzer durch Meter hohe Wogen in Richtung der Koordinaten, die der Havarist angegeben hatte .Fast wäre das altersschwache Schiff selber gekentert, aber es ging noch einmal gut.

Es war dunkel, Schneeflocken erschwerten zusätzlich noch die Sicht, und die Hoffnung der Männer, das in Not geratene Schiff noch zu finden schwand mit jeder Minute.
Doch dann  rief Fritz plötzlich: "Da, ich sehe was, da ist ein Licht."
Tatsächlich handelte es sich um ein Positionslicht. Sie hatten das Schiff tatsächlich doch noch gefunden.

Langsam kämpfte sich der kleine Seenot-Kreuzer durch die Fluten zu dem Havaristen heran, der bereits der länge nach gekippt war, und schräg im Wasser lag. Das das Kümo nicht mehr zu retten war, war sofort klar. Wichtig war jetzt die Besatzung zu retten.

Schließlich gelang es der Ariane, längsseits an das Schiff zu gehen. Die Besatzung, Vier Mann, stand an Deck und winkte.

Die Männer der „Ariane“ warfen Seile hinüber, um  Den Seenot-Retter näher an das havarierte Schiff zu ziehen, und so das Umsteigen zu ermöglichen.

Grade in diesem Moment hob eine gewaltige Welle den Bug des Frachters aus dem Wasser, und schleuderte ihn auf den vorderen Teil der „Ariane“.
Krachend zerbarst der Seenot-Rettungskreuzer, und begann sich nach vorn in die Tiefe zu neigen.

Geistesgegenwärtig schrie Harmssen:„Die kleine Ariane zu Wasser, schnell!"  
Die kleine Ariane war das Beiboot der Ariane, ein Zodiak- Festrumpf-Schlauchboot von  Sieben Meter Länge, das, eng zusammengerückt, bis zu 10 Mann befördern konnte.

Kaum hatte er diesen Befehl in den Orkan-Wind geschrien, lief er schon selber ans Heck, und begann die Taue zu lösen, die das Zodiak hielten.

Das Boot glitt ins Wasser, und die Mannschaft sprang hinein. Die Crew des Frachters, die dies mit angesehen hatte, sprang ins Wasser, und wurde von den Seenot-Rettern an Bord der kleinen Ariane geholt. Harmssen warf den Außenborder an, und sie fuhren los, während die Ariane zusammen mit dem Kümo in den Fluten versank.

 Der Zodiak machte sich mit den Acht Männern auf den Weg zur Küste, soweit es möglich war. Die Navigations-Instrumente waren beschädigt wurden, als der Frachter auf die Ariane geschleudert wurde, weil die Wucht des Aufpralls den Seenot-Kreuzer kurz aus dem Meer hob, und es wieder zurück schleuderte. So mussten sie nach Gefühl navigieren.

Dunkelheit und dichtes Schneetreiben nahmen fast jede Sicht, und hohe Wellen schleuderten das kleine Boot hin und her. überspülten die Insassen, und schleuderten schließlich einen über Bord, der mit viel Mühe noch gerettet werden konnte.

So quälten sie sich durch Sturm, Unwetter und Wogen. Irgendwann, sie begannen mittlerer Weile ihr Zeitgefühl zu verlieren, setzte der Motor aus.
„Verflucht, kein Benzin mehr“, stieß Harmssen hervor. Auch keine Reserve mit.
„Es hilft nichts, rief er “Wir müssen rudern.“

Er griff sich zwei Riemen, die die neben ihm im Bug lagen, und reichte sie nach hinten weiter.
„Wir wechseln uns ab. Jeder eine Stunde“

So begannen sie zu rudern. Bei diesem Seegang und dem Unwetter eine unmenschliche Kraftanstrengung, auch wenn sie sich abwechselten.
Die Hoffnung auf Rettung wurde immer kleiner unter den Männern, ebenso wie ihre Kräfte schwanden. Nass, zitternd vor Kälte, erschöpft von der Anstrengung des Ruderns, dem Wüten des Sturms hilflos ausgesetzt, begannen sie mit dem Leben abzuschließen. Es war eine düstere Stimmung. Wenn es doch nur ein Zeichen gäbe, wenn man doch nur etwas von der rettenden Küste erkennen konnte, das Mut gab.  

Einige begannen schon zu beten, und den Seelenfrieden vor dem sicheren, und offenkundig unabwendbaren, Tod zu suchen.

Plötzlich rief Karl die Bohnenstange: „Da seht!“, und er wies nach vorn.
Alle sahen in die Richtung, in die er zeigte, und sahen es: Da, in der Ferne, war ein Licht, ein helles Licht, das ihnen entgegen blinkte.
„Ich hoffe, das ist jetzt keine Sinnestäuschung" stöhnte Jöndrup.
„Nein, das muss ein Leuchtfeuer sein“, rief Harmssen „wir sind der Küste nahe. Das muss unsere Hafeneinfahrt sein. Los, das schaffen wir jetzt auch noch.“

Und er nahm sich selbst die Riemen, und ruderte mit kräftigen Schüben dem Licht entgegen, durch das wütend schäumende Wasser,und die über sich zusammenschlagenden Wellen, Schneegestöber und Kälte vergessend ,durch den neu gewonnenen Mut.

Nach einiger Zeit rief Fritz: Das ist nicht unser Hafen!“
„Egal“, gab Jan zurück, der grade die Ruder an Jöndrup weiter gab. “Hauptsache, es ist eine Küste, denn das ist unsere einzige Rettung."

Sie ruderten weiter, und als sie schließlich in Sichtweite des Ufers geraten waren, stockte zumindest den vier Seenot-Rettern der Atem, und mit weit aufgerissenen Mündern, sahen auf die Quelle des Lichtes, der sie entgegen fuhren.

„Mein Gott, wie ist das möglich?“, stieß Harmssen hervor „Das alte Ding ist doch seit Jahren außer Betrieb. Ich war erst Vorgestern dort. Er ist mit Sicherheit ausgeschaltet.“

Sie hielten auf den alten Leuchtturm zu, dessen Feuer sie leitete. Hell leuchtete es ihnen entgegen. Mit letzter Kraft kamen sie schließlich am Anleger an, der völlig verwaist war. Kein anders Schiff lag hier. Der Steg war von einer Schneedecke bedeckt.

