Hier meine diesjährige kleine Horror-Geschichte zu Halloween.Achtung:Nichts für Kinder!
Düster und drohend stand es da auf dem Hügel am Rande des
Zentral-Friedhofes, das alte Krematorium. Nun war es seit bald Zehn Jahren
außer Betrieb. Die neue Anlage lag zentraler, in der Mitte des Friedhofes, bei
der Kapelle Sie war natürlich moderner, und heller gestaltet.
Das alte Krematorium war ein Backsteinbau, an dem der Zahn
der Zeit nun stark nagte. Hier und da bröckelten Teile der Mauern ab. Durch
beschädigte Fensterscheiben durchzog kühle Luft das alte Gebäude. An den
großen, gusseisernen Öfen nagte der Rost, ebenso an den Schlittenanlagen, mit
denen die Särge hinein gefahren worden waren.
Dennoch war die Anlage zuweilen immer noch Treffpunkt für
Jugendliche oder für Paare, die hier ganz ungestört sein wollten, und es auch
konnten, denn in diesen abgelegenen Teil des Friedhofes verirrte sich kaum noch
jemand. Hier sollte es umgehen, hieß es, und düstere Geschichten von Menschen,
die hier verschwanden, machten die
Runde.
Auch Corky kannte diese Geschichten. Er hatte hier bis zu seiner
Rente gearbeitet, und die Särge eingefahren, sowie die Anlage gewartet. Just
als sie endgültig den Betrieb beendete, ging auch er in Rente. Seitdem sah er
hier nach dem Rechten, und versuchte das alte Gebäude einiger Maßen in Stand zu
halten. Im Wechsel mit einigen anderen „Ehemaligen“.
Ursprünglich stammte er aus Irland. Der Liebe wegen war er
hier her gezogen. Doch mittlere Weile war seine Frau verstorben. Und jetzt, mit
Dreiundsiebzig zog es ihn auch nicht mehr zurück.
Er schritt den verwitterten, einiger Maßen vom Unkraut gereinigten Weg zum Krematorium
entlang, und kam schließlich an eine Pforte, die er aufschloss. Quietschend
fuhr sie zurück. „Könnte auch mal wieder `ne Ladung Öl gebrauchen“, sinnierte
er vor sich hin, als er hindurch schritt. Ihm war natürlich klar, das der rostige,
mit genommene Zaun lange nicht mehr in der Lage war, ungebetene Besucher
abzuhalten. Die Mittel zur Instandhaltung waren sehr begrenzt, und lediglich
eine Hand voll Rentner konnten auch nicht jeden Meter Zaun in annehmbaren
zustand halten. So kam es auch öfter mal vor, dass er hier Jugendliche Paare,
oder auch Gruftis erwischte, und wenn er die Morgenrunde machte, fand er auch
immer mal wieder Überbleibsel schwarzer
Messen vor.
Nun ,im Dunkel der Nacht, wirkten der Bau und seine Umgebung
doppelt unheimlich, und selbst ihm ,der nicht zu den schreckhaften Menschen
gehörte, war doch schon etwas beklommen zumute.
Er schloss die Eingangstür auf, und betrat das alte Gebäude.
Links ging es zu den Büros der Verwaltung und den Sozialräumen der
Beschäftigten, geradeaus lag das Kühllager für die ankommenden, zur Verbrennung
vorgesehenen Särge, die hier noch einmal
zwischen gelagert wurden, für den Fall, das die Gerichtsmedizin sie noch einmal
untersuchen musste. Es gab in Corkys Erinnerung nur eine Handvoll solcher Fälle, in der Zeit, in der er hier
beschäftigt war.
Natürlich standen jetzt dort keine Särge mehr, und die
Kühlanlagen waren längst außer Betrieb, wie auch die beiden großen
Verbrennungsöfen, welche man erreichte, wenn man die Doppeltür rechts
durchschritt. Wenn man eintrat, lagen linkerseits die Öfen mit dem vor
geschalteten Schlitten, auf denen die Särge eingefahren wurden. Rechts, weiter
Hinten, lag die Schaltwarte, von der aus die Öfen gefahren wurden. Sie lag darum
weiter Hinten, weil sich vorher ein Raum mit einer Sichtscheibe befand, von dem
aus Angehörige, den Sarg der verstorbenen Person beim Einfahren in den Ofen
beobachten, und so noch einmal endgültig Abschied nehmen konnten.
