Die Geisterkogge
Habe ich euch schon einmal von der Geisterkogge erzählt? Nun
gut, dann tue ich es jetzt. Es muss voraus geschickt werden, das Bremen ja eine
Hansestadt ist, und sich die Kaufleute im 14.Jahrhundert zum Transport von
Waren der Koggen bediente. Jener bauchigen Schiffe mit einem Segel und 20-25
Metern Länge, von denen es Heute Nachbauten gibt, wie die „Roland von Bremen“.
Um eine solche Kogge geht es auch in dieser Geschichte.
Allabendlich kann man sie beobachten, wie sie die Weser hinauf fährt .Scheinbar
von unsichtbarer Hand gelenkt, weil kein Mensch an Bord zu sehen ist, und weil
auch ,wenn kein Wind oder nur ein laues Lüftchen weht, das Segel stets gebläht
ist.
„Trutz Blanke Hans“, steht an ihrer Seite , in, mit
Blattgold verzierten, verschnörkelten Lettern. So gleitet sie in der Dunkelheit
durch das Wasser der Weser, staunend
beobachtet von jenen die Beruf oder Gewohnheit noch draußen sein lässt.
Schließlich legt sie an der Schlachte an, und wer sie dort
liegen sieht, fragt sich, wie es mit ihrem Mast geschafft hat, unter der Brücke
hindurch zu kommen.
Und nun? Da regt sich
etwas an Bord. Gestalten beginnen das Schiff zu entladen, und Ballen und
Felle an Land zu schaffen, wo sie verschwinden.
Und immer, wenn die Kogge vor Anker liegt, geht durch die
engen Gassen des Schnoor, der bekanntlich in früheren Zeiten das
Kapitänsviertel war, ein Mann in altertümlicher Gewandung. Groß, massig und
kräftig, mit einem grobschlächtigen, wettergegerbten Gesicht, dessen untere
Hälfte ein wilder, struppiger Bart bedeckt.
Vor einer Schänke bleibt er stehen, und kehrt dann ein, auch
wenn geschlossen ist. Der Wirt kennt schon den unheimlichen Gast, der stets
einen Humpen Wein bestellt ,und eine Goldmünze auf den Tisch wirft.
Dann sitzt er dort,
eine halbe Stunde vielleicht, und ist, wenn der Wirt mal wieder nach ihm sieht,
verschwunden. Der Humpen aber, steht noch wohl gefüllt auf dem Tisch.
Nun, eines Tages blätterte unser Wirt im Schnoor in alten
Archiven der Schänke. Dabei fand er ein Bild, das aufs Haar seinen seltsamen,
regelmäßigen Gast zeigte, und er erschauerte. „Hauke Stehnsen, der fluchende
Kapitän, 1374“, stand darunter zu lesen. Ein roher Geselle war er, wusste die
Chronik zu berichten, wie auch seine Mannschaft der „Trutz blanke Hans“ ,die
gerade zu berüchtigt war. Bedenkt man, das in jenen Zeiten sowieso auf See raue
Sitten herrschten, so mochte dies und die Bezeichnung „fluchender Kapitän schon
etwas heißen, und so war es auch.
Er und seine Mannschaft waren Trunk, Spiel und Vielweiberei
über Gebühr zugetan, ebenso allem, was schnelles Geld versprach, z.B. das
einbehalten von Fracht und Verkauf auf eigene Rechnung .Klar ,das da auch ein
entsprechender Umgangston unter ihnen herrschte, aber wenn Stehnsen zu fluchen
begann, und das war oft der Fall, sollen sogar die Wände rot geworden sein,
daher sein Beiname.
Eines Nachts nun, waren sie auf dem Rückweg von Nowgorod
nach Bremen bereits in der Wesermündung .Es herrschte gerade ein Gewitter, und
entsprechend schwer war die See. Da trat der Kapitän, vom Weine reichlich
berauscht, an die Reeling des schaukelnden Schiffes ,sah nach oben in den
dunklen, wolkenverhangenen Himmel, und schrie mit donnernder Stimme in die ,Regen
und Wind gepeitschte ,Nacht:
“Gott, willst du mich hindern ,mein Ziel zu erreichen? Ich
fürchte dich nicht ,Ich verlache dich! Willst du mir nicht helfen, so mag mich
der Teufel nach Bremen bringen, ich bringe meine Fracht ans Ziel!“
Ob es die Strafe für seine gotteslästerliche Flucherei war
oder Laune der Natur: Plötzlich blitzte es vom Himmel grell auf ,der Blitz fuhr
in den Kapitän, und es brach ein Unwetter auf, wie man es vorher nie gesehen
hatte.
Stehnsens Schiff
kenterte und Versank mit Mann und Maus, und nachdem das geschehen war,
beruhigte sich das Wetter plötzlich.
Seit dieser Zeit ,berichten die Chroniken von der
unheimlichen Kogge, die beständig die Weser herauf fährt, um zu halten, was ihr
Kapitän einst versprach, und ihre Ladung abzuliefern.
Und so kann man sie auch heute noch sehen, Kapitän Stehnsens
Geisterkogge.