13.Mai 2025, irgendwo in Nordafrika, im Morgengrauen
Wahrscheinlich sind wir in Goletta,
dem Seehafen von Tunis, das ja nicht direkt am Mittelmeer liegt, sondern am
Ufer eines Sees , der es vom Meer trennt. Daher gibt es an der Küste einen
äußeren Hafen, und der heißt Goletta. Es in etwa das Selbe, wie Bremerhaven für
Bremen.Wir befinden uns in einer Art Lagerhaus in der Nähe des Hafens. Ich
nutze das erste Licht, das durch ein kleines Fenster,das weit oben liegt, kommt, für diese
Eintragung in mein kleines Tagebuch, das ich immer dabei habe. Sicher kann man
sich fragen, warum ich in unserer Lage Tagebuch führen kann, doch es hilft mir,
meinen Kopf klar zu halten. Aber wie kommen wir eigentlich hierher? Nun, wir
waren auf dem Hof in der Nähe der
französischen Grenze angekommen.
Wir saßen beim Frühstück mit
Pierre, Eric, Benoit, sowie dem Hof-Besitzer Kees Heysel, einem gebürtigen
Holländer, der den Hof mit seiner Schwester Enie und seiner Frau, einer Französin
namens Francine betrieb. Kees war ein groß gewachsener, blonder Mann, Mitte
Vierzig, kräftig gebaut, mit Händen wie Schaufeln, und dafür einem gutmütigen
Milchbubi-Gesicht mit lebendigen blauen Augen.
„Euer nächstes Ziel ist doch in
Italien“, sagte Pierre
„Ja , in der Toskana „, sagte
ich.
„Gut, wir haben Gestern Nacht
noch mit unseren Französischen Resistance- Freunden gesprochen. Sie bringen
euch nach Marseille, und da auf das Küstenschiff eines Freundes, welches er für
Gelegenheitstransporte benutzt. er wird euch dann nach Grosseto bringen. Von da
sind es dann noch Siebzig Kilometer bis Seggiano. Wir glauben, es ist sicherer
so, weil sie mit Sicherheit Bahnhöfe und Flughäfen verstärkt überwachen
werden.“
„Und Seehäfen nicht?“, warf Celia
ein.
„doch, aber Jean Cosici´s „Monte Christo“ liegt in einem alten,
abgelegenen Teil des Frachthafens. Und falls sie euch auf See kontrollieren, hat
er ein paar geheime Räume parat. Er ist nämlich zuweilen auch Schmuggler.“
„Hört sich viel versprechend
ein“, kommentierte ich „aber wir haben wahrscheinlich auch keine große Wahl.
also gehen wir`s an.“
Nach dem Frühstück fuhren
wir bis zu einem Waldstück. von da ab
gingen wir durch dichtes Gesträuch, und hügeliges Gelände. einen Grenzzaun gab
es nicht. Irgendwann tauchte ein verwittertes Schild auf, welches angab, das
man sich nun auf französischem Boden befand. Pierre sagte, wir befänden uns im
nördlichen Ausläufer des Argonner Waldes
Ein weiteres Stück gingen wir
noch, bis wir an eine Landstrasse kamen.
Dort stand in einer Einbuchtung,
die wohl ein Art Rastplatz darstellen sollte, ein silberner Citöen Typ- H
Transporter, an dessen Heck ein langer, hagerer Mann lehnte, der eine alte blaue
Jacke, graue Baumwollhosen, und eine Baskenmütze trug. Der Kopf des Mannes war
genauso lang und schmal, das Gesicht war faltig und verwittert, und erinnerte
an eine Trockenfrucht. Die eingefallenen kleinen, grauen Augen jedoch, wirkten
listig und hatten einen jugendlichen Glanz. In dem schmallippigen Mund steckte
ein Zigarrenstummel.
„Ah, da seid ihr ja, rief er mit
einer Reibeisenstimme. Und das sind unsere Kandidaten?“
Er fasste mich und Celia scharf
ins Auge.
„Ja“, sagte Pierre „Wir vertrauen
sie euch jetzt an, und wir würden es nicht verzeihen, wenn ihnen etwas
passiert.“
„Keine Sorge „ meinte der Alte
vergnügt. „Der alte Claude übernimmt die Sache persönlich, und der steht vor euch“,
sagte er an uns gewandt und reichte uns eine runzlige Hand mit Fingern, die an
Skelettfinger erinnerten.
Er öffnete die Heckklappen des
Fahrzeugs
„Dann steigt mal ein. Wir bringen
euch erst mal ins Dorf zu unserem Gutshof. Dort gibt`s erstmal n´ kleinen
Imbiss, und dann geht´s in ein bequemeres Fahrzeug, mit dem wir euch nach Süden
bringen. Am späten Nachmittag werden wir dann wohl in Marseille sein. Seid ihr
erstmal auf dem Schiff, gibt’s ne
richtige Mahlzeit.“
Bis dahin war französisch
gesprochen worden, das Celia übersetzt hatte. Als er dies mit bekommen hatte,
verfiel er in ein gebrochenes Deutsch.