Die Männer vertäuten das Boot, und stiegen aus.
„Wir gehen erstmal in den Turm“, sagte Harmssen „Ich hab nen Heizlüfter, Rum und einen Kocher, drin, das wir uns erstmal n´ Grog machen können. Decken sind da auch.“

Sie umliefen den Turm, und kamen am vorderen Ende an, wo die Tür war, und Harmssen stockte wieder: Auch der Weg vom Deich zum Turm war von einer dicken Schneedecke bedeckt. Keine Fußabdrücke ,die zum Turm führten. Die Türklinke war mit Schnee bedeckt. Es war, als wäre länger niemand hier gewesen, und doch brannte oben das Leuchtfeuer.

Harmssen griff an die Klinke, die Tür war abgeschlossen. Mit halb steifen Fingern kramte er einen Schlüsselbund hervor, und schloss auf, und dabei wurde ihm klar, das es außer ihm nur noch eine Person gab, die einen Schlüssel besaß, und  den Leuchtturm hätte in Gang setzen können, und das war Karl die „Bohnenstange!“  

„Das kann doch nicht sein“, murmelte er, während er die Leute einließ „Wie kann er ganz von allein angehen? Das grenzt ja an Zauberei.“
Nachdem er die anderen mit Grog und Decken versehen hatte, ging er nach unten zum Versorgungsraum, und wurde blass, als er feststellte: Der Hauptschalter war aus!
„Das gibt`s nicht, das gibt`s nicht, murmelte er vor sich hin, während er wieder herauf ging, und oben brannte das Leuchtfeuer weiter.

Sie verbrachten den Rest der Nacht hier, bis am nächsten Morgen eine Rettungsmannschaft aus dem Ort kam, und sie zur Seenot-Rettungs-Station fuhr.
„Woher wusstet ihr, dass wir hier waren?“, fragte Harmssen
„Wir haben das Licht vom Leuchtturm gesehen, das ihr angeschaltet hattet.“
„Aber wir haben es nicht angeschaltet. Es war an, und hat uns zur Küste gebracht“

„Ihr wart das nicht? Das kann doch nicht sein!“
„Ich will dir noch was sagen: Der Hauptschalter war aus, es hätte also gar nicht brennen können, und doch brannte es, und rettete uns das Leben. Es ist geradezu ein Wunder “
„Nun ja, es ist Weihnachten, genau die richtige Zeit für Wunder“

Warum der alte Turm plötzlich zu leuchten begann, konnte nie geklärt werden, aber die Geschehnisse dieser Nacht gingen als das „Wunder von Deesum in die Chroniken ein, und noch Heute, wenn in stürmischen Winternächten  draußen Schiffe in schwerer See in Not geraten, soll der alte Leuchtturm sein Feuer leuchten lassen, und die Seeleute sicher an die rettende Küste bringen. Den Deesumern ist ihr alter Turm seitdem ein Heiligtum, und es heißt, zur Adventszeit soll sein Feuer besonders hell leuchten.

ENDE




Sonntag, 15. November 2015

Jan-aus dem Reich der toten-Teil 4


„Kommt, nach Oben“, sagt Martin, und man hört den Kloß in seinem Hals „Und dann rufen wir die Polizei.“
Unsicher gehen wir wieder hoch. Oben im Erdgeschoß fischt Martin sein Handy aus der Tasche und tätigt den schon angekündigten Anruf.

Wenig später wimmelt es im Haus von Polizei, Kriminaltechnikern und der Gerichtsmedizin. Sie haben Scheinwerfer mitgebracht, die alles in etwas grelles Licht tauchen. Da wir angewiesen wurden, auf die Kripo zu warten, die eventuell noch Fragen an uns hätte, haben wir uns im Salon ein Paar der alten Sitzmöbel frei gemacht, und warten hier.

Es dauert beinahe eine halbe Stunde , bis ein kleiner, hagerer Mann den Salon betritt, der mit seinem schäbigen hellen Trenchcoat, den dunklen Haaren, und den aufmerksamen, leicht schielenden blauen Augen frappierend an Columbo erinnert.

Er stellt sich als Hauptkommissar Lohmann von der Kripo Bremen vor.
„Sie haben also die Leiche da unten aufgefunden. Darf ich fragen, was sie hier in diesem Haus gesucht haben. Sie wohnen ja sicher nicht hier“
Wir sehen kurz einander an, dann beginnt Martin zu schildern, was uns hierher geführt hat.

„Hanseaten- Columbo“, wie ich ihn innerlich getauft habe, hört aufmerksam zu, wobei sich sein Mund zunehmend öffnet. Schließlich nickt er, und man sieht ihm das ungläubige Staunen an.
„Nur das ich das richtig verstehe. Sie haben also diesen Zettel in einem Buch gefunden, der sie auf die Spur eines über Fünfzig Jahre zurück liegendes Verbrechen geführt hat, und haben hier nach spuren gesucht? Das klingt nach ´nem spannenden Roman. Aber gut, nehmen wir an, das ist die Wahrheit, haben sie was gefunden.“

„Ja, die Leiche“, gebe ich lakonisch zurück, „Aber ansonsten nichts. Lässt sich schon sagen wer der oder die Tote ist?“
„Es ist ein Er“, gibt der Kommissar zurück. Eigentlich sollte ich ihnen das nicht sagen, aber  an einem mord gibt es wohl keine Zweifel. Der Gerichtsmediziner meint, er ist schon ein paar Monate tot. Die besondere Luft im Keller hat den Verwesungsprozess verlangsamt.
Was interessant ist: Sein Gesicht wurde zerschlagen, das Gebiss zertrümmert, und die Fingerkuppen abgeschnitten. Der Mörder wollte offenbar die Identifizierung verhindern. So ist alles, was man bis jetzt sagen kann, das es sich um einen Mann zwischen Sechzig und Achtzig Jahren handelt. Wir werden also zunächst einmal die Vermisstendatei durchgehen müssen.“

„Leider können wir ihnen da auch nicht weiter helfen“, sagt Martin „haben sie sonst noch Fragen?“
„Für´s Erste nicht mehr. Sie müssten der KTU aber noch Fingerabdrücke und Speichelprobe geben, zu Vergleichszwecken, weil sie ja ohne Zweifel spuren hier im Haus hinterlassen haben, und wir hier erstmal alles gründlich durchsuchen müssen.“

