10.Das Geheimnis des Abtes
Savinius hatte einen Wegestein benutzt, um zu der Ruine
jenes Klosters zu gelangen, welches einst alle drei Bände des Zyklus von Mohrar
beherbergt hatte. Wenn das Feuer nicht alle drei Bände vernichtet hatte, konnte
es möglich sein, das der dritte Band noch hier war, obwohl, wenn jemand den
zweiten Band an sich gebracht hatte, warum hätte er den ersten und dritten hier
lassen sollen, es sei denn, sie sollten verbrennen, um zu verhindern, das die
Beschwörung rückgängig gemacht wurde.
Dies jedoch würde bedeuten, das mit Vorbedacht gehandelt,
und von langer Hand geplant wurde. Savinius hatte den Abt des Klosters gekannt.
Er hatte seine Novizenzeit, und Teile seines Mönch-Daseins hier verbracht. Doch
der Abt war tot. Leo –Johannes war ein Charismatischer Mensch gewesen, aber
auch ein unheimlicher, geheimnisvoller Mensch. Könnte er im Geheimen Studien
über den Zyklus von Mohrar und des unter gegangenen Volkes betrieben haben? Doch
wer hatte sie dann fort geführt.
Savinius schritt durch die zerstörte Eingangshalle, die
größtenteils im Freien lag. Nach dem Brand hatte man hier nichts Neues gebaut. Es
hieß, dieser platz wäre verflucht. so wurde das, was das Feuer vom Kloster
übrig gelassen hatte, dem Verfall überlassen. Der Abt Schritt durch einen modrigen, von Pflanzen behangenden Gang,
an dessen Ende sich eine schwere, massive Holztür befand, die nun Ruß
geschwärzt war.
Er schob die nun schwergängige Tür auf, deren rostige
Scharniere laut quietschten und knarrten, und stand in einem Büro, dessen
vorderen Teil ein wuchtiger Schreibtisch einnahm. Im hinteren standen große
Regale mit Büchern und merkwürdigen Geräten darin, sowie einen Tisch mit
Reagenzgläsern, einem Brenner, und einigen anderen dingen für Experimente. Alles
verstaubt und vermodert.
Auf dem Schreibtisch stand ein Tinten fass, eine Feder
daneben, ein Stapel vermodertes Papier und ein gelblich weiß schimmernder
Schädel. Savinius sah sich um, um hinweise auf das buch zu finden. Er ging an
den Regalen entlang. War es eventuell unter falschem Umschlag dort hinein
gestellt worden? Doch er fand nichts.
Plötzlich ertönte vom Schreibtisch eine tiefe Stimme „Du
suchst es?“
Savinius fuhr herum, und ging zurück, und ging zum Schreibtisch,
doch dort war niemand.
„Du suchst es?“, sagte die Stimme noch einmal, und Savinius
erkannte, das es der Schädel war, der sprach, und in dessen Augenhöhlen es rot
glühte.
„Irgendwann musste jemand kommen, das Buch zu suchen. Es
wurde von den anderen getrennt, denn sie dürften nicht zusammen in die falschen
Hände fallen. Mein Geist wurde hier hinein gesteckt, es zu bewachen, bis der
richtige kommt, es seiner wahren Bestimmung zuzuführen...“
„Wer bist du?“, fragte Savinius.
„Im Leben war ich Leo Johannes, Abt dieses Klosters. Dies
ist meine Sühne.“
„Sühne wofür?“
„Ich war ein Nachkomme jenes Volkes, das den Zyklus von Mohrar
schuf. Ich forschte in der Hoffnung , es wieder ins Leben zu rufen, doch ich
rief dunkle Mächte hervor, die das Kloster zerstörten .Jetzt, da sie sch anschicken,
entsetzlicher als zuvor zurück zu kehren, bist du hier, um das einzige zu holen,
das ihnen Einhalt gebieten kann.So nimm es dir !“
Und der Schädel drehte und hob sich, und mit ihm die Platte darunter.
Ein Fach wurde sichtbar, indem ein großes, in Leder gebundenes Buch war zu
sehen.
Savinius nahm es an sich, blickte noch einmal auf en Schädel
zurück, und verlies dann das Büro.
„Viel Erfolg!“, scholl es ihm nach.
Als er durch den Eingangsaals schritt, wurde er erneut
angesprochen. Diesmal von einer höheren Stimme.
„Du hast es also. Gut, denn die Entscheidung naht heran.“
Es war Lilith. Die Wildkatze saß auf dem steinernen, von Moos
und Flechten überwucherten Altar.
Savinius nickte, und zog einen weiteren Wegestein aus der
Tasche.
„Gut, gehen wir.“…