Corky schritt alles ab, ging die Treppe hinter, die unter
die Öfen, und zur Technik führte Zu den Behältern die die Asche auffingen, den
Magnetabscheidern, die Metallteile, wie chirurgische Schienen aus der Asche
sortierten, bis hin zu der Mühle, die die Asche mahlte, bevor sie in die Urnen
gefüllt wurde.
Die ganze Technik stammte aus den Achtziger Jahren, in denen
die Anlage modernisiert worden war. Nun hatte man ein ganz neues Krematorium
gebaut. Das Leben ist eben Veränderung.
Corky sah sich um,
kontrollierte die verwaiste Werkstatt, und stellte fest, das alles in Ordnung war. Er stieg die
Treppe wieder hinauf. Was war denn das? Von Oben ertönte einlauter Knall, als
ob eine schwere Tür mit Gewalt geöffnet wurde. Er lief schneller die Treppe
hinauf, und plötzlich wehte ihm ein eisiger Hauch ins Gesicht, so dass er sich
am Geländer fest halten musste.
„Hallo, wer ist da?“, rief er nach oben. Keine Antwort. Er
stieg weiter nach oben, dabei spürte er plötzlich Wärme. „Aber hier wird doch
gar nicht mehr geheizt“, sagte er zu sich selbst, und dann stellte er fest, das
die Wärme vom Ofen neben ihm kam. er war jetzt am oberen Treppenansatz angelangt,
und sah sich um. Hinter dem Einfahrtstor von Ofen 1 konnte man Glut erkennen.
Das war doch gar nicht möglich!
„Das kann doch gar
nicht sein, der Laden ist seit über Zehn Jahren außer Betrieb“, dachte Corky,
beklommen, doch als er zu den Förderbändern sah, stockte ihm der Atem: Da stand
ein Sarg darauf! Das war doch völlig verrückt. Was war hier los?
Fassungslos starrte er auf das Szenario vor ihm, das ihm so
unwirklich vorkam, und doch klar sichtbar vor ihm stattfand. Nun spürte er den
kalten Windhauch wieder. Diesmal kam er von der Seite, von Rechts. Corky drehte
sich dorthin um, und was er sah, lies ihn vor Grauen erstarren. Im nächsten Moment
spürte er einen heftigen Schlag gegen den Kopf, und ihm wurde schwarz vor
Augen.
Als er mit bleischwerem Kopf erwachte, lag er auf einer
gepolsterten Unterlage. Er wollte die Glieder recken, doch er prallte gegen
Wände. Wo bin ich? Er wollte sich
erheben, kam aber gar nicht richtig hoch, denn er prallte sofort an eine Decke
oder einen Deckel? Angst erfasste
ihn, die sich zu maßlosem Grauen steigerte, als ihm klar wurde: Ich liege in einem Sarg!
„Hallo Hilfe!“, brüllte er angstvoll „holt mich hier raus!“
Doch niemand half, und plötzlich spürte er einen Ruck, der
Sarg bewegte sich! In höchster Todesangst polterte er gegen den Deckel.
„Hilfe, Hilfe, ich bin hier drin, ich bin nicht tot, Hilfe“
Doch es half nichts. Im nächsten Moment spürte er die alles verzerrende
Hitze des Feuers, Sekunden unerträglichen Schmerzes, und dann eine gnädige Ohnmacht, aus
der er niemals wieder erwachen sollte.
Aus dem Schornstein des alten Krematoriums stieg schwarzer
Rauch auf, und drinnen stand eine unheimliche Gestalt vor dem Ofen, in dem es
glühte. Zischen und Fauchen drangen aus dem Ofen hervor.
Der Unheimliche nickte zufrieden. Es würde Heute Nacht noch
mehr Arbeit für den Ofen geben. Eine alte Prophezeiung würde sich nun erfüllen,
und alte Schuld gesühnt werden, und über die kleine Stadt würde das Grauen
herein brechen. Von hier aus würde bald
das Grauen über die kleine Stadt kommen. Dieser alte Wärter war nur der Anfang…
*
Das Klingeln riss ihn aus dem Schlaf. Paul Weller erhob sich
müde. Er war früh ins Bett gegangen, weil er ein wenig erkältet war, aber als
Polizeichef einer Kleinstadt hatte man hat immer Rufbereitschaft.