Wir befolgen also, was Hanseaten- Columbo gesagt hat, geben den KTU- Mitarbeitern, was sie brauchen, und gehen.
Draußen vor dem Haus klingelt Martins Handy. Er nimmt ab, meldet sich, und hört ein paar Minuten zu, dann sagt er:
Moment, Moment mal Fred, ganz ruhig! Komm erst mal runter…Aha, Heute Abend noch? Nein du hast Recht. Ich bring ´eben meine Freunde nach Hause, dann komme ich.“

„Was ist?“, fragt Adele
„Das war Fred, mein Freund bei der Zeitung. Er hat noch ein paar Recherchen zur Familie Dijsterkamp angestellt, und ist auf etwas gestoßen. Er meint, wenn das stimmt, was er herausgefunden hat, könnten wir da etwas unfassbaren auf die Spur gekommen sein. Er will sich noch Heute Abend mit mir treffen. Ich bring euch jetzt nach Hause, und dann fahr ich hin. Ist besser, wenn ich allein hin gehe. Ich geb´ euch dann Bescheid.“

Es dauert bis Montagabend, bis wir wieder von Martin hören. Den Tag verbringe ich auf der Arbeit. Wieder Spätschicht. Die Arbeit in der Schadstoffannahme geht relativ gut von der Hand, oder ginge, wenn ich nur nicht so nervös und fahrig wäre. Das fällt auch Rosi auf, die mich schließlich anspricht. Ich beschließe also ihr die ganze vertrackte Geschichte zu erzählen, von der Tagebuchseite bis zum auffinden der Leiche. Sie hört mit großen Augen zu, und sagt dann:
„So, du spielst also in deinem Urlaub Detektiv. Nur wenn jetzt Leichen auftauchen, wird es doch gefährlich. Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt auszusteigen.“

Irgendwie kann ich ihr nicht widersprechen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es jetzt noch möglich ist, aus der Sache raus zu kommen.
Gegen Sechzehnuhrdreissig bekomme ich dann eine SMS von Martin:

Bin erst jetzt in der Lage dazu. Fred ist tot .Ermordet. Jemand hat ihn über den Haufen gefahren. Laut Gerichtsmediziner ist er nochmals Rückwärts über ihn gefahren. Als ich am Treffpunkt ankam, war schon tot. Müssen uns die Tage noch mal sehen, und bereden, ob wir überhaupt noch weiter machen .passt auf euch auf!

Ich habe das Gefühl, das mir der Boden unter den Füssen weg gezogen wird. Mir ist schwindlig, und ich versuche mich aufrecht zu halten. So schlecht ist mir. So bleibe ich erst mal  am Schreibtisch im Arbeitsbereich sitzen.
Ich atme ein paar Mal tief durch, dann erhebe ich mich, und gehe hinaus. Auf dem Annahmetisch hat jemand eine Schachtel abgestellt, die ein braunes Glas enthält. Das Totenkopf-Zeichen die Warnung:„giftig“ klebt auf der einen Seite. Auf der anderen ein Etikett mit der Aufschrift: Kaliumcyanid“

Oha, etwas besonders gefährliches .hochgiftig. Nicht mit Säure zusammen kommen lassen, sonst wird Blausäuregas frei gesetzt. Als ich das glas in die Schachtel zurück stecken will, stelle ich fest, das sich noch ein Zettel darin befindet. Ein Beipackzettel? Lesen sie die Packungsbeilage…, kommt mir in den Sinn. Ich falte den Zettel auseinander, und bekomme zum zweiten Mal weiche Knie. Ich lasse mich auf den Schreibtischstuhl zusammen, lege den Zettel auf den Schreibtisch, und lese noch einmal fassungslos:
Lassen sie die Vergangenheit ruhen, oder soll noch Jemand sterben?...


Sonntag, 8. November 2015

Tagebuch eines unfreiwilligen Helden-Teil 12

21.05.2025,Bistritza,Morgens

Jetzt komme ich wieder zum Schreiben. Die letzten knapp Achtundvierzig Stunden ist einiges passiert. Ich fange am Besten dort an, wo ich aufgehört habe.
Die Tür der Scheune öffnete sich, und eine Gruppe Männer trat ein.
 Ein Aufruf in einer fremden Sprache, wohl rumänisch, klang mir scharf entgegen.
 Eine Taschenlampe leuchtete mir ins Gesicht.
„Er ist es“, sagte dieselbe Stimme plötzlich in gebrochenem Deutsch, „Er ist es wirklich“
Der Sprecher mit der Lampe kam näher.

„Willkommen, Tobias Schubert. Wir haben dich erwartet. Wir gehören zum Widerstand. Wir sind schon die ganze Zeit an der Grenze unterwegs, um dich abzuholen, und in Sicherheit zu bringen. Ich bin Georghe Radu. Komm ins haus, du wirst hungrig sein.“
Mit einem Gefühl großer Erleichterung, erhob ich mich, und ging mit.
Als wir am Tisch saßen, konnte ich mir meinen Gastgeber näher ansehen. Georghe war ein mittelgroßer, leicht beleibter Mann, Mitte vierzig mit kurz geschorenem, dunklem Haar, und braunen Augen. Die anderen bei ihm waren bieder aussehende Bauern.
Es gab ein einfaches Mahl, dann meinte Georghe:
Das mit Steiner weißt du“

„Ich habe davon gehört“, sagte ich.
„Nach allem, was wir wissen, wird er auf Schloß Branac  fest gehalten. Wir müssen erst ihn befreien, denn er kennt als einziger einen geheimen Weg in die Felsenfestung. Nicht mal die dunklen wissen davon“

„Wo liegt Schloß Branac“, wollte ich wissen.
„In der Nähe von Bistritza, in Richtung der Karpaten. Morgen früh, wir bringen dich nach Bistritza. Dort triffst du Sergiu, unseren Anführer. “

Ich schlief gut in einem weichen Bett, und am nächsten morgen, nach einem kräftigen Frühstück, fuhren wir nach Bistritza. In einem alten Haus in der Innenstadt, trafen wir einen schwarzhaarigen jungen Mann, Anfang Dreißig mit einem hübschen, aber ernsthaften Gesicht, Mittelgroß, aber Kräftig gebaut. Dunkle Augen blickten mich unter buschigen Brauen interessiert an.

