Hier startet ein Mistery-Krimi mit viel persönlicher Note, viel Spaß!
Blöde Spätschicht! Die anderen gehen nach Hause, während man
selber noch gut Zwei Stunden bleiben muss.
Aber das ist nun mal notwendig, denn unser Recyclinghof im Blockland, der größte in Bremen, hat bis
Siebzehn Uhr geöffnet. Zu Zweit bringen wir nun den Tagesendspurt hinter uns.
Fritz schiebt kurz Bauschutt hoch, und
ich sehe nach den Wertstoff-Containern, und betreue die
Schadstoff-Annahmestelle.
Ich bin eigentlich einer der unscheinbarsten Menschen, die
ich kenne. Klein(Im Winter auch Pullover auf Beinen genannt), untersetzt, mit
Brille und absolutem Allerweltsgesicht.
So, die Papier-Presse muss mal angeworfen werden. Ich steige
kurz auf den Podest, und schaue hinein. Was ist denn das? Alte Bücher! Ich bin
ein leidenschaftlicher Leser, mit Vorliebe klassischer Abenteuer –und
Kriminal-Literatur, außerdem spiele ich noch Schach im Verein.Werder-6,
Kreisklasse.Zum Großmeister werde ich es nicht mehr bringen, aber ich bin
zufrieden.
Ich kann die Bücher greifen. Es sind sechs an der Zahl. Alte
Ausgaben von Karl Mays Orient-Zyklus Ein richtiger Schatz! Ich hole sie heraus,
und lege zur Seite, dann betätige die
Presse.
So halbe Stunde noch bis Feierabend. Noch eine größere
Anlieferung aus Opas Schuppen. Was für große Schuppen es anscheinend gibt, aber
na ja. Der Anzahl an Schädlings-Bekämpfungsmitteln nach zu urteilen, hat Opa
wohl einen privaten Kleinkrieg gegen alles geführt, was mehr als zwei Beine hatte,
und sich nicht Nutzpflanze nannte.
Schließlich ist Feierabend .Rasch unter die Dusche,
Schließer- Aufgaben erfüllt, Alarmanlage scharf gemacht, und Tschüß!
Ab nach Hause. Noch ein Paar Teile eingekauft, einen Teil
davon Oben bei Mutter und Bruder abgeliefert, und dann habe ich Zeit für mich.
Ich Esse eine Kleinigkeit, dann lasse ich mich auf dem Sofa nieder, um mir meinen Schatz näher anzusehen.
Ich blättere den ersten Band, „Durch die Wüste“, durch.
Offen gesagt besitze ich es schon, und habe s wohl auch mehrmals gelesen, aber
solche alten Bücher üben doch eine gewisse Faszination auf mich aus.
Während ich so blättere, fällt plötzlich etwas zwischen den
Seiten des Buches heraus, und vor meine Füße auf den Boden. Ich bücke mich, und
hebe es auf. Es handelt sich um ein zusammen gefaltetes, vergilbtes Blatt
Papier, offenbar aus einem Tagebuch ausgerissen. Ich faltete es auseinander,
und betrachte es.Mit schwarzer Tinte steht darauf in kindlicher Schrift:
15.9.1953
„Dies ist vielleicht
das Letzte, das ich schreibe. Es geht mir schlecht. Ich Kann nicht gehen. Ich
glaube, es ist ein Mörder unter uns. Einer ist nicht, was er zu sein vorgibt.
Klara ist nicht einfach verschwunden. Und nun bin ich der nächste. Warum hilft
mir keiner?“
Ich starre auf diese Zeilen, und reibe mir die Augen. Hat
sich da jemand einen Scherz erlaubt, oder sollte das echt sein? Dann wäre ich
hier einem, nein Zwei ungesühnten Morden auf der Spur!
Ach nein Thorsten, jetzt sei doch mal vernünftig. Bestimmt
ist das nur quatsch. Wahrscheinlich hat da ein Junge einem anderen einen Streich
gespielt, und der Zettel ist da hängen geblieben. Ja, so wird es gewesen sein,
obwohl…nein nein!
