Eigentlich bin ich ja kein ängstlicher Typ,aber das war auch für
mich ein bisschen viel. Nachdem ich Zuhause angekommen war, erlebte ich eine
unruhige Nacht. Wenn ich einmal Schlaf fand, sah ich im Traum wieder jenen
Jungen, der mich still ansah, und dann mit dem Finger auf mich zeigte.
Zusätzlich änderte sich jetzt noch die Szenerie in auf mich zu fahrende
Rollstühle und einen Schatten, der über einer am Boden liegenden Gestalt stand.
Dann wachte ich Schweiß gebadet auf, konnte nur noch daran
denken, und fand die restliche Nacht keinen Schlaf.
Auch jetzt auf der Arbeit, schweifen meine Gedanken immer
wieder ab.Und wenn sich doch jemand einen Scherz mit mir erlaubt hat? Aber
woher wusste der denn, das ich gerade zu diesem Zeitpunkt in dem Haus war, und
woher hätte er von dem Buch und dem Zettel wissen können? Ich hatte doch mit niemandem
darüber geredet. Oh Mist, das gehört doch gar nicht da rein. Säure und Domestos
vertragen sich nicht! Sollte mich doch mal auf die Arbeit konzentrieren.
Auch die Pause bringt mich nicht auf andere Gedanken. Ein
paar Schachaufgaben während des Essens kriege ich auch nicht gelöst, weil meine
Gedanken noch beim gestrigen Rätsel sind.
So bin ich immer wieder in Gedanken versunken, unterbrochen
nur, von einigen Schadstoffanlieferungen. Eh ich mich versehe ist dann auch schon wieder Feierabend, den
ich auch verpenne, und fünf Minuten zu spät das Tor schließe.
Als ich nach Hause komme, treffe ich Adele. Adele wohnt in
unserer Nachbarschaft, ist 36, hat kurzes ,dunkles Haar, blaue Augen, ein
Gesicht, das immer ein wenig verschmitzt wirkt, und ist, wie ich, ein wenig
untersetzt. Sie ist ein echter Kumpeltyp, und darum eine gute Freundin.
Ich komme mit ihr ins Gespräch, und irgendwie auch auf mein
gestriges Erlebnis und den Zettel.
„Klingt ja irre, diese Geschichte“, meint sie „Hast du den
Zettel noch?“
„Natürlich“
„Weist du, ich kenne Jemanden, der ist Privatdetektiv. Wir
könnten uns mit ihm treffen, und einfach unverbindlich mit ihm darüber reden.“
Der Vorschlag klingt gut. Vielleicht ist diese Sache für
mich allein doch zu groß, und so stimme ich zu. Adele verspricht Heute Abend
noch anzurufen, und mir Bescheid zu geben.
In der folgenden Nacht habe ich wieder die Träume von
Jungen, Rollstühlen und Schatten, und dennoch geht mir am nächsten Tag die Arbeit viel einfacher und konzentrierter von der Hand, so erleichtert fühle ich
mich, dieser Sache nicht mehr allein gegenüber zu stehen.
Etwa eine Stunde vor Feierabend ruft mich Adele an , und
verkündet freudig, das Martin, so heißt der Privatdetektiv, Morgen Abend Zeit
hätte, sich mit uns bei ihr zu treffen. Ich sollte Buch und Zettel mitbringen.
Ich bin nervös wie selten. Ich kann es kaum erwarten. Ich
habe Zettel und Buch vorsorglich schon mal mit zur Arbeit genommen, damit ich
nachher nicht erst noch mal nach Hause muss. So sitzen wir am nächsten Abend bei
Adele. Ihre Wohnung ist modern, aber anheimelnd eingerichtet. Sie bevorzugt
eher warme Farben. Adele und ich sitzen auf einem hellbraunem Sofa, Martin, auf
dem dazu passenden Sessel am Tisch .Tee und Gebäck stehen auf besagtem darauf.
Martin studiert den Zettel, und nimmt sich dann das Buch
vor, und die Eintragung vorn. Martin Kland ist groß, schlank, hat braunes Haar
und grüne Augen. Sein Gesicht ist rundlich, und wirkt gutmütig. Er trägt Jeans
und ein rot kariertes Hemd.
Er hört sich schließlich meinen bericht über die Ereignisse
im Dijsterkamp -Haus an.