„So, du bist das also.“, sagte er in fließendem Deutsch „Aber du solltest Begleitung haben.“
„Sind in Novi Sad gefangen genommen worden.“, entgegnete ich. „und was mit dem Mädchen ist, weißt du, denke ich mal.
Er nickte „Sicher. Wollen wir also sehen, wie wir sie befreien. Georghe hat dir das mit Steinmann gesagt?“
„Das hat er“

„Wir werden uns ins Schloß einschleichen müssen. Ich habe einen Plan. Teile des Schlosses werden grade restauriert. Es ist also möglich, als Handwerker getarnt hinein zu kommen. Dann müssen wir heraus finden, wo er dort festgehalten wird.“

 Ich bekam ein Zimmer unter dem Dach zugewiesen, in dem ich mich einrichtete .Nun ja, das bisschen, was ich mit hatte war schnell verstaut. Meine Gedanken waren wieder bei Celia, und beim Kapitän und seiner Crew.Ich legte mich hin, und fiel schnell in einen traumlosen Schlaf. Als ich erwachte, war es bereits früher Abend.

Ich ging zum Abendessen herunter, und da erfuhr ich, dass wir am nächsten morgen nach Branac aufbrechen würden. Es war gelungen, einen Auftrag als Klempner-Firma im Schloß zu bekommen. Vor Ort mussten wir dann den Rest heraus finden.


Jetzt schreibe ich gerade diese Zeilen, denn es ist noch Zeit bis zum Frühstück, dann geht’s  los. Aber jetzt herrscht unten Lärm. Durch die angelehnte Tür höre ich unten jemanden rufen. Jetzt kommen Schritte herauf, meine Tür wird von einem arm in einer schwarzen Uniform geöffnet.

Freitag, 30. Oktober 2015

Das Krematorium

Hier meine diesjährige kleine Horror-Geschichte zu Halloween.Achtung:Nichts für Kinder!

Düster und drohend stand es da auf dem Hügel am Rande des Zentral-Friedhofes, das alte Krematorium. Nun war es seit bald Zehn Jahren außer Betrieb. Die neue Anlage lag zentraler, in der Mitte des Friedhofes, bei der Kapelle Sie war natürlich moderner, und heller gestaltet.
Das alte Krematorium war ein Backsteinbau, an dem der Zahn der Zeit nun stark nagte. Hier und da bröckelten Teile der Mauern ab. Durch beschädigte Fensterscheiben durchzog kühle Luft das alte Gebäude. An den großen, gusseisernen Öfen nagte der Rost, ebenso an den Schlittenanlagen, mit denen die Särge hinein gefahren worden waren.

Dennoch war die Anlage zuweilen immer noch Treffpunkt für Jugendliche oder für Paare, die hier ganz ungestört sein wollten, und es auch konnten, denn in diesen abgelegenen Teil des Friedhofes verirrte sich kaum noch jemand. Hier sollte es umgehen, hieß es, und düstere Geschichten von Menschen, die hier verschwanden, machten  die Runde.

Auch Corky kannte diese Geschichten. Er hatte hier bis zu seiner Rente gearbeitet, und die Särge eingefahren, sowie die Anlage gewartet. Just als sie endgültig den Betrieb beendete, ging auch er in Rente. Seitdem sah er hier nach dem Rechten, und versuchte das alte Gebäude einiger Maßen in Stand zu halten. Im Wechsel mit einigen anderen „Ehemaligen“.

Ursprünglich stammte er aus Irland. Der Liebe wegen war er hier her gezogen. Doch mittlere Weile war seine Frau verstorben. Und jetzt, mit Dreiundsiebzig zog es ihn auch nicht mehr zurück.

Er schritt den verwitterten, einiger Maßen  vom Unkraut gereinigten Weg zum Krematorium entlang, und kam schließlich an eine Pforte, die er aufschloss. Quietschend fuhr sie zurück. „Könnte auch mal wieder `ne Ladung Öl gebrauchen“, sinnierte er vor sich hin, als er hindurch schritt. Ihm war natürlich klar, das der rostige, mit genommene Zaun lange nicht mehr in der Lage war, ungebetene Besucher abzuhalten. Die Mittel zur Instandhaltung waren sehr begrenzt, und lediglich eine Hand voll Rentner konnten auch nicht jeden Meter Zaun in annehmbaren zustand halten. So kam es auch öfter mal vor, dass er hier Jugendliche Paare, oder auch Gruftis erwischte, und wenn er die Morgenrunde machte, fand er auch immer mal wieder  Überbleibsel schwarzer Messen vor.

Nun ,im Dunkel der Nacht, wirkten der Bau und seine Umgebung doppelt unheimlich, und selbst ihm ,der nicht zu den schreckhaften Menschen gehörte, war doch schon etwas beklommen zumute.
Er schloss die Eingangstür auf, und betrat das alte Gebäude. Links ging es zu den Büros der Verwaltung und den Sozialräumen der Beschäftigten, geradeaus lag das Kühllager für die ankommenden, zur Verbrennung vorgesehenen  Särge, die hier noch einmal zwischen gelagert wurden, für den Fall, das die Gerichtsmedizin sie noch einmal untersuchen musste. Es gab in Corkys Erinnerung nur eine Handvoll  solcher Fälle, in der Zeit, in der er hier beschäftigt war.

Natürlich standen jetzt dort keine Särge mehr, und die Kühlanlagen waren längst außer Betrieb, wie auch die beiden großen Verbrennungsöfen, welche man erreichte, wenn man die Doppeltür rechts durchschritt. Wenn man eintrat, lagen linkerseits die Öfen mit dem vor geschalteten Schlitten, auf denen die Särge eingefahren wurden. Rechts, weiter Hinten, lag die Schaltwarte, von der aus die Öfen gefahren wurden. Sie lag darum weiter Hinten, weil sich vorher ein Raum mit einer Sichtscheibe befand, von dem aus Angehörige, den Sarg der verstorbenen Person beim Einfahren in den Ofen beobachten, und so noch einmal endgültig Abschied nehmen konnten.

