Drittes
Kapitel
Erzählt von den ersten Gehversuchen
eines jungen Staates
Der vorher geschilderten, folgten noch weitere Sitzungen, in
denen ein Wahlausschuß gebildet und ein Wahltermin festgelegt wurden. Die
Organisation der Wahl war nicht sonderlich kompliziert, da sowohl Bevölkerung,
als auch politische Landschaft in Gülleberg sehr übersichtlich waren, und so begann
begann der Wahlkampf.
Gleichzeitig wurden die Grenzzäune gezogen und die Zollposten eingerichtet, und
damit gab es auch die ersten Komplikationen.
Erstes Opfer dieser Komplikationen war der Landwirt Frerk
Meier aus der Nachbargemeinde, der am Rande von Gülleberg eine Grünlandfläche
hatte ,die nun allerdings hinter dem Grenzzaun war.
Gerade war er mit seinem Traktor auf dem Weg dorthin, als er
abrupt stoppte. Vor sich den Grenzzaun, eine Schranke und ein Zollhaus.
Zunächst dachte er an eine Halluzination oder einen Scherz, aber
im nächsten Moment kamen zwei Männer in Uniformen ,stellten sich vor ihn und
einer rief: „Halt, Zollkontrolle, Motor abstellen!“ Er stellte den Motor ab und
rief „Was wird das hier, macht ihr Scherze?“ „Sehen sie uns lachen?“, entgegnete
der erste Uniformierte, der ihn vorhin schon angerufen hatte. „Sie wollen in
die Republik Fürstentum Gülleberg einreisen, da müssen wir die Grenzmodalitäten
erledigen.“
Frerk Meier hätte wohl kaum erstaunter blicken können, wenn
er die Nachricht bekommen hätte ,das seine Kuh Ferkel geworfen habe. Sein Blick
fiel auf die Flagge ,die neben dem Zollgebäude stand. Sie war grün mit einem
Goldrand, und trug ein Wappen in der Mitte mit einer Fürstenkrone ,darüber
dreieckig angeordnet die Buchstaben R,F und G in verschnörkelter Schrift.
„Seid ihr wahnsinnig geworden?“ „Im Gegenteil“, meinte der zweite
Zöllner .„Also, was zu verzollen haben sie offenkundig nicht. Aus welchem Grund
wollen sie einreisen?“
„Aus welchem Grund?“, schrie der Bauer „Ich hab da ne´ Grünfläche
,die will ich mähen!“
„Aha, also beruflicher Aufenthalt für ein paar Stunden, da
brauchen sie also ein Tagesvisum, macht 80€,also jetzt noch Euro. Ach, und dann brauchen
wir natürlich noch ihren Reisepass, denn wir gehören nicht zur EU.“
Der berühmte Spruch „Wenn Blicke töten könnten", traf auf den
Blick, den Meier den Beiden zu warf wohl mehr als zu.
„Glaubt ihr allen Ernstes, ich habe meinen Reisepass dabei, wenn
ich zum Acker fahre? Geschweige denn , das ich jedes Mal 80 € bezahle, wenn ich
dorthin will!“ „Sie können auch ein Jahresvisum beantragen“, sagte der erste Zöllner
„macht dann 200 €, aber bald haben wir die Güllemark. Aber ohne Pass können wir
sie nicht einreisen lassen.“
Frerk umklammerte krampfhaft das Lenkrad seines Traktors ,um
das Zittern vor Wut zu unterdrücken.
„Ihr zwei Pfeifen lasst mich jetzt zu meiner Grünlandwiese, sonst
gibt´ s Ärger“
„Erstens war das Beamtenbeleidigung, und zweitens ohne Pass
und ohne Visum bleiben sie draußen. Ach, und wenn sie hier einen
Grenzzwischenfall provozieren ,kann das diplomatische Verwicklungen zur Folge
haben.“
Man merkte es Frerk Meier an, das er sich gerade überlegte
,ob er den Beiden den Hals umdrehen oder einfach durch die Schranke brettern
sollte .Schließlich entschied er sich für friedlichste Variante .“Ich werde
jetzt zurück fahren und mich an meinen Bürgermeister und den Landrat wenden.“ „Tun
sie das. Schönen Tag noch“, war die stoische Antwort. Frerk schmiss seinen Traktor
an, und fuhr davon.
*
In Gülleberg saß Bürgermeister genervt an seinem
Schreibtisch, denn auf dem Marktplatz nebenan fand die Wahlkampfveranstaltung
der neuen sozialistischen Partei statt, und deutlich konnte er die flammende
Rede von Ernesto Gebhardt hören.
Ein Beamter trat ein, legte eine Akte und eine Brief auf den
Schreibtisch.
„Vielleicht hätten wir denen den Marktplatz verbieten sollen“,
sagte er und wies nach draußen.
„Um Gottes Willen ,entgegnete Mummsen „dann kommt er mit
mangelnder Demokratie und organisiert Demos und will Revolution machen, das ist
das letzte was wir brauchen!“
So lief der Wahlkampf weiter, und am Ende gewann die
Volkspartei knapp vor den Sozialisten mit einer stimme Mehrheit, so das eine
Zusammenarbeit wohl unumgänglich war.
Der junge Staat bekam seine erste Regierung, und die führte
die Güllemark als offizielle Währung ein.
Der Vorfall an der Grenze hatte indes folgen, denn der
Bürgermeister der Nachbargemeinde und
der Landrat wendeten sich an die Landesregierung und die an Berlin. Aber nicht
nur dadurch bekam die hohe Politik Kenntnis von dem neuen Staat, sondern auch
dadurch, das im ehemaligen Büro einer Anwaltskanzlei in Berlin die Botschaft
der Republik Gülleberg eingerichtet wurde. Und so begann Gülleberg zum hohen
Politikum zu werden.