Viertes
Kapitel
Von einem ,der auszog, große
Politkarriere zu machen
Arnold Stabel saß an seinem Schreibtisch und ging die Post
durch. Er war ein mittelgroßer Mittvierziger ,nicht unbedingt schlank, aber
auch nicht dick, mit zurück gekämmten, grau melierten Haar, einer viereckigen
Brille und einem Allerweltsgesicht. Genau genommen war er ziemlich mittelmäßig
und aus einer Menschenmenge hätte er nicht hervorgestochen. Er war über die
Liste in den Bundestag gekommen, und weil er im Wahlkampf treuer Parteisoldat
war, und auch Überzeugungen über Bord
geworfen hatte, im Dienste der Partei ,die doch letztendlich immer Recht
hatte(Den Vorwurf des Opportunismus hatte er immer entrüstet zurück gewiesen),wurde
eigens für ihn ein Staatssekretärsposten im Kanzleramt geschaffen.
Natürlich war er stolz wie Bolle, als er davon erfuhr. Einen
besseren Karriereschub konnte es doch gar nicht geben. Bei seinen Fähigkeiten(von
denen zumindest er überzeugt war),war doch der Weg an die Spitze vorgezeichnet.
Schließlich konnte diese langweilige DDR-
Tuse da oben doch nicht ewig bleiben.
Doch schnell wich die Euphorie der Enttäuschung, denn dieses
Amt des „Staatssekretärs für Sonderaufgaben“ , wie es so schön hieß, war im Endeffekt
nichts anderes ,als ein Amt für jeden lästigen Dreckjob, den kein anderer machen
wollte. Von der Klopapier-Beschaffung für irgendwelche Ministerien und
Botschafter , bis zur Suche ,nach dem verlegten Schmuck oder dem entlaufenden
Hund ,irgendwelcher überkandidelter Diplomatengattinnen oder Versorgung von
Gastdiplomaten mit Hostessen, und ähnlicher Plunder. Dazu kam, als
Regierungsvertreter irgendwelche Termine in irgendwelchen Provinznestern
wahrzunehmen, um deren neugebaute Umgehungsstraßen einzuweihen. Nein, das war nun
wirklich nicht das, was er sich vorgestellt hatte.
Nun ging er die Post durch, die ihm seine einzige Mitarbeiterin,
seine Sekretärin Jana Ivers gereicht hatte. Das meiste waren belanglose Dinge.
Dann aber ,fiel ihm ein Brief von einem Landrat Gollner in die Hände .Er
öffnete ihn ,und begann zu lesen. Er stöhnte schon auf: “Och nö, nicht schon
wieder eine Dorfstraße in einem
Hinterwäldlerkaff einweihen“. Doch dann las er weiter, und seine Augen wurden
groß. Grenze? ,neuer Staat gegründet? Er schaute auf seinen Kalender. Nein,
Erster April war schon lange vorbei. Dann musste es wohl wahr sein! Aber eine
Gemeinde in Norddeutschland, die sich plötzlich unabhängig macht? Das gab´s doch
nicht.Andererseits war das vielleicht seine Chance, und er beschloss sie zu
nutzen. Also erst einmal weiterreichen, an die höheren Stellen. Und er handelte
.
*
Die Kanzlerin hatte zu einer Konferenz geladen. Neben ihr
waren ihr Kanzleramtsminister, der Innenminister samt Staatssekretär, die Verteidigungsministerin und der
Staatssekretär des auswärtigen Amtes.
„Einer kommt noch“, sagte der Kanzleramtsminister „So, wer ?“,
fragte seine Vorgesetzte „Stabel ,Staatssekretär für sonstiges“ „Wusste gar nicht, das wir so ein Amt haben. Muss
ich diesen Stabel denn kennen?“ „Och ,nicht wirklich .Er ist eines dieser karrieregeilen
,opportunistischen Arschlöcher ,die zu Hauf auf der Liste reinkommen. Aber
er hat uns ne´ Menge Stimmen in seinem Kreis eingebracht ,darum haben wir ihm
einfach ein bedeutungsloses Amt geschaffen, allerdings nach außen hin seine
hohe Bedeutung betont. Na ja, und nun ist er eben auf diese Sache gestoßen.“ „Gut
gut“.
Die Tür öffnete sich, und Stabel trat mit gewichtiger Mine
ein. „Guten Morgen!“ sagte in
würdevollem Ton .Einige erwiderten den Gruß, andere nickten ihm zu.
„Morgen Stabel“, sagte der Kanzleramtsminister „Nehmen sie Platz
und kommen sie gleich zur Sache“. Stabel setze sich neben ihn ,und öffnete den
mitgebrachten Aktendeckel.
