„Phantastisch“, meint
Martin, als er die unheimliche Botschaft betrachtet .Wir haben uns am nächsten
Vormittag bei Adele getroffen. „Ach, das ist beinahe genial“
„Freut mich, dass es dir gefällt“, meine ich lakonisch.
„Oh, du verstehst mich falsch. Diese Botschaft bestätigt
eindeutig, dass wir da tatsächlich etwas
auf der Spur sind. Warum sonst sollte man solch eine Warnung schicken? Wenn ich
bisher nicht hundertprozentig von einem Verbrechen überzeugt war, dann bin ich
es jetzt.“
„Was mir Kopfzerbrechen bereitet“, sage ich „ist, woher die
wussten, das ich in der Bibliothek war,
oder überhaupt, das ich in der Sache drin stecke. Der Zettel muss mir in der
Bibliothek zu gesteckt worden sein. Ich weiß noch, das mich jemand anrempelte.“
„Das lässt darauf schließen, dass du vielleicht tatsächlich
in diesem Haus, das ich mir übrigens auch selber noch einmal ansehen möchte,
nicht allein gewesen bist. Möglicher Weise bist du beim Betreten des Hauses
beobachtet worden. Es kann aber auch sein, das der Unbekannte zufällig in der
Bibliothek feststellte, dass du Informationen über die Familie Dijsterkamp
gesucht hast, und sofort handelte.
Wenn ihr wollt, können wir gleich zu der Schwester von Klara
Persson fahren. Sie heißt Gesa Klemm, und lebt mit ihrem Mann in Horn. Außerdem
habe ich einen Termin mit Dr. Uwe Stöhver gemacht, dem Sohn des Haisarztes, der
die Praxis seines Vaters in Schwachhausen weiter führt.
Er hat tatsächlich noch die alten Krankenakten im Keller“
Wir fahren also zunächst zu Gesa, der Schwester Klara
Perssons. sie ist eine ältere Dame von Achtzig Jahren, und wohnt mit ihrem Mann in einem Einfamilienhaus in
Horn. Sie schlank, groß gewachsen, und hat ein, trotz Falten, fein
geschnittenes Gesicht, und fast weißes Haar.
„Viel kann ich nicht sagen, ich war damals Achtzehn, wissen
sie? Ja, Klara war ein lebenslustiger Mensch. Sie hatte einen Draht zu Kindern,
war innerlich manchmal selber noch ein Kind, und dabei war sie meine ältere
Schwester.
Ja, Jan hatte sie besonders gern. Er ein ehr aufgeweckter
Junge, der sein Umfeld genau beobachtete. Sie war manchmal überrascht, was ihm
so alles auffiel. Dinge, die meisten nicht wahr nahmen, weil sie nicht genau
hinsahen.“
„Haben sie ihn auch persönlich gekannt?“
„Nein, ich weiß nur, was mir Klara erzählte, wenn wir uns
trafen. Aber ich habe noch ihre Tagebücher. Wenn sie glauben, das sie ihnen
helfen können, kann ich sie ihnen gern leihen.“
„Gern“, meint Martin „Mit ihrem verschwinden, wie war das
damals?“
„Nun ja, eines Tages, das muss im Juli´53 gewesen ein, da
kehrte sie nicht nach Hause zurück. wir fragten überall nach. Schließlich gab
es sogar eine Suchaktion der Polizei, aber sie wurde nie gefunden, und kehrte
auch nie zurück.“
„Jan behauptete auf einem Zettel, dass sie ermordet wurde“
„Ja, ich habe davon gehört, auch die Polizei mutmaßte ein
verbrechen, konnte aber nie Beweise dafür bringen. Von anderen kam die
Vermutung, sie sei ausgewandert.“
„Glauben sie das?“
„Nein, eigentlich nicht. Sie wäre nie gegangen, ohne sich
vorher bei uns zu melden.“
„Ist ihnen bekannt, ob es jemanden gab, der ihr den Tod wünschte?“
„Oh nein, sie war überall beliebt, andererseits war sie den
Männern nicht abgeneigt, und sie wissen ja, was Eifersucht bewirken kann. Aber
wir haben die Hoffnung nie aufgegeben, dass wir sie noch einmal wieder sehen.
Gesa übergibt uns die Tagebücher. Wir verabschieden uns, und
fahren zum Arzt.
„Ich habe die Akten bereits für sie heraus gesucht. Normaler
Weise gibt es eine ärztliche Schweigepflicht, aber in diesem Fall ist sie
erloschen.“ Dr. Stöhver ist Mitte vierzig, mittelgroß und korpulent. Er hat
braunes, schütteres Haar, und ein gebräuntes, rundes Gesicht mit blauen Augen.
