Teil 2:Die Reise
11.Mai 2025,Morgens, irgendwo in Belgien, nahe der französischen Grenze
Nun habe ich wieder Zeit fürs
Tagebuch. Celia duscht, und macht sich
frisch fürs Frühstück. Ich habe die Morgen-Toilette schon hinter mir, und will
versuchen, den letzten Tag Revue
passieren zu lassen.
Es war später Nachmittag, als wir
in Brügge ankamen. Auf dem Bahnhof herrschte, wie auf anderen Bahnhöfen großer Städte, reges Leben. Aus Zügen stiegen
Menschen aus und in andere ein, flanierten über den Bahnsteig und blieben an Imbiss
-Ständen oder Kiosken stehen. Beobachtet von Uniformierten mit Maschinenpistolen,
die auf Podesten, hoch über den Bahnsteigen, standen und alles im Auge hatten.
Aber auch auf dem Bahnsteig sah ich jene Männer in dunklen Anzügen, die mit
finsterer Miene in die Menge blickten. Immer gegenwärtige Vertreter der
Staatsmacht und Werkzeuge der totalen Überwachung durch den „großen Bruder“,
der seinem Volk nicht traute. Ob sie eventuell auch nach uns Ausschau hielten?
„Und jetzt?“, fragte Celia
„Gleich zu ihm, oder erst mal in ein Hotel?“
„Ja, zu dumm, das wir keine
Telefon-Nummer von ihm haben, sonst könnten wir ihn jetzt anrufen, und uns
ankündigen.“
„Moment“, meinte sie „Vielleicht
können wir das doch“
Sie sah sich kurz auf dem
Bahnsteig um, ging schließlich zu einer Telefonzelle, und nahm das dort
liegende Telefon-Buch zur Hand.
„In Belgien wird flämisch und
französisch gesprochen, und zumindest französisch beherrsche ich. Hab´n Paar
Jahre in Paris gelebt.“
Sie schlug das Buch auf.
„Ha, in französisch und flämisch.
Wie heißt er noch gleich?“
„Drees de Gruyne, und wohnt in
der Wyngaardtstraat“, antwortete ich, und buchstabierte.
Sie suchte kurz.
„Ah hier ja, das ist es.“
Sie kramte einen Kugelschreiber
aus ihrer Jackentasche, riss die untere Ecke aus der Seite und schrieb die
Nummer auf. Ich wollte sie grade fragen, warum wir nicht gleich anrufen wollten,
da sagte sie schon:
„Ist besser, wenn wir erst mal
aus dem Bahnhof raus kommen.“, und wies auf einen dunkel gekleideten,
vierschrötigen Mann, der uns scharf ins Auge gefasst hatte. Neben ihm tauchte
ein Zweiter auf.
Ich verstand. Unter dem Blick der
Zwei, verließen wir die Telefonzelle und den Bahnsteig, schließlich auch das
Bahnhofsgebäude. Draußen suchten wir uns eine andere Zelle, von der aus Celia
die Nummer wählte. Es meldete sich jemand am anderen Ende, mit dem sie auf
französisch sprach. Schließlich hängte sie ein, und wandte sich an mich:
„Wir sollen in zwei Stunden bei
ihm sein, Zeit genug, ins Hotel zu gehen, kurz frisch zu
machen, und was zu essen. Ach ja,
wir sollen das Testament mitbringen.“
Wir gingen also in ein Hotel in
der Nähe. Bewusst wählten wir ein kleineres Haus, in der Annahme hier sicherer
zu sein. Vorher kaufte ich in einem Geschäft Toiletten-Artikel und Kleidung,
wobei mir Celias Französisch-Kenntnisse nützlich waren, obwohl das Personal
dort leidlich auch der deutschen Sprache mächtig war. Ich begann die Vorzüge
des ererbten Bank-Kontos langsam zu schätzen.
Brügge ist eine alte Hansestadt
und war im Spätmittelalter eines
der Zentren der Textilindustrie und
des Fernhandels in Europa und damit eine der Geburtsstätten des
Frühkapitalismus In der Stadt residierten zeitweise die Herzöge von Burgund, unter deren Herrschaft
Brügge zu einer der wirtschaftlich und kulturell reichsten Städte im damaligen
Europa wurde.