„Also ,Vor jetzt zwei Monaten ,hat sich die Gemeinde
Gülleberg ,das liegt irgendwo zwischen Bremen und Oldenburg, für unabhängig
erklärt und ist aus der EU ausgetreten. Sie nennen sich nun Republik Fürstentum
Gülleberg. Man hat sich dabei ,auf ein Dokument aus dem 17.Jahrhundert berufen,
das ihnen als Fürstentum Unabhängigkeit garantiert.“
„Ist das wirklich so?“, wollte die Kanzlerin wissen
„Sieht so aus, aber das wird noch geprüft“
„Wie dem auch sei“, schaltete sich der Staatssekretär des Außenamtes
ein, „ Es kann doch nicht sein ,das sich jedes Dorf in Deutschland mal eben schnell
für unabhängig erklärt, wenn´s ihm passt“
„Ganz meine Meinung“, pflichtete die Kanzlerin bei ,und die
anderen nickten beifällig.
„Sie haben hier in Berlin schon ein Konsulat eröffnet“, fuhr
Stabel fort. „Darüber hinaus haben sie Grenzposten errichtet, was Auswirkungen
hat, auf Landwirte der Nachbargemeinden,
die Äcker auf güllebergischem Territorium…,ich meine, in Gülleberg haben .Außerdem
auch auf Unternehmen. Sie haben auch eine Neue Währung ,die Güllemark, und dann
haben sie Zölle verhängt ,um ihre Wirtschaft vor deutscher –und Eu-Billigkonkurrenz
zu schützen, so sagte ihr neuer Arbeitsminister, ein gewisser Ernesto Gebhardt,
Vorsitzender der sozialistischen Partei
und der Gewerkschaft.
„Was heißt hier Billig-Konkurrenz? ,wir sind lediglich
wettbewerbsfähiger“, giftete die Kanzlerin. „Äh, natürlich“, stimmte der
Kanzleramtsminister zu „Und den Niedriglohnsektor haben auch nicht wir geschaffen,
sondern ihr Vorgänger“
„Richtig“, sagte die Kanzlerin, „aber wir müssen ja nun was
tun, also Vorschläge?“
„Schicken wir die Bundeswehr“,schlug die
Verteidigungsministerin vor „Wäre das nicht ein Auslandseinsatz ?", "Also wenn
die jetzt unabhängig sind“, warf der Außenamtsvertreter ein.
„Quatsch, das ist immer noch Deutschland".sagte der Kanzleramtsminister, "Natürlich bräuchten wir
einen Vorwand.Wie wär ´s ,wenn wir sagten, das Putin, jetzt auch Teile
Deutschlands annektieren will?“ „Was soll der denn mit so einem Kaff wollen,
das wird doch keiner glauben“, sagte der Innenminister .
„Komm, den Leuten, haben wir schon so viel vormachen können,
das können wir denen auch noch glaubwürdig machen .Da erfinden wir noch ein
paar Geschichten über Menschenrechtsverletzungen ,und dann klappt ´s schon.“
„Wenn ich mal was vorschlagen dürfte“ ,meldete sich Stabel „Wir
können das auch subtiler anfangen. Ohne Bundeswehr. Wir müssen nur einen
kleinen Staatsstreich inszenieren. Wir schicken einen Agent Provokateur, der sie
aufwiegelt. Wir propagieren, das es Leute sind ,die den Anschluss an Deutschland
wollen, und das es uns um den Schutz unserer Bürger in Gülleberg, vor einer
,von Moskau gesteuerten Regierung geht, und
holen es uns so zurück.“ „Hmm“, machte die Kanzlerin „hätten sie denn jemand
für diese Aufgabe?“ „Sicher. Ich habe
Kontakt zu einem gewissen Paul Heimlich, ehemaliger BND-Agent, der Erfahrung in
solchen Dingen hat.Der könnte undercover nach Gülleberg gehen.“ „Aber kann man
wirklich glaubhaft machen, das Russland irgendein Interesse haben könnte die
Regierung eines Provinzkaffs zu Kontrollieren?“ „Nun, dafür haben wir ja die
Kollegen von der Presse, die sind da ja sehr einfallsreich.“
„Nun gut“, sagte die Kanzlerin, „dann ernenne ich sie zum
offiziell Beauftragten für diese Aktion, und lege alles in ihre Hände. Ich muss
ja nicht betonen, das alles ,was hier besprochen wurde, geheim ist.“
Der sichtlich geschmeichelte Stabel entfernte sich. “Sagen
sie“ ,meinte der Kanzleramtsminister „halten sie es für klug, diesem schleimigen
Emporkömmling eine solche Aufgabe zu übertragen?“ „Sicher, und wenn es schief
geht ,ist er auch der allein Verantwortliche für die Folgen.Ansonsten habe ich mit einer
klugen Entscheidung diese Krise bewältigt,“ , kicherte die Kanzlerin „Ah, verstehe,
dann ist es natürlich genial“
Und über Gülleberg braute sich etwas zusammen.