Corky schritt alles ab, ging die Treppe hinter, die unter die Öfen, und zur Technik führte Zu den Behältern die die Asche auffingen, den Magnetabscheidern, die Metallteile, wie chirurgische Schienen aus der Asche sortierten, bis hin zu der Mühle, die die Asche mahlte, bevor sie in die Urnen gefüllt wurde.

Die ganze Technik stammte aus den Achtziger Jahren, in denen die Anlage modernisiert worden war. Nun hatte man ein ganz neues Krematorium gebaut. Das Leben ist eben Veränderung.

 Corky sah sich um, kontrollierte die verwaiste Werkstatt, und stellte  fest, das alles in Ordnung war. Er stieg die Treppe wieder hinauf. Was war denn das? Von Oben ertönte einlauter Knall, als ob eine schwere Tür mit Gewalt geöffnet wurde. Er lief schneller die Treppe hinauf, und plötzlich wehte ihm ein eisiger Hauch ins Gesicht, so dass er sich am Geländer fest halten musste.

„Hallo, wer ist da?“, rief er nach oben. Keine Antwort. Er stieg weiter nach oben, dabei spürte er plötzlich Wärme. „Aber hier wird doch gar nicht mehr geheizt“, sagte er zu sich selbst, und dann stellte er fest, das die Wärme vom Ofen neben ihm kam. er war jetzt am oberen Treppenansatz angelangt, und sah sich um. Hinter dem Einfahrtstor von Ofen 1 konnte man Glut erkennen. Das war doch gar nicht möglich!
„Das kann doch gar nicht sein, der Laden ist seit über Zehn Jahren außer Betrieb“, dachte Corky, beklommen, doch als er zu den Förderbändern sah, stockte ihm der Atem: Da stand ein Sarg darauf! Das war doch völlig verrückt. Was war hier los?

Fassungslos starrte er auf das Szenario vor ihm, das ihm so unwirklich vorkam, und doch klar sichtbar vor ihm stattfand. Nun spürte er den kalten Windhauch wieder. Diesmal kam er von der Seite, von Rechts. Corky drehte sich dorthin um, und was er sah, lies ihn vor Grauen erstarren. Im nächsten Moment spürte er einen heftigen Schlag gegen den Kopf, und ihm wurde schwarz vor Augen.

Als er mit bleischwerem Kopf erwachte, lag er auf einer gepolsterten Unterlage. Er wollte die Glieder recken, doch er prallte gegen Wände. Wo bin ich? Er wollte sich erheben, kam aber gar nicht richtig hoch, denn er prallte sofort an eine Decke oder einen Deckel? Angst erfasste ihn, die sich zu maßlosem Grauen steigerte, als ihm klar wurde: Ich liege in einem Sarg!
„Hallo Hilfe!“, brüllte er angstvoll  „holt mich hier raus!“
Doch niemand half, und plötzlich spürte er einen Ruck, der Sarg bewegte sich! In höchster Todesangst polterte er gegen den Deckel.
„Hilfe, Hilfe, ich bin hier drin, ich bin nicht tot, Hilfe“
Doch es half nichts. Im nächsten Moment spürte er die alles verzerrende Hitze des Feuers, Sekunden unerträglichen  Schmerzes, und dann eine gnädige Ohnmacht, aus der er niemals wieder erwachen sollte.

Aus dem Schornstein des alten Krematoriums stieg schwarzer Rauch auf, und drinnen stand eine unheimliche Gestalt vor dem Ofen, in dem es glühte. Zischen und Fauchen drangen aus dem Ofen hervor.
Der Unheimliche nickte zufrieden. Es würde Heute Nacht noch mehr Arbeit für den Ofen geben. Eine alte Prophezeiung würde sich nun erfüllen, und alte Schuld gesühnt werden, und über die kleine Stadt würde das Grauen herein brechen.  Von hier aus würde bald das Grauen über die kleine Stadt kommen. Dieser alte Wärter war nur der Anfang…

*
Das Klingeln riss ihn aus dem Schlaf. Paul Weller erhob sich müde. Er war früh ins Bett gegangen, weil er ein wenig erkältet war, aber als Polizeichef einer Kleinstadt hatte man hat immer Rufbereitschaft.
Er griff nach dem Handy auf seinem Schreibtisch, drückte den Knopf zum annehmen des Gesprächs, und raunte ein müdes „Hallo“ hinein.

„Wie? Rauch über dem alten Krematorium? In Ordnung, ich sehe mir das mal an.“
Unwillig glitt er aus dem Bett, und zog sich an. Er war Vierzig Jahre alt, groß gebaut, hatte schwarze Haare, die an Schläfen leicht angegraut waren, und ein schmales Gesicht mit einer etwas großen Nase und blauen Augen. Sein Streifenwagen stand quasi vor der Tür, denn Polizei-Oberkommissar Weller bewohnte eine Dienstwohnung über dem kleinen Polizei-Revier. Er war nach dem Tod seiner Frau aus der Stadt hierher in diesen Ort im Weserbergland gekommen, weil er Ruhe und Einsamkeit suchte.

Fünf Minuten später hatte er den Friedhof erreicht. Er hatte Schlüssel für alle öffentlichen Gebäude, aber das Friedhofstor war offen. Der Friedhofsleiter, der eine Dienstwohnung neben dem Friedhof hatte, empfing ihn.
Sieht aus, als würde er selbst bald reif für seinen Laden sein, dachte Paul, und tatsächlich, Albert Jörk wirkte wirklich irgendwie wie der leibhaftige Tod. Ausgemergelt, ein Glatzkopf mit einigen wenigen Haaren, die der Zahn der Zeit wohl übersehen haben musste, tiefliegende Augen, und hohe Wangenknochen, über die sich die Haut wie Papier spannte.

„Guten Abend Herr Jörk, was kann ich für sie tun?“
„ N, Abend, Herr Kommissar“, antwortete Jörk mit einer krächzend klingenden Stimme  „Tut mir leid, sie aus dem Bett geholt zu haben, aber sehen sie“,
 und damit wies Jörk hinter sich, wo der Schornstein des alten Krematoriums empor ragte, wie eine riesige Zigarre. Weller konnte nun ebenfalls den schwarzen Rauch sehen, der aus ihm quoll.

