Sonntag, 31. Januar 2016

Jan, aus dem reich der Toten-Teil 6

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Uns sorgsam umschauend, verlassen wir den Bahnhof, achten auf Leute, die uns besonders genau mustern, sehen auf verdächtige Umstände, doch nichts passiert.
Wir planen zunächst Dr. Konninck aufzusuchen, der in Schwachhausen wohnt, danach wollen wir zu Kriminal-Hauptkommissar a.D. Geerjes.

Während der Fahrt habe ich ein ganz mieses Gefühl. Ich fühle mich schuldig an Freds Tod. Hätte ich doch nur diese Bücher, und die verdammte Tagebuch-Seite nicht gefunden. Und warum musste ich Anfangen, in dieser  Sache herum zu schnüffeln, was ging mich denn so eine alte Geschichte ein. Jetzt hat diese Schnüffelei einen Menschen das Leben gekostet. War es das wirklich wert?

Adele scheint meine Gedanken gelesen zu haben.
„Dich trifft keine Schuld“, sagt sie zu mir gewandt „Dann müsste auch mich schuldig fühlen, weil ich Martin hinzu gezogen habe, der für uns Fred mit eingesetzt hat. Niemand hätte ahnen können, das es soweit kommt.“
„sie hat Recht“, stimmt Martin bei „Mit Selbst-Vorwürfen kommen wir nicht raus.“
So ganz tröstet mich auch das nicht, dennoch fühle ich mich ein bisschen besser.

Dr. Konninck wohnt in einem Altbremer Haus kurz hinter dem Stern, in der Joseph Haydn-Strasse. Im unteren Geschoß liegt die Anwalts- Kanzlei, die nun von seinem Sohn geführt wird.

Konninck selbst ist ein hochgewachsener, schlanker Mann mit hohen Wangenknochen, dunklem Teint, der eine längere Zeit im südlichen Ausland verrät, einer Adlernase, und stechenden grauen Augen hinter einer dünnen Nickelbrille. Er hat grauweißes, zurück gekämmtes Haar und Geheimratsecken.

Er reicht uns nach der Reihe die Hand, dann erklärt ihm Hanseaten-Columbo, der sich die Gesprächsführung auserbeten hat, warum wir hier sind, und was in letzter Zeit geschehen ist.
„Das ist ja eine ganz außergewöhnliche Geschichte. Wie kann ich ihnen helfen?“
„Indem sie uns etwas mehr über die Familie Dijsterkamp erzählen. Sie gehörten ja quasi dazu.“

Der Anwalt lächelt. Dazu gehören ist ein wenig übertrieben, aber ich ging schon regelmäßig in ihrem Haus  ein und aus. Nun, Johan Willem und seine Frau waren ehrbare, fleißige Leute. Sie kennen ja die Geschichte der Familie.“
„Sicher“
„Ja, die Sache mit dem verschwundenen Hausmädchen traf ihr sehr, und dann der Tod des Jungen, schlimm.“
„Ja, wie schon gesagt, besteht der begründete Verdacht, dass beide ermordet wurden.“
„Richtig, aber das wurde seinerzeit ja untersucht, und kein Anhaltspunkt dafür gefunden.“  
„Aber nun gibt es diese Tagebuchseite, und kaum beschäftigt man sich damit, einen Mord.“
„Verrückt, ja. Nun ja, es gab damals tatsächlich merkwürdige Begleitumstände. Um ehrlich zu sein, hatte ich kurz vor seinem Tod ein Gespräch mit dem Jungen, und er äußerte mir gegenüber, er glaube, das Marten nicht der  sei, der er zu sein vorgab“

„Er meinte, jemand hätte Martens Rolle eingenommen?“
„In der Tat. Sie wissen ja, dass er in Afrika verschollen war. Was aber nur wenigen bekannt war, ist, das sein Cousin Joost mit ihm in Afrika war.“
„Hochinteressant. Weiß man eigentlich, was damals in Afrika genau passiert ist?“
„Nein, da Marten zurück gekehrt ist, und man kurze Zeit später auch ein Telegramm von Joost aus Amsterdam bekam. Aber es gibt ja Möglichkeiten so was zu fälschen, oder vorzeitig aufzugeben.“