Nachdem wir gegessen hatten, nahmen wir uns ein Taxi, um zu
De Gruyne zu fahren. Die Wyngaardtstraat liegt in der Nähe des Begijnhofes in
der Nähe eines jener Kanäle, welche die Stadt durchziehen, und dort Reien
genannt werden.
Während der Fahrt bemerkte ich ein dunkelgraues Coupe, das
uns in einiger Entfernung folgte.
Ich machte Celia darauf
aufmerksam. Sie nickte. Auch unser Chauffeur schien den Verfolger bemerkt zu
haben, fuhr plötzlich schneller, und
schlug Haken. Schließlich kamen wir am Ziel an. Ich hatte mich nicht mehr
umgesehen, war aber sicher, dass unsere Verfolger nicht aufgegeben hatten.
Wir stiegen aus, und gingen zum
Haus. Noch bevor wir an der Tür waren, wurde diese geöffnet, und ein hoch
gewachsener Mann mit weißem Haar und
einem hageren Gesicht mit Oberlippenbart und hellblauen Augen trat
heraus.
„Kommt herein, schnell!“, raunte
er uns in gebrochenem Deutsch zu, und wies uns mit einer Handbewegung herein.
Als wir an ihm vorbei, und ins
Haus traten, bemerkte ich, dass er in Richtung unseres Taxis sah, und ein
Zeichen gab.
Er wies uns ins Wohnzimmer. Hier
war bereits ein Kaffee-Gedeck für Drei aufgelegt worden.
„Setzt euch“, sagte er, und wies
uns Sessel in der im altertümlichen Stil eingerichteten Stube zu. Wir setzten
uns auf ein kleines Sofa, und er nahm uns gegenüber Platz.
„Nun“, sagte er, und fasste mich
ins Auge „Du bist also Alfred Kolbs Sohn. Hätte nicht gedacht, das dieser Tag
noch kommen würde. Hast du…“
Ich holte das Testament hervor,
und reichte es ihm. Er las es kurz durch, und gab es mir dann zurück.
„Ja, du bist es also wirklich“,
sagte er. Dann erhob er sich, verlies kurz das Zimmer und kam nach wenigen
Minuten zurück. Er hielt einen dicken Umschlag in der Hand, den er mir reichte.
„Das sollst du erst öffnen, wenn du die anderen hast. Alle drei Teile des
Geheimnisses müssen zusammen gesehen werden.“
Ich betrachtete sinnend den
Umschlag in meiner Hand. Celia ebenso. Ich sah ihn an.
„Wissen sie, was drin ist?“
„Ich habe ihn nie geöffnet“,
antwortete De Gruyne „Gleichwohl, ich vermute es. Ich war ein guter Freund
deines Vaters. Du weißt, für wen er gearbeitet hat.“
„Ja“
„Ja, natürlich weißt du es. Darum
bist du ja auch hier. Dein Vater vertraute mir das da an.“ Er wies mit dem Kopf
auf den Umschlag in meiner Hand „Das war vor etwas mehr als einem Jahr. Drees,
hatte er gesagt, in diesem Umschlag steckt etwas, von dem der Erfolg der
Rebellion gegen die Diktatur abhängt. Sorge dafür, das mein Sohn das bekommt,
aber nur er.“
„Mein Vater war also tatsächlich
im Widerstand?“
„Er war einer der führenden
Köpfe“
„Dann gehe ich wohl Recht, das
sie auch im Widerstand sind“
„So ist es, und auch der
Chauffeur, der euch her gebracht hat. Wir wussten von einem Verbindungsmann in Bremen,
das ihr kommt, und unsere dunklen Freunde wissen es mittlerer Weile auch.“
„Ja, wir haben sie auf dem Bahnhof
gesehen. Sie haben uns auch verfolgt.“
„Wahrscheinlich kennen sie auch
euer Hotel, aber das sehen wir noch. Inzwischen seid ihr gewisser Maßen
berühmt. Er sah auf die Uhr, dann stellte er den Fernseher an. Es lief eine
Nachrichtensendung, in flämisch, französisch und deutsch. Grade hörten wir die
Suchmeldung.