„Die Anlage dürfte nicht laufen, sie schon seit über zehn Jahren außer Betrieb, das dürfte nicht sein, da stimmt was nicht.“
„Hmm…, verstehe. Was meinen sie, wollen wir uns das mal ansehen.“
„Von mir aus, ich habe meine Schlüssel bei mir.“
Gut, steigen sie ein.“

Albert Jörk stieg zu Paul Weller in den Streifenwagen, und sie fuhren den Weg zum Krematorium hinauf. An seinem Ende stand schon ein Fahrrad.
„Das gehört dem alten Corky, ganz sicher“
„Nun, dann mist er da drin. Hat er solch eigenartigen Sinn für Humor?“
„Beileibe nicht, er sieht hier nach dem Rechten. Er hat ja selber lange dort gearbeitet“
„Alles klart, dann könnte er auch in Gefahr sein, gehen wir hinauf, und sehen wir nach.“

Sie gingen den Weg hinauf, und durch die Pforte. Vor ihnen türmte sich das Gebäude auf, und der Schornstein, aus dem weiten Rauch quoll.
„Gehen wir weiter“, sagte Weller…
*
„Mensch, das war knapp“, sagte  das Mädchen. Kira Grünwald war Siebzehn, hatte dunkelbraunes Haar, und ebensolche Augen.Sie war nicht ganz schlank, aber weit entfernt davon dick zu sein.
„Wenn uns der Weller hier gesehen hätte“
Ihr Begleiter, Mark Behtge,  war eine Art Gegenentwurf zu ihr: Groß, schlank, kurzes, blondes Haar und blaue Augen. Er war Achtzehn.

„Was macht denn der Bulle hier?“, fragte er gerade.
„Sucht wahrscheinlich wegen dem rauchenden Schornstein. Ist auch ziemlich merkwürdig. eigentlich ist der Laden doch seit Jahren nicht mehr in Betrieb. Ich frag´ mich sowieso, ob es nicht vielleicht besser ist, die Sache abzublasen. Ich meine, wie sollen wir da denn noch rein kommen. der Alte ist doch auch noch drin. Jedenfalls haben wir ihn noch nicht wieder raus kommen sehen“

„Am Besten, wir gehen um den Kasten herum, und in den Keller, da wollten wir uns ja sowieso treffen!“
„Robby!“, rief das Mädchen, und drehte sich zu Robert Brem um. „hast du mich erschreckt.
Robert war 18, und hatte wuscheliges, schwarzes Haar.
Kommt, die anderen warten schon  im Keller, ich hab´ grade mit Freddy telefoniert.Wir kriegen das schon hin, das sie uns nicht erwischen.

Sie gingen um das Gebäude herum, und kamen schließlich an einer alten, schweren Eisentür an, die angelehnt war.
„siehst du „sagte Robert, „sie haben für uns auf gelassen.“
Als sie die Tür öffneten, gab sie den Blick auf eine Treppe frei, die sie hinab stiegen. Unten angekommen, standen sie in einem Korridor, der Links und Rechts jeweils in einen dunkeln Gang führte. Geradeaus  war eine Tür.

„Die Tür“, sagte Robert. Kira öffnete sie Tür, und sie traten in den Raum dahinter ein. Gleichzeitig fiel oben die Tür krachend zu.
Als sie drinnen waren, blieben sie kreidebleich stehen, so entsetzlich war das, was sie sahen:

Da stand ein aschfahles, verängstigtes Mädchen in ihrem Alter.Daneben lag, bewusstlos, ein Junge, der aus dem Kopf blutete. Über ihm stand eine grauenhafte, fast Zwei Meter große Gestalt, die einen schweren, gusseisernen Schürhaken in der rechten Hand hielt.
Sie trug vermoderte, altertümliche, schwarze Kleidung, die teilweise in fetzen am ausgemergelten Körper hing.

Der Kopf des Unheimlichen war bis auf ein paar lange, weiße Haare kahl. Seine Haut, wo noch welche war, war verkohlt und voller Brandwunden.
Rote Augen, wie glühende Kohlen, lagen tief in den Höhlen des Schädels, an dem teilweise ganze Fleischfetzen fehlten, und sahen sie durchdringend ein.
„Willkommen“, sagte er mit einer knarrenden Stimme, in der nichts Menschliches lag.
Hinter ihnen fiel die Tür zu….

*
Pfarrer Josef Woelk saß kreidebleich und wie versteinert da. Er hatte die Kirchenchroniken neu geordnet, und dabei fiel ihm der Rest eines alten Tagebuches in die Hand. Es stammte von einem seiner Vorgänger, dem Pfarrer Wilhelm von Anderheim, und es war ein unheimliches Dokument. Es enthielt die Schilderung eines entsetzlichen Verbrechens, nämlich des grausamen Mordes an einem Grundbesitzer.
31.Oktober im Jahre des Herren 1615:

Es ist geschehen. Ich komme gerade von dem Ort des Verbrechens. Unser unausweichlicher Entschluss ist ausgeführt. Es musste sein, der war mit dem Teufel im Bunde .die Frau unseres Bürgermeisters hatte er verhext. Wir hoffen, mit seinem Tod ist sie wieder frei.
Wir haben Jeremias Brünn in seinem Haus eingeschlossen, sodann zündeten wir es an, das er darin verbrannte. Just, als das ganze Gebäude in Flammen stand, durchbrach er ein Fenster. Brennend, eine lebende Fackel, sprang er hinaus. Seine gellenden Schreie habe ich noch im Ohr, und noch mehr seine  schaurige Prophezeiung.

„Für das mir Heute Abend angetan wird , werden eure Nachkommen büßen, und wenn 500 Jahre vergangen sind, soll dieser ganze Ort in einem Feuersturm versinken, das schwöre ich, und wenn ich die Kräfte der Hölle dazu zu Hilfe nehmen muss!“ Danach brach er mit einem letzten schrei brennend zusammen und starb.
Gott schütze uns, und vergebe uns, was wir Heute Nacht getan.

Woelk  begann in anderen Chroniken nachzuforschen, und fand heraus, das Jeremias Brünn ein Außenseiter war. Ein Eigenbrötler, der aber Charisma besaß, und ein Verhältnis mit der Frau des Bürgermeisters hatte. Die Beschuldigung der Ketzerei und Teufelsanbetung war zu jener Zeit ein gängiges Mittel, um sich eines Rivalen zu entledigen, darüber hinaus lieferte sie ein hervorragendes Alibi, damit die Frau einer Anklage wegen Ehebruchs entging. Wenn sie verhext war, konnte sie nichts dafür.