„Sie meinen Joost hätte Martens Rolle eingenommen?“
„Sie sage nichts, ich zeige nur Möglichkeiten auf. Damals habe ich allerdings diesen Verdacht nicht geäußert.“
„Sie wissen nicht, ob Marten mal über die Zeit in Afrika gesprochen hat?“
„Nein, nicht viel.“
„Sind sie ab zu in der alten Villa?“
„Ich schaue dort ab und zu nach dem Rechten. Liegt ja bei uns in der Nähe.“
„Haben sie dabei mal etwas Ungewöhnliches bemerkt?“
„Nicht, das ich wüsste.“
„Dann haben sie auch nichts von dem alten Mann mitbekommen, dessen Leiche im Keller gefunden wurde.“
„Leider Nein.“
„Sie können sich auch nicht vorstellen, wer das gewesen sein könnte?“
„Auch nicht.“
„Es könnte sich nicht um Joost oder Marten handeln?“

„Marten ist tot, und von Joost hat man seit dem Telegramm aus Amsterdam nichts mehr gehört“
„Marten ist tot?“
„Ja, er starb, lassen sie mich nachdenken…, 1960, glaube ich .Er hatte einen Unfall. Es gab ja einige Todesfälle um die Dijsterkamps, wie sie wissen“
„Ja, ich habe davon gehört.“
„Der Freund von Herrn Kland schrieb ihm, er hätte etwas Ungeheuerliches aufgedeckt.
Können sie sich vorstellen, was das war?“
„Nein, da bin ich überfragt“
„Ist es richtig, das ein Kommissar Geejes die Ermittlungen beim Tod von Jan führte?“
„Ich glaube ja, so hieß er wohl. Er war auch bei anderen Fällen zuständig.“

„Tja, ich glaube, das War´s .Ich danke ihnen für ihre Zeit.“
„Keine Ursache.“
„Es wäre noch Zeit, zu Geerjes zu fahren“, meint Kommissar Lohmann. Er wohnt draußen in Borgfeld.
Wir fahren also hinaus.
Geerjes Adresse erweist sich als schmuckes Einfamilien-Haus im Grünen.Wir gehen zur Tür und klingeln. Keine Reaktion auf mehrfaches klingelt.

Hanseaten-Columbo ruft laut Geerjes Namen, und klopft dabei kräftig gegen die Tür, die sich langsam öffnet.

Wir schauen uns betroffen an.
„Kland, kommen sie“, flüstert der Kommissar. Sie beiden bleiben draußen. Sollten wir in Zehn Minuten nicht wieder draußen sein, rufen sie von meinem Wagen aus Hilfe.“

Man sollte es nicht für möglich halten, wie lange Zehn Minuten dauern können. Neun Minuten nach Ablauf der Frist, gefühlt Stunden, kommen die Beiden mit düsteren Mienen wieder heraus.

„Er ist nicht da“, sagt Martin „Aber sein Haus ist durchwühlt, Möbel sind umgefallen, es sieht nach einem Kampf aus. Man könnte ihn entführt haben.“
„Oder" erwidere ich trocken, "er ist geflohen.“
Und weise auf den Car-Port, dem ich erst jetzt Aufmerksam  werde. Er ist leer.

Martin nickt nur, aber weiter kommen wir nicht, denn da klingelt mein Handy. Ich ziehe es aus der Tasche, und sehe aufs Display:
ROSI DIENSTHANDY, lese ich. Ich nehme ab.
„Hallo Rosi“
„Thorsten, du musst mir helfen, ich stecke furchtbar in der Klemme. Sie haben mich…“
Plötzlich höre ich eine raue Männer-Stimme:
„Wir wollen das, was Kern ihnen hinterlassen hat. Heute Abend 23:00Uhr auf ihrer Deponie. Kommen sie nicht, dann finden sie morgen Früh dort ihre Leiche!“