„Gestern Abend sind in Bremen ein Mann und
eine Frau den Ordnungskräften entkommen, denen Bemühung gegen die Sicherheit
des Staates zur Last gelegt werden. Es handelt sich um Tobias Schobert und
Celia Chiang, jeweils 25 Jahre alt...“, unsere Bilder waren zu sehen „… Nach
ihnen wird vom Polizei- Ministerium
gefahndet. Zweckdienliche Hinweise nimmt das Ministerium und jede
Polizei- Dienststelle entgegen. Jeder Versuch, ihnen zu helfen wird streng
bestraft. Das Ministerium lässt ebenfalls verlauten, das ihre Flucht notfalls
auch mit der Schusswaffe aufzuhalten sind.“
Celia und ich sahen uns beklommen
an. Nun waren wir vogelfrei! Das das irgendwann kommen würde, war klar, aber so
schnell?
„Tja, ihr seid in
Schwierigkeiten, aber keine Sorge, ihr habt Hilfe. Kommt.“ wir erhoben uns ,und
er führte uns in den Keller. Hier reichte er uns Mäntel und Mützen. „Zur
Tarnung“, sagte er.“ Unser Freund, der Chauffeur ist gerade mit zwei Attrappen
unterwegs zu eurem Hotel“ er grinste „Die hatte er schon im Kofferraum“
Wir gingen durch die Kellerräume,
und kamen schließlich in einen Hinterhof-Garten, den wir durchschritten. An der
Pforte stand ein Mann im braunen Mantel, der eine Schiebermütze trug, welche er
tief ins Gesicht gezogen hatte. „Das ist Pierre“, sagte Drees. Der andere
nickte uns zu.
„Folgt mir“, sagte er kurz. Er
führte uns an den Kanal, an dem ein kleines Boot lag, das zur Hälfte mit einer
Persenning bedeckt war.
„Steigt ein“, sagte er, und wies
mit der Hand auf das Boot. Zwar hatten wir noch unsere Sachen im Hotel, aber
daran konnten wir jetzt nicht denken. Wir stiegen also ins Boot. Pierre löste
die Leinen, und sprang dann auch ins Boot, das dadurch ein wenig ins Wackeln
geriet. Er ging nach hinten, lies den Aussenboarder ins Wasser, zog ihn an,
ergriff das Ruder, und lenkte das Fahrzeug in die Mitte des Kanals.
Eine Weile fuhren wir, dann
fluchte Pierre plötzlich:
„Mist ein Patrouillenboot.“ Tatsächlich tauchte vor uns ein graues Boot
auf, das in der Dämmerung gerade noch zu sehen war, und mit einem starken
Scheinwerfer das Wasser beleuchtete „Hoffentlich haben sie uns noch nicht
gesehen“
Doch schon hörten wir eine
Lautsprecherstimme: “Halten sie ihr Boot an, wir kommen längsseits zur
Kontrolle“
„Merde“, stieß Pierre hervor,
riss das Gas hoch, und jagte mit dem kleinen Boot auf das Polizei-Boot zu, und
daran vorbei, wobei sich die Rümpfe leicht berührten.
Gleich dahinter ging rechter hand
ein Stichkanal hinein, in den Pierre einbog. Hinter uns wendete das
Patrouillen-Boot, um die Verfolgung aufzunehmen.
Pierre fuhr den Stichkanal entlang,
dann wendete er das Boot, und legte es an die Mole zwischen mehreren anderen Booten,
und schaltet den Motor aus.
„Unter die Persenning!“ rief er
uns zu. Wir gehorchten, und er sprang aus dem Boot, befestigte es, und zog die
Persenning vollständig über das Boot, dann schien er sich zu entfernen.
Nur kurze Zeit später hörten wir
das Röhren eines Motors näher kommen. die Patrouille! Wir hörten das Boot an
uns vorbei kommen. Durch Ritzen in der Persenning schien das Licht herein, mit
dem sie den Kanal ausleuchteten. War es überhaupt noch möglich zu entkommen?
Ich schloss ab…