Der Pfarrer schlug die Hände zusammen. Welch eine Niedertracht war hier begangen worden. Er sah sich Karten an, und stellte fest, das Brünns Haus genau dort lag, wo nun das alte Krematorium stand. Er ging ans Fenster seines Pfarrhauses, das neben der Kirche, direkt an den Friedhof angrenzte, und sah hinaus. Sah auf dem Hügel die Silhouette des alten Krematoriums, und den Schornstein, der rauchte. Sah ein Glühen in den Fenstern.

Er wandte den Blick auf seinen Kalender, und erstarrte. Konnte das…Nur ein Paar Sekunden später erhielt er die Bestätigung. Auf der Seite des aufgeschlagenen Tagebuches brannten sich plötzlich Zahlen und Buchstaben ein:A.D.31.10.1615, Dann ging das Buch in Flammen auf.
Josef sah auf, ging zum Fenster, und sah noch einmal hinaus zum Krematorium, und zu dem verkohlten Buch. Und er wusste, was er zu tun hatte.
Er legte sein Ornat und seine Schärpe an, und hing sich sein großes Kruzifix um

Er ging in die Kirche, füllte eine Flasche mit Weihwasser aus dem Taufbecken, dann ging er zum Altar und kniete nieder.
„Herr, gibt mir die Kraft zu tun, was ich tun muss, denn sonst erwartet diese Stadt ein Inferno!“
Er wandte sich entschlossen um, und ging…
*
„Willkommen in meinem Reich, zur Nacht des Feuers. Jenes Feuer, das einst mich verzerrte, soll nun diese Stadt verzerren, die ich vor so langer Zeit verfluchte, und ihr sollt es nähren.“
Von lähmendem Entsetzen gepackt, standen die Jugendlichen da, und blickten auf die Gestalt des unheimlichen, der ihnen diese schreckliche Drohung entgegen schmetterte, und sie mit glühenden Augen praktisch durchbohrte.

„Doch halt, ich merke gerade, ich habe Oben noch zwei Gäste, die das Höllenfeuer nähren wollen. So werdet ihr einstweilen warten, während ich mich ihrer annehme.“
Mit einem hässlichen Lachen entschwand er. Robert lief zu dem bewusstlosen, und kniete sich bei nieder, um dessen Vital-Funktionen zu prüfen. Mark rüttelte an beiden Türen, während Kira das verängstigte Mädchen zu trösten versuchte, obwohl sie selber Todesangst verspürte.
„Nichts“, sagte Mark tonlos, „Alles dicht, wir sind hier gefangen.“ Robert erhob sich mit ernstem blick von dem nieder geschlagenen. “Sein Schädel ist eingeschlagen“, sagte er, und das  Grauen war ihm anzuhören, „Er ist tot.“…
*
Weller und Jörk betraten das Gebäude. Zur Linken lag die Verwaltung. Gerade aus der Kühlraum für die, zur Verbrennung vorgesehenen, Särge mit Leichen. Aber ihr Ziel war die Halle mit den Öfen. Als sie eintraten, stockte ihnen der Atem.
Fackeln, die an den Fenstern angebracht waren, tauchten die Halle in gespenstisches Licht. Beide Öfen, schien es, waren angeheizt. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss. Sie liefen zurück, um sie wieder zu öffnen, doch vergeblich.
„Guten Abend!“
Sie wirbelten wieder herum, und bekamen im nächsten Moment einen schweren schlag gegen den Kopf, so dass es schwarz wurde.
*
Langsam, aber sicheren Schrittes, ging Pfarrer Woelk den Weg zum Krematorium hoch. Er wusste, was ihn erwartete. Heute Nacht, würde sich das Schicksal erfüllen. Er dachte an die Worte Christi, am Abend vor seiner Verhaftung: Herr, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen. Doch er wusste, dieser Kelch würde nicht an ihm vorüber gehen. Das Schicksal seiner Gemeinde, der ganzen Stadt stand auf dem Spiel. Vor ihm tauchte das Krematorium auf. Vor der Pforte blieb er kurz stehen. Dann schritt er entschlossen voran. Die Zeit der Entscheidung war gekommen…
*
Als Weller wieder zu sich kam, fühlte er, dass er an Händen und Füssen gefesselt war. Jedenfalls fühlte es sich so an. Er konnte die Glieder nicht bewegen. Den Kopf, der schmerzte, konnte er jedoch drehen, Er fühlte Blut an seiner Schläfe entlang rinnen, und sah mit Entsetzen den alten Jörk neben sich liegen. Das Blut an seinem Kopf und sein starrer Blick zeigten, dass er tot sein musste.

Paul wandte den Blick wieder nach vorn, auf das gespenstische Szenario, welches sich vor ihm abspielte. Vom Licht der Fackeln beleuchtet, standen dort Särge, vier Särge. Zwei von ihnen standen schon auf den Förderbändern, die sie in die Öfen fahren sollten.
In der Mitte, neben dem Band des Ofens, der am nächsten war, stand der riesenhafte Fremde, der allen möglichen Stellen verbrannt zu sein schien. Eine dämonische Macht ging von ihm aus. Sie war es, die Weller fesselte.

„Ah, aufgewacht. Nun denn, dann können wir beginnen. Bevor du selber dran bist, werde Zeuge, wie  meine jungen Opfer das Höllenfeuer nähren und entfachen, welches ich auf diese Stadt hernieder regnen lassen werde. Was mir dereinst angetan, sollen alle in diesem Ort erleiden. Mit Satans Hilfe vollende ich meine Rache!“
Damit wies er mit einer verbrannten, klauenartigen Hand auf die Anlage, und die Särge setzten sich in Bewegung. Die Öfen öffneten sich und gaben rotglühende Löcher frei, gleich einem Höllenschlund.