Er griff nach dem Handy auf seinem Schreibtisch, drückte den
Knopf zum annehmen des Gesprächs, und raunte ein müdes „Hallo“ hinein.
„Wie? Rauch über dem alten Krematorium? In Ordnung, ich sehe
mir das mal an.“
Unwillig glitt er aus dem Bett, und zog sich an. Er war
Vierzig Jahre alt, groß gebaut, hatte schwarze Haare, die an Schläfen leicht
angegraut waren, und ein schmales Gesicht mit einer etwas großen Nase und
blauen Augen. Sein Streifenwagen stand quasi vor der Tür, denn
Polizei-Oberkommissar Weller bewohnte eine Dienstwohnung über dem kleinen
Polizei-Revier. Er war nach dem Tod seiner Frau aus der Stadt hierher in diesen
Ort im Weserbergland gekommen, weil er Ruhe und Einsamkeit suchte.
Fünf Minuten später hatte er den Friedhof erreicht. Er hatte
Schlüssel für alle öffentlichen Gebäude, aber das Friedhofstor war offen. Der
Friedhofsleiter, der eine Dienstwohnung neben dem Friedhof hatte, empfing ihn.
Sieht aus, als würde er selbst bald reif für seinen Laden
sein, dachte Paul, und tatsächlich, Albert Jörk wirkte wirklich irgendwie wie
der leibhaftige Tod. Ausgemergelt, ein Glatzkopf mit einigen wenigen Haaren,
die der Zahn der Zeit wohl übersehen haben musste, tiefliegende Augen, und hohe
Wangenknochen, über die sich die Haut wie Papier spannte.
„Guten Abend Herr Jörk, was kann ich für sie tun?“
„ N, Abend, Herr Kommissar“, antwortete Jörk mit einer
krächzend klingenden Stimme „Tut mir leid,
sie aus dem Bett geholt zu haben, aber sehen sie“,
und damit wies Jörk hinter
sich, wo der Schornstein des alten Krematoriums empor ragte, wie eine riesige
Zigarre. Weller konnte nun ebenfalls den schwarzen Rauch sehen, der aus ihm
quoll.
„Die Anlage dürfte nicht laufen, sie schon seit über zehn
Jahren außer Betrieb, das dürfte nicht sein, da stimmt was nicht.“
„Hmm…, verstehe. Was meinen sie, wollen wir uns das mal
ansehen.“
„Von mir aus, ich habe meine Schlüssel bei mir.“
Gut, steigen sie ein.“
Albert Jörk stieg zu Paul Weller in den Streifenwagen, und
sie fuhren den Weg zum Krematorium hinauf. An seinem Ende stand schon ein
Fahrrad.
„Das gehört dem alten Corky, ganz sicher“
„Nun, dann mist er da drin. Hat er solch eigenartigen Sinn
für Humor?“
„Beileibe nicht, er sieht hier nach dem Rechten. Er hat ja
selber lange dort gearbeitet“
„Alles klart, dann könnte er auch in Gefahr sein, gehen wir
hinauf, und sehen wir nach.“
Sie gingen den Weg hinauf, und durch die Pforte. Vor ihnen
türmte sich das Gebäude auf, und der Schornstein, aus dem weiten Rauch quoll.
„Gehen wir weiter“, sagte Weller…
*
„Mensch, das war knapp“, sagte das Mädchen. Kira Grünwald war Siebzehn,
hatte dunkelbraunes Haar, und ebensolche Augen.Sie war nicht ganz schlank, aber
weit entfernt davon dick zu sein.
„Wenn uns der Weller hier gesehen hätte“
Ihr Begleiter, Mark Behtge,
war eine Art Gegenentwurf zu ihr: Groß, schlank, kurzes, blondes Haar
und blaue Augen. Er war Achtzehn.
„Was macht denn der Bulle hier?“, fragte er gerade.
„Sucht wahrscheinlich wegen dem rauchenden Schornstein. Ist
auch ziemlich merkwürdig. eigentlich ist der Laden doch seit Jahren nicht mehr
in Betrieb. Ich frag´ mich sowieso, ob es nicht vielleicht besser ist, die
Sache abzublasen. Ich meine, wie sollen wir da denn noch rein kommen. der Alte
ist doch auch noch drin. Jedenfalls haben wir ihn noch nicht wieder raus kommen
sehen“
„Am Besten, wir gehen um den Kasten herum, und in den
Keller, da wollten wir uns ja sowieso treffen!“
„Robby!“, rief das Mädchen, und drehte sich zu Robert Brem
um. „hast du mich erschreckt.
