Er war erschossen worden, und wohl schon über eine Stunde
tot. Stieler hatte schon sein Handy hervor gezogen, und die entsprechenden
Kriminaltechniker nebst Gerichtsmediziner gerufen.
Ich lies meinen Blick über das Büro schweifen. Der
Schreibtisch war unaufgeräumt. Papiere lagen lose übereinander, ein paar Stifte
lagen auf der Schreibtischunterlage, neben einem Locher. An die Lampe war ein
Zettel geklebt. In enger Handschrift stand darauf: “Lena Schramm ,Nordsee-Palast ,Zimmer 231,0532.“,dahinter das Datum
des heutigen Tages , und die Uhrzeit eine Stunde vorher.
Ich machte den Kommissar darauf aufmerksam. Er nahm den
Zettel ab, und betrachtete ihn mit hoch gezogenen Augenbrauen.
„Wenn das hier
zutrifft, war sie die letzte Person, die
ihn lebend gesehen hat.“
„Genau genommen könnte sie auch seine Mörderin sein“, meinte
ich. Stieler nickte
„Wir werden uns auf jeden Fall mit der Dame unterhalten
müssen.“
*
Wir gingen, und ließen die nun eintreffende Spurensicherung
ihre Arbeit machen. Wir beschlossen zum Nordsee-Palast zu fahren, und mit Lena
Schramm zu sprechen, doch sie war nicht dort. Der Portier beschrieb sie als
zierliche Frau, dunkelblond,elegant gekleidet,mit einem breitkrempigen hut und
einer Sonnenbrille, die irgendwie deplaziert wirkte.
„Dann möchten wir uns ihr Zimmer ansehen.“, sagte Stieler.
Der Hotelmanager Hein Schriever weigerte sich zunächst.
„Ich kann sie nicht einfach in das Zimmer eines Gastes
lassen. Wir haben hier Diskretion zu wahren. Wir sind schließlich ein renommiertes
Hotel.“
„Guter Mann“, sagte der Kommissar liebenswürdig „Frau Schramm
steht eventuell unter Mordverdacht, Es wäre insofern ein Leichtes ,innerhalb
zwei Stunden einen Durchsuchungsbefehl zu erwirken, und dann würden hier
Streifenwagen vor der Tür stehen. Das ist doch sicher auch nicht ihrem
Interesse. Sie können selbstverständlich gern mit dabei sein.“
So überzeugt ging Schriever mit uns nach oben zu Lena
Schramms Zimmer, und schloss es uns auf.
Das Zimmer war sauber aufgeräumt, das Bett gemacht. Ich lies
meinen Blick schweifen, und blieb beim Tisch stehen. An der Wand lehnte ein
Foto eines blonden Mannes , der mir sehr bekannt vorkam. Es war Hauke Terjes.
Ich nahm das Foto, sah es an ,und drehte es in der Hand. Da stand eine Widmung:
“Meinem kleinem Schwesterchen zum
Geburtstag“
Stieler war zu mir gekommen ,sah mir über die Schulter und
pfiff leise.
„Interessant, wusste gar nicht, das er eine Schwester hatte.“
„Ja“, meinte ich „Er steckt voller Überraschungen.“
Wir suchten weiter. Stieler öffnete den Schrank, in dem
säuberlich eine Reihe von Kleidern hing. Ich sah mir die Schubladen an. In der
zweiten fiel mir zwischen der Wäsche ein harter Gegenstand in die Hand. Als ich
ihn auswickelte, entfuhr mir ein Laut der Überraschung: Ich hielt eine
kleinkalibrige Pistole in der Hand .Ich gab sie Stieler, der eine Plastiktüte
aus dem Mantel zog, und sie darin verpackte.
„Ihre Fingerabdrücke zu Vergleichszwecken haben wir ja.“
Schriever, der uns zugesehen hatte ,war bleich im Gesicht.
Der Kommissar wandte sich an ihn: Dieses Zimmer wird
versiegelt. Ich schicke die Spurensicherung vorbei. Wir werden das aber so
diskret wie möglich machen. Falls Frau Schramm kommt, rufen sie mich sofort an.“
Er reichte Schriever seine Karte, und wir verließen das Hotel.
Draußen holte er sein Handy hervor. „Ich werde sie auf jeden
Fall zur Fahndung ausschreiben lassen.
*
Danach brachte Stieler mich nach Hause, wo ich Fenris, der
an seinem Schreibtisch bei einem Glas englischem Porter saß, Bericht erstattete.
Er hörte mir aufmerksam zu, stellte hier und da ein Paar Fragen, und nickte
dann nachdenklich.
"Dieser Fall wird immer verwickelter , und irgendwie scheine ich mich ihm nicht entziehen zu können."
"Dieser Fall wird immer verwickelter , und irgendwie scheine ich mich ihm nicht entziehen zu können."
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück ,gab es noch eine Überraschung
für uns: Kommissar Stieler kam vorbei ,und hatte interessante Neuigkeiten .
„Zunächst: Die Waffe, die wir im Zimmer von Lena Schramm
gefunden haben, ist eindeutig die Tatwaffe im Fall Biese. Und jetzt wird´s
wirklich spannend: Mit der Pistole, die wir bei Biese fanden, wurde der
Zahnarzt Dr. Karl Bertold erschossen.“
Fenris horchte auf, dann verengten sich seine Augen.
„Wäre es vermessen, anzunehmen, das Bertold auch Terjes und
Robert Gramel behandelte?“
„Natürlich“ ,sagte Stieler amüsiert „Er hat alle hier im Ort
behandelt. Er war schließlich der einzige Zahnarzt in der Gegend.“
„Und es ist unzweifelhaft, das er einen Einbrecher
überraschte?“
„Das steht außer Zweifel, aber es erstaunt schon, das es Biese
war.Er hatte solch einen Einbruch gar nicht nötig gehabt. Aber er muss es
gewesen sein. Bei der Durchsuchung seines Hauses fanden wir im Keller einen
Teil des bei Bertolds gestohlenen Schmucks .Seine Witwe hat ihn heute Morgen
identifiziert. Und noch etwas fand die Spurensicherung. Hinter einem Regal
versteckt, einen Hammer, der bräunliche Spuren enthielt. Wir wissen bereits ,
das es sich um Blut handelt. Es dürfte klar sein, das er die Mordwaffe im Fall
Terjes ist."
Fenris lehnte sich zurück, legte die Handflächen aneinander,
schloss die Augen, und versank in Gedanken. Das kannte ich von ihm. Ich nannte
das „Denkflush“. So warteten wir, und es dauerte beinahe Zehn Minuten, bis er
die Augen wieder öffnete. Frederike hatte Bier serviert. Er schenkte sich ein, nippte
am Glas und lächelte zufrieden.
„Ja, wenn man´s richtig sieht, fügt sich alles ineinander“,
sagte er geheimnisvoll. Dann fasste er den Kommissar ins Auge .
„Wollen sie uns zu den Gramels begleiten. Ich möchte
speziell mit Frau Gramel noch einmal reden, und dann können wir den Fall
abschliesen.“…