Zu seinem maßlosen Entsetzen, hörte Paul wie von innen gegen die Särge gehämmert wurden. Stimmen riefen von innen um Hilfe. Stimmen ,die ihm bekannt vorkamen. Stimmen Jugendlicher aus dem Ort, die er kannte. Er stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Der Unheimliche lachte schaurig, und die Särge fuhren in die Öfen ein…
*
Pfarrer Woelk betrat das Krematorium. Er wandte sich  Zielsicher nach  Rechts, und versuchte die Tür zu öffnen. Es ging nicht. Kurz verharrte er, dann nahm er sein silbernes Kruzifix, küsste es und drückte es gegen die Tür. Ein Zischen ertönte und sie ging auf. Der schob sie ganz auf, und trat hindurch. Da erscholl ein Schreckensschrei…
*
Das schaurige Lachen des Unheimlichen, und Pauls Entsetzensschrei vermischten sich, doch plötzlich wurde es von einem scharfen Ruf durchbrochen.
„Jeremias Brünn!“

Der Unheimliche und Paul drehten sich in Lichtung der Stimme um. Langsam, aber festen Schrittes kam der Pfarrer näher. Mit der einen. Er hielt das Kruzifix mit der linken Hand hoch. In der Rechten hielt er die Weihwasser-Viole.

Schon war er an die dämonische Gestalt heran gekommen, da hob er die Hand mit der Viole, und Weihwasser spritze dem Unheimlichen ins Gesicht. Ein lautes Zischen mischte sich mit dem erschreckten Aufschrei des Untoten, und ruckartig kamen die Särge Zentimeter in der Öffnung zu stehen, die an den Fußenden bereits angekohlt waren.

„Du willst ein Opfer?“, rief der Pfarrer „Du sollst eins haben, denn es war letztendlich die Inquisition, die dich verurteilte. Hier ist dein Opfer!“

Mit diesen Worten stürzte er sich auf das Monster und umfasste es, so, das sich das Kruzifix zischend gegen dessen Leib drückte. Dann drängte er es zum, ihnen nächststehenden, Ofen.
Mit einem Fußtritt schob er den Sarg beiseite, und drängte mit seinem Gegner der rotglühenden Öffnung zu. Er wandte sich kurz Paul zu, und rief: “Retten sie die Kinder!“, dann stürzte er sich und den sich verzweifelt wehrenden Unheimlichen mit einem gewaltigen Satz in den Höllenschlund.

Die Glut schlug über ihnen zusammen, und peitschte auf. Bläuliche Flammen schossen aus dem brodelnden Ofen heraus, der mit einem gigantischen Knall barst, dann verwandelte sich die Halle in ein loderndes Inferno…

*
Schon als der Pfarrer den Unheimlichen mit Weihwasser besprenkelte, spürte Paul Weller, dass er sich wieder bewegen konnte.
Sofort stand er auf.Trotz Schmerzendem Kopf und Schwindelgefühl erfasste er die Lage sofort.

„Wenn du ein Opfer willst…“, hörte er Woelk rufen, da war er schon bei den ersten Särgen, öffnete sie, und lies die Gefangenen heraus.
„Raus hier, schnell!“, rief er den verängstigten und verstörten Jugendlichen zu, dann lief er  zur Ofenanlage, um die Särge auf den Förderbändern zu öffnen. Zunächst, den, welchen der Geistliche vorhin zur Seite getreten hatte.

 „Retten sie die Kinder !“, hörte er den Priester noch rufen, als er die Beiden Jugendlichen, Mark und Kira, bei den Händen fasste, und mit sich zog. Kira hatte Tränen in den Augen.

Kaum waren sie vom Ofen weg, da knallte es schon. Der Ofen explodierte. Bläuliche Flammen züngelten um sie herum. Die Druckwelle der Explosion warf sie zu Boden. Sofort erhoben sie sich wieder, und kämpften sich zur Tür, wo die anderen beiden immer noch Standen. Mittlerer Weile war die ganze Halle ein Flammenmeer.

„Ich hab doch gesagt, ihr sollt hier raus. Worauf wartet ihr?“, rief Paul, und schob die Beiden weiter. In diesem Moment gab der Boden unter einem Ofen nach. Die ganze Anlage fiel mit Getöse in sich zusammen. Unten explodierte ein Heizölbehälter, und hier zerbarsten zwei Eimer mit Verdünnung.

Nun begriffen lösten sich auch die Beiden angesprochenen aus ihrer Erstarrung,  und gemeinsam flohen sie zur Tür, die bereits auch von Flammen umgeben  war. Gerade kamen sie noch durch. Paul schob seine Schützlinge voran, und hechtet als letztes nach draußen .Sekunden später fiel der Türrahmen hinter ihm zusammen, und gleich danach die Wand. Auch der Vorraum stand bereits in Flammen. Die Hitze raubte ihnen den Atem. Paul schob die Jugendlichen voran, und schließlich hatten sie sich ins Freie gekämpft.

Sie hasteten den Weg runter bis zum Auto. Dort verharrten sie hustend und Keuchend. als sie wieder Luft bekamen, wandten sie sich um, und sahen dorthin zurück, wo das gesamte Gebäude in Flammen stand. Es wirkte wie eine gigantische Fackel, welche den ganzen Ort in gespenstisches Licht tauchte.

Plötzlich schoss eine bläuliche Flammensäule senkrecht empor, und zerteilte sich in funken, wie eine Silvesterrakete, dann stürzte das Gebäude endgültig ein. In der Ferne hörte man Sirenen der Feuerwehr, doch zu löschen gab es jetzt nichts mehr.

Notärzte versorgten Paul und die Jugendlichen, während auch die letzten Reste des Gebäudes verbrannten. Schließlich stürzte auch der Schornstein ein. Das alte Krematorium gab es nicht mehr.

Erst am nächsten Tag konnte man die Überreste des toten Jungen, sowie Albert Jörk und des aus den rauchenden Trümmern bergen. Vom toten Pfarrer zeugte nur noch ein Klumpen Silber, der einmal sein Kruzifix war. Er wurde ins Pfarrhaus gebracht, wo man auch die alten unterlagen fand. Alles was man von Corky fand, war seine Identifikationsmarke aus der Militärzeit.

Der Ort, an dem das Krematorium stand, ist immer noch unheimlich, wenn nicht noch unheimlicher. Es heißt, ein Teil eines Ofens ist noch übrig, und ab und zu glüht es in ihm auf…

ENDE

Noch nicht genug gegruselt?Kein Problem:

                      Halloween 2014:Das Ding aus dem Watt