Robert war 18, und hatte wuscheliges, schwarzes Haar.
Kommt, die anderen warten schon im Keller, ich hab´ grade mit Freddy telefoniert.Wir
kriegen das schon hin, das sie uns nicht erwischen.
Sie gingen um das Gebäude herum, und kamen schließlich an
einer alten, schweren Eisentür an, die angelehnt war.
„siehst du „sagte Robert, „sie haben für uns auf gelassen.“
Als sie die Tür öffneten, gab sie den Blick auf eine Treppe
frei, die sie hinab stiegen. Unten angekommen, standen sie in einem Korridor,
der Links und Rechts jeweils in einen dunkeln Gang führte. Geradeaus war eine Tür.
„Die Tür“, sagte Robert. Kira öffnete sie Tür, und sie traten
in den Raum dahinter ein. Gleichzeitig fiel oben die Tür krachend zu.
Als sie drinnen waren, blieben sie kreidebleich stehen, so
entsetzlich war das, was sie sahen:
Da stand ein aschfahles, verängstigtes Mädchen in ihrem
Alter.Daneben lag, bewusstlos, ein Junge, der aus dem Kopf blutete. Über ihm stand
eine grauenhafte, fast Zwei Meter große Gestalt, die einen schweren,
gusseisernen Schürhaken in der rechten Hand hielt.
Sie trug vermoderte, altertümliche, schwarze Kleidung, die
teilweise in fetzen am ausgemergelten Körper hing.
Der Kopf des Unheimlichen war bis auf ein paar lange, weiße
Haare kahl. Seine Haut, wo noch welche war, war verkohlt und voller
Brandwunden.
Rote Augen, wie glühende Kohlen, lagen tief in den Höhlen
des Schädels, an dem teilweise ganze Fleischfetzen fehlten, und sahen sie
durchdringend ein.
„Willkommen“, sagte er mit einer knarrenden Stimme, in der
nichts Menschliches lag.
Hinter ihnen fiel die Tür zu….
*
Pfarrer Josef Woelk saß kreidebleich und wie versteinert da.
Er hatte die Kirchenchroniken neu geordnet, und dabei fiel ihm der Rest eines
alten Tagebuches in die Hand. Es stammte von einem seiner Vorgänger, dem
Pfarrer Wilhelm von Anderheim, und es war ein unheimliches Dokument. Es
enthielt die Schilderung eines entsetzlichen Verbrechens, nämlich des grausamen
Mordes an einem Grundbesitzer.
31.Oktober im Jahre
des Herren 1615:
Es ist geschehen. Ich
komme gerade von dem Ort des Verbrechens. Unser unausweichlicher Entschluss ist
ausgeführt. Es musste sein, der war mit dem Teufel im Bunde .die Frau unseres
Bürgermeisters hatte er verhext. Wir hoffen, mit seinem Tod ist sie wieder
frei.
Wir haben Jeremias
Brünn in seinem Haus eingeschlossen, sodann zündeten wir es an, das er darin
verbrannte. Just, als das ganze Gebäude in Flammen stand, durchbrach er ein
Fenster. Brennend, eine lebende Fackel, sprang er hinaus. Seine gellenden
Schreie habe ich noch im Ohr, und noch mehr seine schaurige Prophezeiung.
„Für das mir Heute
Abend angetan wird , werden eure Nachkommen büßen, und wenn 500 Jahre vergangen
sind, soll dieser ganze Ort in einem Feuersturm versinken, das schwöre ich, und
wenn ich die Kräfte der Hölle dazu zu Hilfe nehmen muss!“ Danach brach er mit
einem letzten schrei brennend zusammen und starb.
Gott schütze uns, und vergebe
uns, was wir Heute Nacht getan.
Woelk begann in anderen
Chroniken nachzuforschen, und fand heraus, das Jeremias Brünn ein Außenseiter
war. Ein Eigenbrötler, der aber Charisma besaß, und ein Verhältnis mit der Frau
des Bürgermeisters hatte. Die Beschuldigung der Ketzerei und Teufelsanbetung
war zu jener Zeit ein gängiges Mittel, um sich eines Rivalen zu entledigen,
darüber hinaus lieferte sie ein hervorragendes Alibi, damit die Frau einer
Anklage wegen Ehebruchs entging. Wenn sie verhext war, konnte sie nichts dafür.