„Hättet ihr das doch gleich
gesagt. Ich stamme doch aus dem Elsass, und soviel Deutsch, das ich mich mit
euch unterhalten kann, spreche ich alle Mal.“
Es gab einen herzlichen Abschied
von unseren belgischen Freunden. Wir stiegen mit unseren Sachen in den Citroen,
Claude nahm vorne Platz, und es ging los. Das war so einer der Momente , wo ich
dachte ,das das doch eigentlich nur ein Traum sein konnte, doch es war
Wahrheit, das merkte ich , als wir in dem Transporter hin und her geschüttelt
wurden , und Celia gegen mich fiel. Claudes Fahrstil war recht rustikal, so
hielten wir uns aneinander fest, wobei ihre Berührung ein Kribbeln in meiner
Magengegend verursachte. Ich hatte noch nicht viel Erfahrung mit Frauen, daher
waren das doch ungewohnte Gefühle für mich, zumal ich immer wieder fest stellte
, das Celia doch verflixt attraktiv war. Auch jetzt, da sie mich aufmunternd
anlächelte .
„Weißt du was, wir können die
Fahrt nach Marseilles nutzen, damit ich dir ein bisschen französisch für den
Hausgebrauch bei bringe, der Kapitän des Schiffes wird ja wohl auch Franzose
sein.“
Ich willigte gern ein. auf der holprigen
Fahrt mit dem Citroen wäre es eh nicht möglich gewesen, aber so konnte man die
einige Stunden Fahrt zumindest die Zeit sinnvoll totschlagen.
Schließlich bog das Fahrzeug ab,
und kam schließlich zum stehen. Der Motor wurde abgeschaltet, und Sekunden
später öffnete Claude den Verschlag.
„So, da wären wir“
Wir stiegen aus und streckten die
Glieder .Wir standen vor einem großen, alten Backsteingebäude, eindeutig ein
Gutshaus. Links und Rechts standen Scheunen, vor denen landwirtschaftliche
Geräte standen. Ein Traktor stand vor unserem Fahrzeug.
Claude bedeutete uns, ihm zu
folgen, und führte uns ins Haus. Er führte uns in einen rustikal eingerichteten
Raum, welcher Küche und Esszimmer zugleich war. Eckbank und Tisch aus rohem
Holz standen da auf einem rot gekachelten Fußboden. Im hinteren Teil des Raumes
war die Küche. Dort stand an einem Gasherd eine mollige, brünette Frau um die
Fünfzig mit freundlichem Puttengesicht,
die gerade Rührei und Schinken briet.
Als sie uns herein kommen sah,
stellte sie den Herd ab, und kam mit der Pfanne an den Tisch , auf dem Teller,
Tassen, Besteck eine große Blechkanne, ein Steinkrug mit Gurken , ein Laib Brot,
eine Salami und ein halber Käse lagen.
Sie stellte die Pfanne auf einen
vorbereiteten Untersetzer, dann reichte sie uns mit einem herzlichen Lächeln
die Hand. Claude stellte sich als seine Frau Aime´ vor.
Es war eine gesellige Runde, in
der wir uns stärkten. Wie Claude, sprach auch Aime gebrochen Deutsch, und als
wir schließlich aufbrachen, waren wir ihr so ans Herz gewachsen, das sie uns am
liebsten nicht weg gelassen hätte. Aber es war ja nun mal nötig. als wir heraus
traten, führte uns Claude zu einer kleinen Scheune. Als er sie öffnete,
staunten wir nicht schlecht. Darin stand nämlich ein Citroen DS, Türkis farben
mit blauem Dach.
Du liebe Zeit“, meinte ich, als er
das Fahrzeug aus der Scheune fuhr.
„Ist so ein Ding nicht ein
bisschen auffällig?“
„Iwo. Erstens wissen ja nicht
mal, wo ihr seid. Außerdem werden werden wir größtenteils die Landstrasse
benutzen und die Autobahn, wo es geht meiden, denn dort werden sie sicher
kontrollieren.“
Ich musste ihm Recht geben. Wir verstauten
also unsere Sachen im Kofferraum, stiegen ein, und die Fahrt ging los. Im Fond
des Citroens saß man wie einer Sänfte. So bequem sitzend, und gestärkt durch
Aimes fantastisches Essen begannen wir nun Celias Sprachunterricht, und ich
muss sagen, sie war eine gute Lehrerin. Zweimal machten wir für Zehn Minuten
Rast, um uns die Füße zu vertreten, zu erleichtern, und in Claudes Fall zu
rauchen.
Mit der Zeit beteiligte sich auch
Claude am Sprachunterricht. Wir begannen uns auf französisch zu unterhalten. so
verging die Zeit, und als wir am Stadtrand von Marseille ankamen, beherrschte
ich die französische Sprache so weit, das ich mich leidlich und in den wichtigsten
Fragen verständigen konnte, und das wichtigste Verstand.