„Eine ziemlich interessante Geschichte“, meint er „Mal
abgesehen, von den Geschehnissen im Haus ist es aber durchaus möglich, das du
auf ein echtes Verbrechen gestoßen bist.“
„Wie könnte man denn raus bekommen, ob wirklich etwas dran
ist?“, fragt Adele
„Nun, zunächst mal müsste man recherchieren und
Informationen über diese Familie beschaffen. Laut der Widmung bekam Jan die
Bücher zu Weihnachten 1952, es könnte übrigens Sinn machen, dir auch die
anderen Fünf noch mal anzusehen.Seine letzte Mitteilung auf dem Zettel, so
sie es denn ist, stammt von September 1953. Wir müssten uns also speziell auf
diesen Zeitraum konzentrieren. Sagen wir Dezember `52 bis.na Oktober `53.Das
nimmt natürlich Zeit in Anspruch“
„Ich habe ab Montag eine Woche Urlaub“, sage ich
„Perfekt. dann könnten du und Adele ihn der Uni- Bibliothek
recherchieren.Sie haben dort Archive. Ich kenne jemanden beim Weser-Kurier,
der schuldet mir noch einen Gefallen.“
„Dann willst du mithelfen?“, fragt Adele
„Offen gesagt, ist gerade Flaute im Geschäft. Ich langweile
mich, und dieser Fall ist reizvoll, also dann!“
Die folgenden Tage verbringen wir mit Recherchen am Computer
und in der Bibliothek .Wir stöbern in alten Zeitungsarchiven und Heimatkunde-Büchern,
und tragen allerhand Informationen
zusammen. Als ich ein Buch, eine Biographie des Dynastie-Gründer Kees Dijsterkamp,
die für unsere Zwecke nicht ganz so ergiebig ist, zurück stellen will, stoße
ich mit Jemandem zusammen. Ich fühle etwas an meiner Jackentasche, aber bevor
ich noch etwas sagen kann, ist die Person schon wieder weg.
Am nächsten Donnerstag sitzen wir wieder bei Adele und
tragen unsere Informationen zusammen. Auch Martin hat viel Interessantes von
seinem bekannten erfahren.
Demnach gab es im Dijsterkamp- Haushalt außer Jan zur fraglichen
Zeit folgende Personen:
Johann Wilhelm, Jans Vater mit seiner Frau Sylvia,
Jans Großvater Behrendt,
Jans Bruder Marten, Sohn
Johann Willems aus erster Ehe ,etwa Zehn Jahre älter als Jan
Er war zwischendurch auf einer Studienreise nach Afrika
verschollen, und erst Anfang 1953 zurück gekehrt.
Johann Willems Neffen Joost, 31 Jahre alt, über den man noch
wenig weiß
Luisa Dijsterkamp, ebenfalls aus erster ehe Johann Willems
Klara Persson, Jans Kindermädchen und Hauslehrerin, 27 Jahre
alt, Tochter schwedischer Eltern. Verschwand
etwa im Juli 1953, kurz danach begann Jan, der durch Kinderlähmung bereits an
den Rollstuhl gefesselt war zu kränkeln, bis er im September starb.
Ansonsten noch zwei Zofen, eine Köchin und der Hausdiener,
der gleichzeitig dem Hauspersonal vorsteht.
„Eine Schwester von Klara lebt noch in Bremen“, berichtete
Martin „Auch Nachkommen der Dijsterkamps, nämlich der Tochter und des Sohnes
leben noch in Bremen, bzw. im Umland. Von ihnen können wir sicher wertvolle
Informationen bekommen. In dem Haushalt verkehrten sonst noch der Hausarzt, ein
Dr. Stöhver, dessen Sohn die Praxis übernommen hat, und der Anwalt Dr. Koninck, der aus einer belgischen Familie
stammt. Er lebt noch, und ist im Ruhestand.“
„Vor allem vom Sohn des Arztes können wir vielleicht
wichtiges über Jans Krankheit erfahren. Möglicherweise hat er Krankenakten
seines Vaters aufbewahrt“, meine ich.
„Richtig, gute Idee“, entgegnet Martin, auch mit Anwalt
sollten wir sprechen. Ich werde erst mal sehen, das ich was über die Nachkommen
der Dijsterkamps raus kriege. Übrigens
hat mein Bekannter auch ein Familien-Foto aus der Zeit gefunden“ Er holt es
hervor
„Hier, die Eltern, Großvater, und die Geschwister, da ist Klara,
und das ist Jan.“
Klara ist bezaubernd hübsch, die anderen wirken ein wenig
aristokratisch, wie sie so da stehen. Als ich Jan sehe, gefriert mir wieder das
Blut in den Adern: Er ist der Junge aus meinen Träumen!
So gehen wir auseinander, und ich bin ziemlich aufgeregt. Ich
scheine da tatsächlich auf einen richtigen Kriminalfall gestoßen. Als ich Zuhause
angekommen bin, greife ich in meine Jackentasche, um den Hausschlüssel hervor
zu holen. Nanu, da ist doch was, das war doch vorher nicht in meiner Tasche! Ich
hole es hervor. Es ist ein zusammen gefaltetes Blatt Papier. Ich falte es auseinander,
und lese:
„Es wäre besser, wenn
sie sich nicht in Dinge einmischen, die sie nichts angehen, und gefährlich für
sie sein können.Wenn ihnen ihr Leben
und ihr Verstand lieb sind, dann halten sie sich fern vom Dijsterkamp -Haus,
und vergessen sie Jan Dijsterkamp! …
Fortsetzung folgt