Der Pfarrer schlug die Hände zusammen. Welch eine
Niedertracht war hier begangen worden. Er sah sich Karten an, und stellte fest,
das Brünns Haus genau dort lag, wo nun das alte Krematorium stand. Er ging ans
Fenster seines Pfarrhauses, das neben der Kirche, direkt an den Friedhof
angrenzte, und sah hinaus. Sah auf dem Hügel die Silhouette des alten
Krematoriums, und den Schornstein, der rauchte. Sah ein Glühen in den Fenstern.
Er wandte den Blick auf seinen Kalender, und erstarrte.
Konnte das…Nur ein Paar Sekunden später erhielt er die Bestätigung. Auf der
Seite des aufgeschlagenen Tagebuches brannten sich plötzlich Zahlen und
Buchstaben ein:A.D.31.10.1615, Dann
ging das Buch in Flammen auf.
Josef sah auf, ging zum Fenster, und sah noch einmal hinaus
zum Krematorium, und zu dem verkohlten Buch. Und er wusste, was er zu tun
hatte.
Er legte sein Ornat und seine Schärpe an, und hing sich sein
großes Kruzifix um
Er ging in die Kirche, füllte eine Flasche mit Weihwasser
aus dem Taufbecken, dann ging er zum Altar und kniete nieder.
„Herr, gibt mir die Kraft zu tun, was ich tun muss, denn
sonst erwartet diese Stadt ein Inferno!“
Er wandte sich entschlossen um, und ging…
*
„Willkommen in meinem Reich, zur
Nacht des Feuers. Jenes Feuer, das einst mich verzerrte, soll nun diese Stadt
verzerren, die ich vor so langer Zeit verfluchte, und ihr sollt es nähren.“
Von lähmendem Entsetzen gepackt,
standen die Jugendlichen da, und blickten auf die Gestalt des unheimlichen, der
ihnen diese schreckliche Drohung entgegen schmetterte, und sie mit glühenden
Augen praktisch durchbohrte.
„Doch halt, ich merke gerade, ich
habe Oben noch zwei Gäste, die das Höllenfeuer nähren wollen. So werdet ihr
einstweilen warten, während ich mich ihrer annehme.“
Mit einem hässlichen Lachen
entschwand er. Robert lief zu dem bewusstlosen, und kniete sich bei nieder, um
dessen Vital-Funktionen zu prüfen. Mark rüttelte an beiden Türen, während Kira
das verängstigte Mädchen zu trösten versuchte, obwohl sie selber Todesangst
verspürte.
„Nichts“, sagte Mark tonlos,
„Alles dicht, wir sind hier gefangen.“ Robert erhob sich mit ernstem blick von
dem nieder geschlagenen. “Sein Schädel ist eingeschlagen“, sagte er, und das Grauen war ihm anzuhören, „Er ist tot.“…
*
Weller und Jörk betraten das
Gebäude. Zur Linken lag die Verwaltung. Gerade aus der Kühlraum für die, zur
Verbrennung vorgesehenen, Särge mit Leichen. Aber ihr Ziel war die Halle mit
den Öfen. Als sie eintraten, stockte ihnen der Atem.
Fackeln, die an den Fenstern
angebracht waren, tauchten die Halle in gespenstisches Licht. Beide Öfen,
schien es, waren angeheizt. Hinter ihnen fiel die Tür ins Schloss. Sie liefen
zurück, um sie wieder zu öffnen, doch vergeblich.
„Guten Abend!“
Sie wirbelten wieder herum, und
bekamen im nächsten Moment einen schweren schlag gegen den Kopf, so dass es
schwarz wurde.
*
Langsam, aber sicheren Schrittes,
ging Pfarrer Woelk den Weg zum Krematorium hoch. Er wusste, was ihn erwartete.
Heute Nacht, würde sich das Schicksal erfüllen. Er dachte an die Worte Christi,
am Abend vor seiner Verhaftung: Herr,
wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen. Doch er
wusste, dieser Kelch würde nicht an ihm vorüber gehen. Das Schicksal seiner
Gemeinde, der ganzen Stadt stand auf dem Spiel. Vor ihm tauchte das Krematorium
auf. Vor der Pforte blieb er kurz stehen. Dann schritt er entschlossen voran.