Es begann zu dämmern, als wir im Hafen
ankamen, bei einem Schiff, von dem böse Zungen wohl behaupten würden, es hätte
mehr Stunden unter, als auf dem Wasser verbracht.
Es war ein alter Küstenfrachter,
bei dem der Lack, dessen vermutlich blaue, Farbe vor Dreck kaum noch zu
erkennen war, an vielen Stellen aufgesprungen war,welche notdürftig mit
Rostschutzgrund behandelt worden waren. Am Bug konnte man gerade noch in
verblichenen Farben den Namen: „Monte Christo“ erkennen. Die Aufbauten des
Schiffes befanden sich in einem ähnlich traurigen Zustand. Auch der Kapitän
selbst schien, ähnlich wie sein Schiff schon bessere Tage erlebt zu haben.
Er war ein etwa Sechzigjähriger,
kleiner, untersetzter Mann mit grauer Halbglatze und einem sonnenverbrannten,
scharf geschnittenen Gesicht, in dem als erstes die Hakennase auffiel. Darüber
zwei lebhafte wasserblaue Augen. Ein grauer Dreitage-Bart bedeckte den unteren
Teil seines Gesichtes. Auf seinem Kopf saß eine uralte, schäbige, blaue
Kapitäns-Mütze. Gekleidet war er in schwarzer Hose, ebensolcher Jacke, sowie
Blau Weis geringeltem Hemd und abgewetzten, halbhohen Stiefeln.
Seine Mannschaft, ein Bootsmann,
ein Matrose und ein Koch, der gleichzeitig auch Maschinist war, waren ähnlich
gekleidet wie er, und ähnlich mitgenommen.
Claude und der Kapitän begrüßten
sich herzlich, dann zeigte er auf uns: „Das sind unsere Schützlinge, und hier
meine Freunde stelle ich euch Kapitän Jean Cosici vor.“
Der Kapitän reichte uns die Hand,
dann sagte er:
“Ich kann der Frau eine eigene
Kajüte anbieten, der Junge muss mit in der Mannschaftskajüte schlafen. Du hast
aber eine eigene Koje“
„Kein Problem, sagte ich“, und
man führte uns zu den Kajüten.
Kurze Zeit später wurden wir in
die Kapitänsmesse gebracht, wo wir eine Bouillabaisse serviert bekamen, dazu
gab es Wein. Claude aß noch mit, dann verabschiedete er sich herzlich von uns,
und sobald er das Schiff verlassen hatte, legten wir ab.
Nachdem wir noch bei ein Paar
Glas Wein mit Jean und seiner Mannschaft zusammen gesessen hatten, gingen wir
schlafen.
Mitten in der Nacht wurde ich
durch Lärm an Bord geweckt. Ich erhob mich, stand auf, zog mich notdürftig an, und ging in Richtung Tür, als diese auch
schon aufgestoßen wurde.Ein wild aussehender, kräftiger Mann hielt mir eine Uzi
unter die Nase, und herrschte mich in gebrochenem französisch an:“ Los,
mitkommen!“
Angstvoll gehorchte ich, und sah,
als ich heraus trat, sah ich, das ein anderer, die ebenso notdürftig bekleidete
Celia mit einer Pump-Gun vor sich her trieb.
An Deck wurden wir gefesselt und
neben den Kapitän und seine Mannschaft gelegt.
„Was sind das für Leute?“, fragte ich den neben mir
liegenden Jean flüsternd.
„Piraten. Ja, die gibt es hier
wirklich. Haben die schön hin gekriegt mit ihrer merkwürdigen Politik Wenn ich
mich nicht irre, kommen die aus Nord-Afrika.“
„Und was machen die mit uns“ ,fragte Celia, die sie neben mich gelegt hatten, so dass ich zwischen ihr und
dem Kapitän lag.
„Kommt drauf an, entweder sie
töten uns, oder sie verkaufen uns als Sklaven. Ja, seit dem großen Krieg gibt`s
auch das wieder.“ Er wandte sich an Celia:
„Du hast gute Chancen auf
letzteres. Gibt bestimmt n´ Scheich, der gut für dich bezahlt“
„Oh jetzt bin ich aber so was von
beruhigt“, meinte sie lakonisch. Der Kapitän lachte leise
„Schön, das ich dich erheitern
konnte, aber erst werden sie uns zu ihrem Schlupfwinkel bringen. Ihrer
Aussprache des französischen nach, würde ich auf Tunesien tippen.“
Wir fuhren fast die ganze Nacht
hindurch. Irgendwann legten wir schließlich an, Unsere Kerkermeister lösten
unsere Fußfesseln und schufen uns in jenes Lagerhaus, indem wir uns jetzt
befinden, und wo ich diese Zeilen schreibe. Doch jetzt muss ich erst mal wieder
Schluss machen, denn ich höre Schritte. Sie kommen.Nun wird sich unser
Schicksal entscheiden…