Ich lege Buch und Zettel zur Seite, und denke den Rest des
Abends nicht mehr daran, oder versuche es zumindest. Auch den nächsten Tag auf
der Arbeit denke ich vorerst nicht darüber nach. Habe auch genug Anderes zu
tun. Mit Rosi, meiner Vorgesetzten etwas besprechen, Schadstoffannahme, hier
und da noch ein wenig aufpassen, und Ausbildungsplanung. Na gut, ab und zu
denke ich doch noch mal daran.
Abends zu Hause lese ich den Zettel noch einmal. Dann greife
ich instinktiv nach dem Buch, und da, auf der ersten Seite steht eine Widmung:
Für Jan, von seinem
Großvater, Weihnachten 1952
Darunter Jan
Dijsterkamp, und eine Adresse.
Hmm.. ein Name und eine Adresse, da könnte man doch ansetzen.
Nein, nein was soll das schon wieder?
Ich meine, ich bin ein Niemand. Wie komme ausgerechnet ich dazu, in alten
Geschichten einer Familie rum zu kramen, mit der ich nicht ich mal verwandt
bin, noch sonst irgendwas zu tun habe?
Ach…kennen sie das, wenn man eifriger Krimi-Leser und
passionierter Hobby- Detektiv ist, und dann kommt so eine Sache? Verflixte
Neugier! Nun was soll ´s? Also gut, mal den Rechner angeschmissen und
gegoogelt. Und sieh da, die Dijsterkamps waren eine aus Holland stammende
Kaufmanns-Familie, die seit dem Siebzehnten Jahrhundert in Bremen ansässig war.
Sie betrieb einen großen Tee-Handel Die Adresse liegt in Schwachhausen, in der
Nähe des Riensberger Friedhofs.
Soll ich da vielleicht mal hin? Nun, angucken kostet ja
nichts, wenn es denn überhaupt noch was zu sehen gibt.
Den Kopf voller Gedanken gehe ich schließlich zu Bett, doch
Schlaf finde ich lange nicht. Die halbe Nacht wälze ich mich im Bett hin und
her. Als ich schließlich in Schlaf komme, habe ich einen seltsamen Traum.
Eigentlich ist es nur ein Junge von etwa vierzehn Jahren, der mich unverwunden
anstarrt. Er starrt einfach nur, und plötzlich hebt er die rechte Hand, und
zeigt auf mich. Dann löst er sich auf.
Am nächsten Tag auf der Arbeit, bekomme ich die Gedanken an
den Zettel, die Adresse und den seltsamen Traum nicht aus dem Kopf, und bin
unkonzentriert.
Auch Rosi scheint zu merken, dass ich neben mir stehe, und
sie spricht mich darauf an.
„Oh, es ist soweit alles in Ordnung“, versichere ich „Hab
nur nachher noch´n Paar Dinge zu
erledigen, die mich beschäftigen“ Im Grunde ist das nicht mal gelogen.
„Okay, aber wenn du etwas hast, oder auch nur reden willst,
kannst du zu mir kommen.“ Sie lächelt mir zu.
Ich gehe wieder an die Arbeit, und zu Feierabend bin ich
froh, nach Hause zu kommen. Ich muss heute nicht einkaufen, da könnte ich doch
eigentlich...Oh nein, nicht schon wieder!
Aber ich kann machen, was ich will, ich lenke meinen Roller
schon in Richtung der Adresse aus dem Buch.
Das Ziel liegt am Ende einer Nebenstrasse unweit des
Riensberger Friedhofs. Es ist ein Grundstück mit einer alten Jugendstil- Villa.
Es beginnt zu dämmern, als ich dort
ankomme. Grundstück und Haus sind gleichermaßen verwahrlost. Gras und Stauden
wuchern überall. Die Hecken sprießen in alle Richtung, der Zaun ist Rostig, und
die Umgebungsmauer verfallen. Die Pforte hängt traurig schief und verrostet im
Wind.