„Ja, Kinderlähmung, Poliomyelitis, eine Infektionskrankheit,
bei der Viren das Bewegungszentrum im Rückenmark befallen. Das War´s, warum Jan
im Rollstuhl saß. Er hatte die Krankheit im alter von Zehn Jahren bekommen,
hatte ansonsten aber alles gut überstanden. Sie kann auch zum Tode führen. Tja,
und dann, ab August´53 begann sich sein zustand zunehmend zu verschlechtern. Er
starb dann an einer Sepsis, einer
Blutvergiftung, so steht es jedenfalls im Totenschein.“
„Und an der Diagnose gab es keine Zweifel?“
„Es sieht so aus, sonst hätte er den Totenschein nicht
unterzeichnet. Aber etwas anderes interessantes habe ich bei der durchsicht der
Krankenakten entdeckt. Offenbar wurde die Familie seitdem von einer Art fluch
befallen. Immer wieder starben Familienmitglieder bekannte oder
Geschäftspartner unter zumindest merkwürdigen Umständen. “
Mit gemischten Gefühlen verlassen wir die Praxis.
Das alte Haus ist hier in der Nähe“, meint Martin „Was
haltet ihr davon, wenn wir ihm einen Besuch abstatten?“
Ich habe zwar ein mulmiges Gefühl, aber ich stimme trotzdem
zu. So fahren wir also zu jenem Haus, das ich eigentlich nicht mehr betreten
wollte.
Jetzt im licht des hellen Tages wirkt es zumindest von Außen
nicht ganz so düster, wenn auch nicht einladend.
Wir betreten den Vorgarten, gehen zur Tür, und betreten das
Haus. Und kann man das Mobiliar besser sehen. Die alten, jetzt mottenlöchrigen,
Teppiche , die Bilder an der Wand.
Wir sehen uns um, und kommen schließlich auch zur Treppe,
die nach Oben führt. wir sehen hinauf.
Auf Martins Vorschlag steigen wir die Stufen hinauf, und
gehen in Jans Zimmer, wo sich auch der Privatdetektiv gründlich umsieht. Sein
Blick bleibt kurz auf dem Rollstuhl hängen, dann nickt er uns zu, und bedeutet
uns, ihm zu folgen. Wir verlassen das Zimmer, und werfen noch einen blick in
die übrigen Räume, die sich als normale Wohnräume heraus stellen. So verlassen wir die Etage, und steigen die
Treppe wieder hinunter. Als wir auf halber Höhe sind, hören wir, ein zumindest
mir vertrautes, Quietschen. Wir drehen uns um, und sehen Oben am Treppenansatz -den
Rollstuhl!
„Geisterstunde“, bemerke ich ironisch
„Okay“, meint Martin, das wollen wir doch mal sehen. Er läuft,
von uns gefolgt, noch einmal die Treppe hoch. doch wir finden Niemanden. Wir
laufen wieder hinunter, und Martin läuft nach draußen, umrundet das Haus, doch
es ist niemand draußen. Verwirrt starren wir nach oben, wo der Rollstuhl ganz
still steht.
„Das gibt’s doch nicht“, stößt Adele aus.
„Es muss eine Erklärung dafür geben“, meint Martin „Vielleicht
liegt sie im Keller, da waren wir noch nicht.“
Wir stimmen zu, und suchen nach der Kellertür, die wir sehr
schnell befinden. Sie befindet sich unter der Treppe, die nach Oben führt,
befindet.Wir probieren die Tür aus. Sie ist nicht verschlossen.
Martin fischt eine Taschenlampe aus seiner Jacke, und wir
steigen nach unten. Im Licht der Lampe sehen wir viel altes Gerümpel. An den
Wänden Regale. Dieser Keller besteht offenbar aus mehreren Gewölben. Eines ist
ein Weinkeller, Tatsächlich legen in einigen Regalen sogar noch ein Paar Flaschen.
Wir gehen weiter in ein halb verfallenes Gewölbe, wo Schutt
vor der Wand liegt, und es furchtbar stinkt. Plötzlich stolpere ich über ein
großes Bündel. Martin leuchtet hin, damit wir sehen können, was dort im Weg
liegt, und bei dem ,was ich sehen, wird mir Speiübel, ich weiß jetzt ,was den
Gestank verursacht hat, und ich muss mich zusammen reißen, nicht vor Grauen
aufzuschreien. Dort liegt einem halbverweste, Blut verschmierte Leiche…