Die Zeit der Entscheidung war gekommen…
*
Als Weller wieder zu sich kam,
fühlte er, dass er an Händen und Füssen gefesselt war. Jedenfalls fühlte es
sich so an. Er konnte die Glieder nicht bewegen. Den Kopf, der schmerzte,
konnte er jedoch drehen, Er fühlte Blut an seiner Schläfe entlang rinnen, und
sah mit Entsetzen den alten Jörk neben sich liegen. Das Blut an seinem Kopf und
sein starrer Blick zeigten, dass er tot sein musste.
Paul wandte den Blick wieder nach
vorn, auf das gespenstische Szenario, welches sich vor ihm abspielte. Vom Licht
der Fackeln beleuchtet, standen dort Särge, vier Särge. Zwei von ihnen standen
schon auf den Förderbändern, die sie in die Öfen fahren sollten.
In der Mitte, neben dem Band des
Ofens, der am nächsten war, stand der riesenhafte Fremde, der allen möglichen Stellen
verbrannt zu sein schien. Eine dämonische Macht ging von ihm aus. Sie war es,
die Weller fesselte.
„Ah, aufgewacht. Nun denn, dann
können wir beginnen. Bevor du selber dran bist, werde Zeuge, wie meine
jungen Opfer das Höllenfeuer nähren und entfachen, welches ich auf diese Stadt
hernieder regnen lassen werde. Was mir dereinst angetan, sollen alle in diesem
Ort erleiden. Mit Satans Hilfe vollende ich meine Rache!“
Damit wies er mit einer
verbrannten, klauenartigen Hand auf die Anlage, und die Särge setzten sich in
Bewegung. Die Öfen öffneten sich und gaben rotglühende Löcher frei, gleich
einem Höllenschlund.
Zu seinem maßlosen Entsetzen,
hörte Paul wie von innen gegen die Särge gehämmert wurden. Stimmen riefen von
innen um Hilfe. Stimmen ,die ihm bekannt vorkamen. Stimmen Jugendlicher aus dem
Ort, die er kannte. Er stieß einen Schrei des Entsetzens aus. Der Unheimliche
lachte schaurig, und die Särge fuhren in die Öfen ein…
*
Pfarrer Woelk betrat das
Krematorium. Er wandte sich Zielsicher nach Rechts, und versuchte
die Tür zu öffnen. Es ging nicht. Kurz verharrte er, dann nahm er sein
silbernes Kruzifix, küsste es und drückte es gegen die Tür. Ein Zischen ertönte
und sie ging auf. Der schob sie ganz auf, und trat hindurch. Da erscholl ein
Schreckensschrei…
*
Das schaurige Lachen des
Unheimlichen, und Pauls Entsetzensschrei vermischten sich, doch plötzlich wurde
es von einem scharfen Ruf durchbrochen.
„Jeremias Brünn!“
Der Unheimliche und Paul drehten
sich in Lichtung der Stimme um. Langsam, aber festen Schrittes kam der Pfarrer
näher. Mit der einen. Er hielt das Kruzifix mit der linken Hand hoch. In der
Rechten hielt er die Weihwasser-Viole.
Schon war er an die dämonische
Gestalt heran gekommen, da hob er die Hand mit der Viole, und Weihwasser
spritze dem Unheimlichen ins Gesicht. Ein lautes Zischen mischte sich mit dem
erschreckten Aufschrei des Untoten, und ruckartig kamen die Särge Zentimeter in
der Öffnung zu stehen, die an den Fußenden bereits angekohlt waren.
„Du willst ein Opfer?“, rief der
Pfarrer „Du sollst eins haben, denn es war letztendlich die Inquisition, die
dich verurteilte. Hier ist dein Opfer!“
Mit diesen Worten stürzte er sich
auf das Monster und umfasste es, so, das sich das Kruzifix zischend gegen
dessen Leib drückte. Dann drängte er es zum, ihnen nächststehenden, Ofen.
Mit einem Fußtritt schob er den
Sarg beiseite, und drängte mit seinem Gegner der rotglühenden Öffnung zu. Er
wandte sich kurz Paul zu, und rief: “Retten sie die Kinder!“, dann stürzte er
sich und den sich verzweifelt wehrenden Unheimlichen mit einem gewaltigen Satz
in den Höllenschlund.