Am Haus blättern Putz und Farbe ab, und einige Fensterläden
hängen schief. Etliche Fensterscheiben sind zerschlagen. Ich schiebe die
schiefe Pforte auf. Es ertönt ein lang gezogenes Kreischen. Hier hat wohl
jemand `ne Ölkrise. Ich schaue mich um, ob jemand etwas gehört hat, aber Keiner
ist in der Nähe.
Langsam schreite ich den Pfad zum Haus hin. Du weißt schon, das du grade einen Einbruch
begehst, sage ich zu mir .mag sein,
aber es wohnt ja schon lange Niemand mehr hier.
Die Tür steht ein wenig auf, und ich betrete das Haus.
Alles ist überzogen von Spinnweben. Es gibt noch das alte Mobiliar,
das von Schondecken überzogen ist. Ein bisschen wirkt es, als hätte man das
Haus grade verlassen, dabei muss es schon Jahrzehnte leer stehen. Eine Treppe
führt im Vorraum nach Oben .Linkerseits führt eine metallene Vorrichtung nach
Oben, die ich als eine Art Treppenlift erkenne. Ich steige die Treppe hinauf.Es
wird doch langsam dunkel. Gut, das ich mir eine Taschenlampe mitgebracht habe,
die ich aus dem Elektroschrott- Behälter gezogen habe. Sie leistet mir jetzt
gute Dienste.
Oben führt ein Korridor an mehreren Zimmern vorbei, an
dessen Ende sich noch eine Treppe befindet. An ihrer linken Seite ist eine
Rampe Angebracht . Ich gehe den Korridor entlang, und steige auch diese Treppe
herauf. Ich stehe auf einem Vorsprung vor einer Tür, in die kaum noch leserlich
die Worte: “Jans Reich“ geritzt sind.
Ich schiebe die halb offene Tür auf, und betrete das Zimmer.
Es ist eine Art Kinder -oder Jugendzimmer. Rechts ein Bett , am Kopfende eine
Kommode. Am Fußende, darum also Rampe und Treppenlift, ein alter Rollstuhl.
Seine Rückenlehne ist mit einem
zerschlissenen Kissen gepolstert. Auf der Sitzfläche liegt ein kleiner Ball.
Auf der anderen Seite am Fenster, durch dessen zerschlagene
Scheibe ein Luftzug herein kommt, ein Sideboard auf dem Bücher stehen, jetzt
natürlich ziemlich vermodert. Als ich eins anfasse, zerfällt es fast in meiner
Hand. Was haben wir denn da? Winnetou, Lederstrumpf, die drei Musketiere,
Sherlock Holmes, Pater Brown. Hatte durchaus einen ähnlichen
Literatur-Geschmack wie ich.
„Tja Jan“, denke ich laut „was kann ich hier nun erfahren?“
Ich lasse den Blick noch einmal schweifen, dann verlasse ich
das Zimmer. Ich, kann mich jetzt wirklich auf den Heimweg machen.Ich gehe die
Treppe hinunter, und zur anderen. Als ich sie gerade runter gehe, höre ich ein
Quietschen, ich drehe mich um, und erstarre .Der Rollstuhl aus Jans Zimmer
fährt auf die Treppe zu. Schon denke
ich, er fällt gleich herunter, da bleibt er ruckartig am Treppenabsatz stehen.
durch den Ruck wird der Ball herunter geworfen, der die Treppe hinunter
springt.
Er prallt schließlich gegen mein Bein und bleibt zu meinen
Füßen liegen.
Okay, das ist jetzt
ungewöhnlich! Unsicher hebe ich den Ball auf, und betrachte ihn, und das
blut gefriert mir in den Adern. auf dem Ball stand wie eingeritzt: Wahrheit finden hilf mir
Und jetzt wird’s wirklich unheimlich! Aber das kann doch gar
nicht-da macht sich doch jemand einen Jux mit mir!
„Hallo!“ rufe ich nach Oben „ist hier noch jemand?“.
Unheimlich hallt meine Stimme wider. „Das ist nicht witzig!“