Die Glut schlug über ihnen zusammen,
und peitschte auf. Bläuliche Flammen schossen aus dem brodelnden Ofen heraus,
der mit einem gigantischen Knall barst, dann verwandelte sich die Halle in ein
loderndes Inferno…
*
Schon als der Pfarrer den Unheimlichen mit Weihwasser
besprenkelte, spürte Paul Weller, dass er sich wieder bewegen konnte.
Sofort stand er auf.Trotz Schmerzendem Kopf und
Schwindelgefühl erfasste er die Lage sofort.
„Wenn du ein Opfer willst…“, hörte er Woelk rufen, da war er
schon bei den ersten Särgen, öffnete sie, und lies die Gefangenen heraus.
„Raus hier, schnell!“, rief er den verängstigten und
verstörten Jugendlichen zu, dann lief er
zur Ofenanlage, um die Särge auf den Förderbändern zu öffnen. Zunächst,
den, welchen der Geistliche vorhin zur Seite getreten hatte.
„Retten sie die Kinder
!“, hörte er den Priester noch rufen, als er die Beiden Jugendlichen, Mark und
Kira, bei den Händen fasste, und mit sich zog. Kira hatte Tränen in den Augen.
Kaum waren sie vom Ofen weg, da knallte es schon. Der Ofen explodierte.
Bläuliche Flammen züngelten um sie herum. Die Druckwelle der Explosion warf sie
zu Boden. Sofort erhoben sie sich wieder, und kämpften sich zur Tür, wo die
anderen beiden immer noch Standen. Mittlerer Weile war die ganze Halle ein Flammenmeer.
„Ich hab doch gesagt, ihr sollt hier raus. Worauf wartet
ihr?“, rief Paul, und schob die Beiden weiter. In diesem Moment gab der Boden
unter einem Ofen nach. Die ganze Anlage fiel mit Getöse in sich zusammen. Unten
explodierte ein Heizölbehälter, und hier zerbarsten zwei Eimer mit Verdünnung.
Nun begriffen lösten sich auch die Beiden angesprochenen aus
ihrer Erstarrung, und gemeinsam flohen sie
zur Tür, die bereits auch von Flammen umgeben
war. Gerade kamen sie noch durch. Paul schob seine Schützlinge voran,
und hechtet als letztes nach draußen .Sekunden später fiel der Türrahmen hinter
ihm zusammen, und gleich danach die Wand. Auch der Vorraum stand bereits in Flammen.
Die Hitze raubte ihnen den Atem. Paul schob die Jugendlichen voran, und schließlich
hatten sie sich ins Freie gekämpft.
Sie hasteten den Weg runter bis zum Auto. Dort verharrten
sie hustend und Keuchend. als sie wieder Luft bekamen, wandten sie sich um, und
sahen dorthin zurück, wo das gesamte Gebäude in Flammen stand. Es wirkte wie
eine gigantische Fackel, welche den ganzen Ort in gespenstisches Licht tauchte.
Plötzlich schoss eine bläuliche Flammensäule senkrecht empor,
und zerteilte sich in funken, wie eine Silvesterrakete, dann stürzte das
Gebäude endgültig ein. In der Ferne hörte man Sirenen der Feuerwehr, doch zu
löschen gab es jetzt nichts mehr.
Notärzte versorgten Paul und die Jugendlichen, während auch
die letzten Reste des Gebäudes verbrannten. Schließlich stürzte auch der
Schornstein ein. Das alte Krematorium gab es nicht mehr.
Erst am nächsten Tag konnte man die Überreste des toten Jungen,
sowie Albert Jörk und des aus den rauchenden Trümmern bergen. Vom toten Pfarrer
zeugte nur noch ein Klumpen Silber, der einmal sein Kruzifix war. Er wurde ins
Pfarrhaus gebracht, wo man auch die alten unterlagen fand. Alles was man von Corky
fand, war seine Identifikationsmarke aus der Militärzeit.
Der Ort, an dem das Krematorium stand, ist immer noch
unheimlich, wenn nicht noch unheimlicher. Es heißt, ein Teil eines Ofens ist
noch übrig, und ab und zu glüht es in ihm auf…
ENDE